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Kärnten als letzter Test

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„Das hat es noch nie gegeben“, empörte man sich in ÖVP-Kreiseti im Kärnten, und in der Landeshauot-stadt Klagenfuirt war man in dar

Parteileitung der Volkspartei „empört“. Aber auch in Wien, wo man in der Bundesparteileitung der Volfespartai bereits mit den Natdonaü-

ratswahlen 1970 zu tun hat, äußerte man sich ähnlich erregt. Grund zu dieser Aufregung in der Vorwoche gab die SPÖ Kannten, die die Landtagswahlen um vier Wochen vorverlegt hat. Durch diese Vorverlegung war aber das Kuriosum entstanden, daß die Wahlen, die ursprünglich am 22. März hätten stattfinden sollen, nun aber am 22. Februar 1970 abgehalten werden sollen. Das bedeutet, daß die Landtagswahlen in Kärnten genau acht Tage vor den für 1. März 1970 terminisierten Nationalratswahlen stattfinden würden.

Die SPÖ Kärnten hat damit einen Wahltermin gesetzt, wie es ihn in der Zweiten Republik noch kaum gegeben hat. Denn nie zuvor waren bisher in so unmittelbarer Nähe Nationalratswahlen und Landtagswahlen separat abgehalten worden. In den meisten Fällen hatte man sich angesichts einer solchen Terminkollision geeinigt, die Nationalratsund Landtagswahlen am selben Tag abzuwickeln. Nicht so die SPÖ Kärnten. Nach wie vor glaubt man nämlich in Kärntner sozialistischen Parteigremien, daß gerade dieser Termin vor den Nationalratswahlen sehr günstig sei,

• da bei einer Terminzusammen-legung nur allzu leicht die Landtagswahlen zu einem Sekundärereignis werden könnten und damit die SPÖ gegenüber der ÖVP auf Landesebene in einem sozialistisch geführten Bundesland wie Kärnten doch nur einen Teil jener Stimmen erhalten könnte, die ihr bei Landtagswahlen zufallen würden

• und außerdem weil man hofft, daß diese Landtagswahlen in Kärnten den Sozialisten, die ja über die Hälfte der Mandate verfügen, letzten Aufwind für dlie acht Tage später stattfindenden Nationalratswahlen bringen könnte.

In der ÖVP hingegen argumentiert man mit der Frage der Wirtschaftlichkeit und des Sparens bei Wahlen und plädiert dabei dafür, doch beide Wahltermine auf jeden Fall zusammenzulegen. Sollte es dazu aber nicht

kommen, so meint man in der ÖVP, könnte am ursprünglichen Termin für die Landtagswahlen Ende März festgehalten werden. Allerdings ist man der Meinung, daß ein vorverlegter Wahltermin weder für die SPÖ noch für die ÖVP besondere Auswirkungen hätte, höchstens die, daß an zwei Wochenenden mitten in der Wintersportzeit die Wähler zu den Wahlurnen zu bringen sind und daher wahrscheinlich bei den Wehlger gewichtigen Landtagswahlen die Zahl der Wahlenthaltungen größer wäre, als dies sonst in Rechnung gesetzt wird. Wie sehr allerdings von solchen Wahlenthaltungen bei Landtagswahlen in Kärnten auch die ÖVP stärker betroffen ist als die SPÖ, darüber ist man sich in diesem Bundesland noch nicht ganz im klaren.

Dagegen wiegt man sich in der ÖVP in Kärnten in der Hoffnung, daß im Falle einer Zusammenlegung von Nationalrats- und Landtagswahlen viel Wankelmütige und FreihaWüiche, die bei einer Nur-Landtagswahl für die FPÖ stimmen, sich in diesem Falle für die ÖVP entscheiden würden.

FPÖ als Fragezeichen

In einem ist man sich im klaren, bei dem derzeitigen Mandatstand in Kärnten von 18 Mandaten für die SPÖ, 12 für die ÖVP, 5 für die Freiheitlichen und 1 für die KPÖ müßten die Sozialisten, um ihr Anliegen nach einem vorverlegten Landtagswahltermin im Landtag durchsetzen zu können, auf die Stimmen anderer Parteien rechnen. Diese Stimmen im Landtag, so meint man in der ÖVP, indem man das Gespenst der „roten Katze“ und der „Volksfront“ wieder an die Wand malt, würde die SPÖ am leichtesten bei der komimiunisti-schen Partei erhalten.

Stille Volksfront?

Sosehr die SPÖ auch glaubhaft zu machen versucht, daß sie auf die KPÖ-Stimmen keinen Wert legt und an eine „Volksfront“ auch nur andeutungsweise nicht gedacht ist, so würde den Sozialisten doch in ihrem Bemühen, das Wahlziel, den Bundeskanzler, zu erreichen, sicher auch die Kommunistenstimmen nicht unwillkommen sein. '

Denn selbst die konkreteste Wahlanalyse könnte den SPÖ-Politikern nachher ja nicht beweisen, wer von den Kommunisten in einer geheimen Wahl wirklich ihre Partei gewählt hat.

In einem ist man sich allerdings auch in der Kärntner ÖVP im klaren: einen sozialistischen Landeshauptmann wird es im südlichsten Bundesland auch nach 1970 geben.

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