Johannes XXIII. usurpiert

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Nein es geht nicht um die "Wiedereinführung" der lateinischen Messe. Denn auch das II. Vatikanum hat das Latein keineswegs aus den Gottesdiensten verbannt. Dass nun - nach monatelangen Gerüchten - der Vatikan ein päpstliches Schreiben ankündigt, nach dem der vorkonziliare Messritus wieder weitgehend zugelassen werden soll, hat mit der Lateinfrage nur am Rand zu tun.

Die Traditionalisten, denen der Papst hier entgegenkommt, können sich mit dem alten Ritus weiter um die Ergebnisse des II. Vatikanums drücken: Der tridentinische Messritus baut auf einem völlig anderen Priester- und Gemeindebild als dem der nachkonziliaren Kirche auf. Seine breite Wiederzulassung belastet die Ökumene mit den Protestanten, weil er in der Gegenreformation wurzelt. Auch das christlich-jüdische Verhältnis wird auf eine schwere Probe gestellt, war doch die Liturgiereform auch ein Versuch, den antijüdischen Grundton des vorkonziliaren Ritus zu überwinden.

Noch ist der Wortlaut des Papstschreibens nicht bekannt. Aber schon die offiziellen Informationen aus dem Vatikan können konzilsbewegte Christen nur als Schlag ins Gesicht empfinden. Denn - wie man es dreht und wendet: eine Zustimmung zu den Ergebnissen des II. Vatikanums und ein gleichzeitiges Beharren auf dem auch theologisch mit diesen unvereinbaren Ritus ist nicht möglich.

Das vatikanische Bulletin, welches das päpstliche Schreiben zur Causa ankündigte, spricht vom "Gebrauch des Messbuches des Seligen Johannes XXIII. aus 1962". Johannes XXIII. hatte 1962 die letzte Revision des tridentinischen Messbuches erlassen. Solch vatikanische Amtssprache suggeriert, dass nun ja bloß die Liturgie des Konzilspapstes reaktiviert werde. Das Gegenteil ist der Fall. Auf diese Weise wird auch Johannes XXIII. in den Dienst der Traditionalisten genommen. Das muss man fassungslos feststellen.

otto.friedrich@furche.at

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