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„Kein Unschuldiger wird betroffen sein”

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Anpassung an die technischen Möglichkeiten der organisierten Kriminellen sind Lauschangriff und Rasterfahdnung.

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Anpassung an die technischen Möglichkeiten der organisierten Kriminellen sind Lauschangriff und Rasterfahdnung.

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DIEFURCHE: Warum fordern Sie so vehement die Zulassung von Methoden, die mit „großer Lauschangriff1' und „Rasterfahndung” umschrieben werden?

Michael SlKA: Wir sind der Ansicht - wenn ich wir sage, dann meine ich die Beamten - , daß wir eine Anpassung unseres Instrumentariums an die, sagen wir, technische Ausstattung def Gegenseite haben müssen.

DIEFURCHE: Darüber haben wir schon öfter gesprochen, ich denke an das FuRCHE-Dos-sier über „Organisierte Kriminalität”; das ist auch der Bevölkerung einsichtig. Wzun man ins Detail geht, kommt man nicht umhin festzustellen, daß von diesen neuen Methoden auch der unbescholtene Bürger betroffen sein kann. Peter Pilz sieht das so, und bei Michael Graff ist die Kritik besonders scharf (siehe Seite 2). Wer kümmert sich um den Bürger? SlKA: Ich kann beide Behauptungen oder Vorwürfe nicht teilen. Es ist so, daß wir dem Bürger die Zusicherung geben können, daß er, wenn er nicht in Dinge der Organisierten Kriminalität involviert ist, mit fast lOOprozentiger Sicherheit nicht betroffen sein wird. Man versucht, die Geschichte so darzustellen, als ob jeder Österreicher - der Müller, der Maier - Gefahr läuft, abgehört zu werden. Das ist erstens einmal deswegen nicht möglich, weil von Seiten der Gerichte, was die Bewilligung des Lauschangriffs anbelangt, ja sehr strenge Maßstäbe angelegt werden - und zwar wesentlich strengere als bei der Telefonüberwachung. Und zweitens wird es im Jahr geschätzt höchstens fünf bis zehn Fälle geben. Das heißt, daß der Bürger Gefahr läuft, sozusagen unschuldig mitbelauscht zu werden, ist schon rein rechnerisch nahezu unmöglich. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß wir nur in Fällen der Organisierten Kriminalität den Lauschangriff haben wollen. Es wurde immer so dargestellt, als wäre unser Wunsch weitergehend als der der Justiz. Das stimmt gar nicht. Die Justiz hat dann in den Gesetzesvorschlag die Grenze mit den zehn Jahren hineingebracht, also Delikte mit einer Strafandrohung von mehr als zehn Jahren; das haben wir ursprünglich gar nicht gewollt, wir wollen das auf die Organisierte Kriminalität beschränkt wissen.

DIEFURCHE: Wie wird das in der Praxis ausschauen?

SlKA: Wir werden sicher nicht dort lauschen, wo wir nicht sicher sind, daß wir nicht im Zentrum der Organisierten Kriminalität sitzen. Das heißt, wir werden lauschen wollen, wenn in einem Hotel beispielsweise eine Besprechung mehrerer krimineller Organisationen stattfindet. Dabei wird man sicher keinen Unschuldigen treffen. Wir werden vielleicht einen Lauschangriff machen wollen in der Villa eines Mafioso. Diese Möglichkeit schließe ich nicht aus. Wer wird da betroffen sein? Der

Mafioso, seine Familie, seine Freunde und Geschäftspartner. Das heißt, es werden natürlich auch - unter Anführungszeichen - Unschuldige betroffen sein, aber auf jeden Fall Leute, die sich im Einflußbereich des Mafioso befinden, das heißt auch Leute, die zwar unschuldig sind, die aber von seinem Geld abhängig sind, von seinem Wirken. Ich habe dieses Argument einmal gebraucht und da hat mir ein Lauschgegner gesagt, naja, bitte, da werden also doch Unschuldige belauscht. Das stimmt nur bedingt. Weil diese Personen sich natürlich im finanziellen Einflußbereich des Mafioso befinden, daher nicht ganz unschuldig sind. Das ist keine Sippenhaftung, das stimmt nicht, denn sie leben von ihm und leben von den durch ihn unkorrekt erwirtschafteten Geldern.

DIEFURCHE: Bei der Kasterfahndung kann natürlich ein Unschuldiger viel leichter hineinkommen. SlKA: Das ist etwas anderes. Bitte, die Rasterfahndung ist deswegen für mich überhaupt nicht bedenklich, weil sie wahrscheinlich noch seltener verwendet werden wird, als das beim Lauschangriff der Fall ist. Ich könnte Ihnen von allen großen Fällen, die wir derzeit haben, nur einen nennen, wo ich sie mir vorstellen könnte: Das ist die Briefbombenaffäre. Ansonsten kenne ich keinen, wo wir eine Basterfahndung sinnvoll anwenden könnten. Daher ist die Gefahr hier noch geringer. Und was noch dazukommt ist, daß wir an sich ohnehin nur die offiziellen Dateien verwenden können. Das heißt, der Griff auf die privaten Dateien ist sowieso stark eingeschränkt. Ich sehe daher eine wirkliche Gefährdung der Interessen der Bürger unseres Landes in Wahrheit nicht gegeben ... wenn Sie nebenbei die Praxis kennen, wo Ihnen auch Adreßbüros ganze Lebensläufe liefern können ... Ich sehe hier eigentlich nur papierene Vorwürfe. Die Basterfahndung schockt mich auch als Bürger nicht.

