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Jeder Stadt ihre Hochschule?

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Im Nationalrat wurde der Bericht des Unterrichtsausschusses über die Empfehlung des Nationalrates, die Gründung einer Hochschule in Kla- genfurt zu prüfen, erörtert. Im Gegensatz zur Politik in den früheren Jahren der Zweiten Republik hat der Unterrichtsminister nicht mit den als Interessengruppe auftretenden Rektoren der übrigen Hochschulen oder mit den in Planungsfragen wenig ausgebildeten Beamten seines Ministeriums die Frage erörtert, sondern vielmehr eine eigene Arbeitsgemeinschaft für Hochschulentwicklung in das Leben gerufen. Diese Planungsgruppe, die sich aus Fachleuten der Verwaltung, aus Wissenschaftlern und aus Wirtschaftsfachleuten zusammensetzt, hat vom Unterrichtsminister nicht nur die Aufgabe übertragen erhalten, die Hochschule in Klagenfurt, sondern überhaupt das Problem von Hochschul- und Fakultätsneugründungen in Österreich einer genauen Prüfung zu unterziehen. Exakte wissenschaftliche Untersuchungen sollen die Grundlage für die künftigen Entscheidungen des Ministers abgeben. Für die Hochschule in Klagenfurt liegt allerdings bereits ein Gutachten des Vorstandes der Institute für Wirtschaftspädagogik und für Bankbetriebslehre und Lehrkanzelinhabers für Betriebswirtschaftslehre mit besonderer Berücksichtigung der Wirtschafts- und Betriebspädagogik, Univ.-Prof. Dr. rer. pol. Hans Krasensky, und seines Assistenten Dr. Wilfried Schneider vor. Da die Arbeit im Auftrag und mit Unterstützung der „Kärntner Hochschulförderung” entstanden ist, gibt es Leute, die ihr eine gewisse Einseitigkeit in der Beurteilung vorwerfen.

Klagenfurter Forderungen

Der Haupteinwand gegen diese Untersuchung ist erst neuerdings nach Abschluß der Arbeit entstanden. Die Vertreter Kärntens, die eine Wirtschaftshochschule für Klagenfurt propagieren, gehen von einer Situation in Österreich aus, wie sie vor Verabschiedung der besonderen Studiengesetze für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften bestand. Während man bis zum Jahre 1966 tatsächlich Volkswirtschaft nur an der Hochschule für Welthandel und an der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck studieren konnte, hat sich seither die Situation grundlegend geändert. Nicht nur die Hochschule für Spezial- und Wirtschaftswissenschaften in Linz hat im Herbst 1966 für die Studenten der Nationalökonomie, der Soziologie, der Betriebswirtschaft und der verwandten Studienzweige ihre Tore geöffnet, darüber hinaus wurde das Studium der Nationalökonomie auch an der Universität Wien ‘jnd der Universität Graz ermöglicht. Betriebswirtschaft kann man nunmehr auch in Graz und Innsbruck studieren. Damit dürfte aber der Bedarf an Nationalökonomen, Betriebswirtschaftlern und Soziologen in Österreich hinreichend gedeckt sein. Die Kärntner Wirtschaft wird sicher auch bereit sein, ihren angeblich großen Bedarf an Absolventen dieser Studienrichtungen aus der Zahl der Abgänger der anderen österreichischen Hochschulen zu decken.

„Die hochschulferne Lage der Kärntner Beckenlandschaft”, die „Forderung nach einem geistigen Äquivalent zu den nahen Hochschulen in Laibach und Triest und der günstige Altersaufbau der Wohnbevölkerung lassen ebenfalls eine Hochschulgründung in dieser landschaftlich hervorragenden Lage befürworten”, heißt es in einer Information der Organisation zur Errichtung, Förderung und Finanzierung der Kärntner Hochschule. Diese Argumente dürften für die Arbeitsgemeinschaft des Unterrichtsministers wohl nicht ausreichen, die ungeheueren Kosten für die Neugründung einer Hochschule zu befürworten.

