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Kasko vertrag mit Gott

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Für den gehetzten modernen Menschen gilt mehr denn je der Grundsatz „Zeit ist Geld“. Und da die Zeit so wertvoll ist, wird sie auch auf Raten gekauft. Es geht nichts über den „eigenen Wagen“. So ein Vehikel mit Krach und Gestank gehört zum heutigen Sozialprestige. Selbstverständlich darf auch nicht die nötige „Einrichtung“ fehlen. Im Heckfenster das pendelnde Püppchen, der Löwe, der Äffe, ein Ruhekissen mit dem aufgestickten „Komm gut heim!“ — im Rückspiegel das gleiche Bild in verkleinerter Form; der Ausblick auf den nachkommenden Verkehr ist nebensächlich; das Kasperltheater im Heckfenster ist viel wichtiger.

Weißes Kreuz auf blauem Grund

Ganz aus der Reihe dieser Kin- dereiien tritt dagegen eine Plakette besonderer Art: das internationale Erkennungszeichen katholischer Kraftfahrer. Dieses von mehreren europäischen Ländern geschaffene Zeichen ist ein weißes Kreuz auf hellblauem Grund, das auf dem Querbalken in schwarzem Druck die Buchstaben SOS enthält und meist auf dem Rückfenster des Kraftwagens angebracht ist. Damit will sich der Kraftfahrer als Katholik bekennen und in Lebensgefahr, nach einem schweren Verkehrsunfall, den Beistand eines katholischen Priesters erbitten.

Dieses Signum bedeutet aber für den Kraftfahrer, der sich hierzu bekennt, noch viel mehr! Es schließt die Verpflichtung in sich, sich im praktischen Leben, also auch im Straßenverkehr, nach den Grundsätzen des, katholischen Glaubens zu benehmen und zu handeln.

Ih begrüßenswerter Form hat das Bundesministerium für Inneres unter der Geschäftszahl 61.836-3 63 vom 1. IV. 1963 alle Straßenaufsichts- orgäne über den Sinn und Zweck dieser Plakette aufgeklärt und sie gleichzeitig angewiesen, dem damit „ausgedrückten Wunsch der Kraftfahrzeuginsassen im Falle des Bedarfes nach Möglichkeit zu entsprechen“. Dieser Erlaß des Innenministeriums ist nicht nur ein wohlwollender Akt gegenüber den katholischen Kraftfahrer, sondern könnte auch noch den Gedanken, die Forderung in sich schließen, daß der katholische Kraftfahrer nach seinen Glaubensgrundsätzen zu ganz besonderer Vorsicht und Rücksicht im Straßenverkehr verpflichtet sei. Keinesfalls aber ist die besprochene Plakette ein Freibrief für eine Kaskoversicherung gegenüber Gott! Beobachtungen in letzter Zeit im Straßenverkehr Wiens lassen in Einzelfällen schon ganz leise diesen Verdacht auf kommen.

Viel vorsichtiger ist ein Großteil jener Personen, die mit ihren Fahrzeugen an der Christophorus-Weihe teilnehmen, die aber — die Plakette auf ihrem Kraftwagen nicht führen, obwohl sie die Segensbitte des Priesters an Gott, daß „alle, die mit diesem Fahrzeug fahren, von den Gefahren aller Art freibleiben mögen“, in Anspruch nehmen. Nach Beobachtungen bei der letzten Christophorus- Feier in der Nähe Wiens, an der, wie anzunehmen ist, in der überwiegenden Mehrheit Katholiken teilgenommen haben, konnte man als Statistiker schon auf Grund eines nur sehr oberflächlich gemachten „Stichprobenverfahrens“ feststellen, daß die vorher schon mehrfach besprochene Plakette im Heckfenster des Kraftwagens fehlte. Es ist auch hier so wie im Leben, und wie in den vorstehenden Ausführungen schon mehrfach erwähnt wurde, der Unterschied zwischen dem Taufscheinkatholiken und dem im Leben praktizierenden feststellbar.

Ziffern, Zahlen, Zeugen

Um die Bedeutung der Straßenverkehrsunfälle zu dokumentieren, seien nachfolgend die neuesten Daten vermerkt: Im Jahre 1962 sind in Österreich insgesamt 41.866 Straßenverkehrsunfälle mit Sach- und Personenschaden vorgefallen. Hierbei wurden 1596 Personen getötet. Im Jahre 1961 waren es 42.653 Unfälle mit 1640 Toten. In ganz Österreich ereigneten sich im Jahre 1962 insgesamt 3720 Un fälle durch Trunkenheit. Bei diesen Unfällen kamen 5438 Personen zu Schaden. 280 Fälle endeten mit dem Tod; 1352 Personen wurden schwer und 3155 leicht verletzt. In 651 Fällen waren die Verletzungen unbekannten Grades.

In Relativzahlen ausgedrückt, ergibt sich bei der Gegenüberstellung des Unfallgeschehens 1961 gegenüber 1962 folgendes Bild: Die vorerwähnte Anzahl der Unfälle durch Trunkenheit am Volant in Gesamtösterreich hat sich im Jahre 1962 gegenüber 1961 leider um 2,1 Prozent erhöht. Für die hierbei tödlich Verunglückten ergibt sich eine Steigerung im Jahre 1962 gegenüber 1961 um rund 4,5 Prozent; der Anteil der bei Unfällen durch Trunkenheit tödlich Verunglückten betrug, umgerechnet auf alle Verkehrstoten des Jahres 1961, 16,3 Prozent und erhöhte sich im Jahre 1962 auf 17,5 Prozent.

Diese Relativzahlen, so gering sie rein mathematisch zu sein scheinen, werden aber viel sprechender, wenn man sich die Anzahl jener Menschen vorstellt, die bei den Unfällen ihren Leichtsinn und ihre Unüberlegtheit infolge Trunkenheit mit dem Leben bezahlt haben.

Erst mit dem Alter sinkt der „Spiegel“

Wenn man die Unfälle nach der Anzahl der alkoholisierten Beteiligten, nach Geschlecht und Altersgruppen auf teilt, ergibt sich folgende Struktur: Von insgesamt 4157 am Unfallgeschehen beteiligten Alkoholisierten entfallen 4089 auf das männliche und 68 auf das weibliche Geschlecht. Innerhalb der einzelnen Altersgruppen zeigt sich die stärkste Beteiligung beim männlichen Geschlecht zwischen dem 15. und dem 24. Lebensjahr mit 1171 Personen und an zweiter Stelle zwischen dem 25. und 34. Lebensjahr mit 1091 Fällen. Mit zunehmendem Alter sinkt auch die Anzahl der alkoholisierten Beteiligten am Verkehrsunfallgeschehen. Sie betrug im Jahre 1962 für die folgenden Altersgruppen von 35 bis 44 Jahren 699, für die Gruppen zwischen 45 und 54 Jahren 557 und für die Gruppen zwischen 55 und 64 Jahren 397 und über 65 Jahre 144.

Vielleicht wären jetzt einige „Gedankenstriche" am Platz und der wohlgemeinte Rat: Denkt doch nach! Es ist wirklich gut gemeint! Lasset es nicht so weit kommen, daß erst in stiller Stunde das hätte ich doch …" vorwurfsvoll und anklagend laut wird.

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