DIEFURCHE: Sind die Beamten reif dafür?

SlKA: Da muß ich Ihnen auch etwas sagen. Das kommt mir ein bißchen vor wie die Debatte um den Grenzdienst. Man hat diesen zu einer Zeit schlecht gemacht, wo es ihn noch gar nicht gegeben hat, wo er gar noch nicht beweisen konnte, daß er sehr gut sein wird. Und so ähnlich ist es auch bei Lauschangriff und Basterfahndung. Wir haben die Verpflichtung, wenn diese Dinge kommen, daß wir natürlich neue Strukturen aufbauen, die auch eine Verschärfung der Dienstaufsicht mit sich bringen. Wir haben nicht nur die Ratskammer und bei der Justiz die verschärften Zugänge zum Lauschangriff und zur Rasterfahndung, sondern wir haben auch bei uns Strukturen aufzubauen, die verhindern, daß das, was gelauscht wird oder was gerastert wird, in die Öffentlichkeit kommt. Das werden wir tun, wir haben uns damit auch schon beschäftigt. Und ich kann also eine wirkliche Garantie geben, daß wir diese Dinge in den Griff bekommen. Ich darf darauf verweisen, daß wir im November vorigen Jahres die

Sonderkommission Briefbomben umstrukturiert haben mit dem Erfolg, daß praktisch nichts mehr hinausgeht, weil wir diese Umstrukturierung so vorgenommen haben, daß wir die Sonderkommission dichtgemacht haben. Dasselbe werden wir bei Lauschangriff und Rasterfahndung auch tun, wir werden eine sehr strenge Dienstaufsicht einführen, die nicht nur Dienstaufsicht ist, sondern auch die Führung der Leute beinhaltet, die mit diesen Aufgaben betraut werden.

DIEFURCHE: Ist die Organisierte Kriminalität tatsächlich schon so groß, daß man diese neuen Methoden unbedingt braucht?

Es wird ja auch die Größenordnung oft in Frage gestellt.

SlKA: Das ist ja klar, daß die Größenordnung bezweifelt wird, andere Argumente gibt's ja nicht. Ich darf Sie noch auf einen Punkt aufmerksam machen. In der Schweiz gibt es den Lauschangriff schon seit Mitte der 70er Jahre, in Deutschland ist er bedingt gegeben, wird aber sicher kommen. Wir werden bald das einzige EU-Land sein - in Italien gibt's ihn auch schon - in dem es den Lauschangriff noch nicht gibt. Man wird uns wahrscheinlich dazu zwingen, den Stand an Ermittlungsmöglichkeiten der EU zu schaffen, genauso wie man gegen die Anonymität auftritt. Weil man sagt, es kann nicht angehen, daß ein EU-Land dieses Instrumentarium nicht hat, was dazu führt, daß wir als weißer Fleck auf der Landkarte noch mehr Organisierte Verbrechen anziehen. Ich glaube, daß man mit dieser Argumentation auch von Seiten der EU früher oder später auf uns eine gewisse Pression ausüben wird.

DIEFURCHE: Eine Frage, die eigentlich nicht zu beantworten ist, ich stelle sie aber trotzdem Hätte man dieses Instrumentarium schon gehabt, hätte es da Erfolge bei der Briefbombenfahndung gegeben? SlKA: Nein. Schaun Sie, das ist deswegen sicher mit Nein zu beantworten, weil wir für die Rasterfahnung noch gar nicht vorbereitet sind. Da gibt es die technischen Vorbereitungen noch nicht. Wenn wir die Möglichkeit bekommen, eine Rasterfahndung durchzuführen, dann müssen wir mit Volldampf drangehen, unsere technischen Ressourcen so auszubauen, daß wir sie de facto auch durchführen können. Das heißt, wir hätten auch mit dem erweiterten Instrumentarium in der Briefbombenaffäre bis dato nicht mehr Erfolg gehabt.

DIEFURCHE: Haben wir das Geld dazu, um uns diese technische Aufoder Nachrüstung leisten zu könen? SlKA: Ja also, was den Lauschangriff anbelangt jedenfalls, der ist nicht so teuer. Da kostet die Ausrüstung eines Lauschteams ungefähr sechs Millionen Schilling. Das werden wir aufbringen können. Die Basterfahndung ist eine wesentlich teurere Geschichte. Das wird nur in Etappen möglich sein.

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