Lokales Prestigebedürfnis

Wichtiger erscheint schon das Argument mit der hohen Maturantenquote pro Jahr. Bei der ständigen Verbesserung der Verkehrsverhältnisse zwischen den einzelnen österreichischen Landeshauptstädten müßte es doch allerdings auch für die Klagenfurter Studenten möglich sein, ihre Studien in einer nicht allzuweit entfernt’ gelegenen Hochschulstadt zu absolvieren. Im Vordergrund der Kärntner Wünsche dürfte doch wohl ein Prestigeanliegen gewisser Kärntner Politiker aller Parteien vorhanden sein. Wenn man wirklich einen gesamtösterreichischen Standpunkt im Auge behält, wird man wohl in der gegenwärtigen Budgetsituation den Gedanken an die Neugründung einer Hochschule — ganz gleich, an welchem Ort — zurückstellen. Wenn aber tatsächlich durch die Einräumung eines Vorranges für den Bereich der Bildung und Forschung so viel Geld vorhanden ist, wird man zunächst die bestehenden Hochschulen bestmöglich ausbauen. Ist auch diese Phase abgeschlossen, und sind die bereits gesetzlich gegründeten Fakultäten, wie zum Beispiel die Fakultät für Bauingenieurwesen der Universität Innsbruck und die Fakultät für Naturwissenschaften der Hochschule in Linz fertiggebaut und eingerichtet, dann kann man seriöserweise an die Neugründung von Fakultäten und Hochschulen schreiten. Man wird sich dann allerdings zuerst überlegen müssen, was man mit der Montanistischen Hochschule in Leoben zu unternehmen gedenkt. In dieser obersteirischen Hochschulstadt wurden nämlich große Investitionen des Bundes in den letzten Jahren getätigt. Jetzt stellt sich allerdings heraus, daß das Interesse der österreichischen Studenten am Studium der Montanistik stark zurückgegangen ist. Man sollte diese Hochschulstadt wahrscheinlich nicht schließen und die Gebäude dem Verfall preisgeben, sondern man sollte sich rechtzeitig überlegen, welche wirklich benötigten Studienrichtungen in den neuen Gebäuden untergebracht werden könnten. Die Zugverbindungen zwischen Leoben und Klagenfurt sollen sehr günstig sein. Vielleicht könnten sich die Klagenfurter Studierenden, wenn sie schon nicht die Vielzahl der Studienrichtungen, die ihnen das benachbarte Graz bietet, benützen wollen, für ein Studium in Leoben entschließen. Die Gründung einer Hochschule in Klagenfurt könnte das Problem für die Kärntner Maturanten ja auch nur teilweise lösen. Studenten, die zum Beispiel nicht die Absicht haben, die Wirtschaftswissenschaften zu studieren, müßten ja erst recht das landschaftlich sicher schöne Klagenfurt verlassen.

Wozu Sporthochschulen?

Die schöne Landschaft, das gute Klima und die sonstigen Annehmlichkeiten Kärntens, dürften wohl auch gewisse „Hochschulplaner” angeregt haben, für Klagenfurt eine Sporthochschule zu propagieren. Ob durch eine solche Gründung allerdings das geistige Äquivalent zu den nahen Hochschulen in Laibach und Triest hergestellt wird, bezweifeln selbst eingefleischte akademische Sportfanatiker. Der Bund hat erst vor kurzem die Sportanlagen der Newag-Niogas in Maria-Enzersdorf- Südstadt erworben. Es soll dort eine Bundessportschule für die Trainerausbildung geschaffen werden. Man kann wohl annehmen, daß die vorhandenen Sportanlagen der Südstadt eine bessere Basis für eine Sporthochschule abgeben würden, als die landschaftlichen Schönheiten der Kärntner Landeshauptstadt. Man wird allerdings untersuchen müssen, ob Österreich wirklich eine Sporthochschule benötigt und ob eine Zweiteilung in eine Sommersport- und eine Wintersporthochschule nicht dann wieder im Sinne eines falsch verstandenen Föderalismus gefordert werden kann. Die Südstadt bei Wien hätte noch den Vorteil, daß die sportlichen Hörer doch auch einige geisteswissenschaftliche Vorlesungen an der Wiener Universität im Rahmen ihres Studiums mitnehmen könnten (ohne daß dem Bund daraus zusätzliche Kosten erwachsen).

In Zeiten besonderer Hochkonjunktur kann man mit anscheinend reichlich vorhandenen Landesmitteln Hochschulgebäude in allen Landesteilen errichten. Man kann die Zahl der Personen, die in der Lage und gewillt sind, Hochschulprofessoren zu werden, allerdings nicht in der gleichen Form beliebig vermehren. Nachdem man anscheinend nicht bereit ist, die Gehälter der österreichischen Hochschulassistenten und der österreichischen Hochschulprofessoren an den Standard in den übrigen deutschsprachigen Ländern anzugleichen, wird sich die Zahl der wissenschaftlichen Nachwuchskräfte auch nicht so rapid vermehren, daß selbst genügend geeignete Aspiranten auf Lehrkanzeln in Klagenfurt vorhanden sind. Außerordentliche Zuschläge zum normalen Gehalt — wie sie die „Linzer” derzeit geben, sind wohl auf die Dauer nicht haltbar.

Um den Prestigebedürfnissen gewisser Landespolitiker doch entgegenzukommen, gäbe es eine viel billigere und der österreichischen Wissenschaft nicht so abträgliche Lösung: mit Herbst dieses Jahres werden die Pädagogischen Akademien — hochschulähnliche Einrichtungen zur Ausbildung der künftigen Lehrer — ihre Tore öffnen. Man könnte doch dem Beispiel der Bundesrepublik folgen und diese Einrichtungen als Pädagogische Hochschulen bezeichnen. Da es den Kärntnern Politikern — wie sie oft betont haben, nicht um einen bestimmten Typ einer Hochschule geht, wäre durch die Änderung des Titels der Lehrerausbildungsstätten die Möglichkeit eröffnet, nicht nur den Kärntner Landespolitikern, sondern auch den übrigen ehrgeizigen Landespolitikern ihre Wünsche zu erfüllen. Da die Hochschulen in Zukunft durchwegs Universitäten heißen sollen, wäre auch die notwendige Abgrenzung gegenüber den wirklichen akademischen Ausbildungsstätten wiederhergestellt Damit hätte dann nicht nur Klagenfurt, sondern es hätten auch Landeshauptstädte und andere wichtige Zentren wie Eisenstadt, Feldkirch „ihre Hochschule”.

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