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Krankenhäuser — hochmodern

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derts kam es nach einem Beschluß des Königlichen Gesundheitskollegiums 2ur Einrichtung der sogenannten Pro-vinzialärzte, die nicht nur eine ärztliche Praxis auzuüben hatten, sondern auch überwachende Funktionen bekamen. Sie waren Ärzte und Staatsbeamte in einer Person, und da sie in weiten Gebieten die einzigen Ärzte überhaupt waren, verkörperten sie auch für viele Staatsbürger den die Gesundheitsverhältnisse überwachenden S t a a t I Diese Einrichtung besteht — naturgemäß in etwas gewandelter Form — auch heute noch, und bis in die letzten Jahre hinein war es oft nur der Pro-vinzialarzt, der von den Minderbemit-

telten aufgesucht werden konnte. Dieser Arzt stand im Notfall auch ohne Bezahlung zur Verfügung, da der Staat ihm einen Teil seines Einkommens garantierte. Zu Beginn dieser Einrichtung gab es in Schweden nur 13 Pro-vinzialärzte; heute gibt es zwischen 600 und 700, und man arbeitet auf eine Erhöhung bis zu 900 hin. Die Bestellung von Distriktskrankenschwestern durch die Provinzialregierungen (Landstinge) ergänzt das System der Provinzialärzte, wobei immer bedacht werden muß, daß beide, Ärzte und Schwestern, einen sehr weit gespannten Aufgabenbereich haben und auch Kontrollfunktionen ausüben.

Die schwedischen Krankenhäuser werden fast alle von den Provinzial-verwaltungen gebaut, und man zählt sie ganz allgemein zu den bestentworfenen und am besten ausgerüsteten Krankenhäusern der Welt. Ihre technische Ausrüstung ist fast immer hochmodern. Alle Angestellten werden von den Provinzverwaltungen bezahlt, und da die schwedischen Gehälter vergleichsweise sehr hoch liegen (die Arte selbst bezeichnen ihren sozialen Status als „sehr gut.'“), bestehen vier Fünftel des Haushaltsetats aus Lohnkosten. Die laufenden Ausgaben und der Bau neuer Krankenhäuser werden über die direkte Besteuerung gedeckt, die sogenannten „Landstingssteuern“, die neben der Einkommensteuer und der Kommunalsteuer von den Einkommen sofort abgezogen werden. Schon dieser schwer ins Gewicht fallende Lohnposten führt zur Forderung nach einer möglichst vollkommenen technischen Ausrüstung, vor allem für die Diagnostizierung und Behandlung, und erst in den letzten Tagen vor Weihnachten 1962 wurde von Seiten der Krankenhausverwaltungen eine entsprechende Forderung laut.

Die große Zusammenfassung

Die pivate Behandlung durch angestellte Krankenhausärzte wurde früher im großen Umfang geübt, ist jedoch seit einiger Zeit eingestellt, und den Ärzten wurde dafür eine Gehaltserhöhung bewilligt. Die Chefärzte ha-bSrTfedofin weiterhin das Recht, Patienten privat zu behandeln und dafür eine Taxe nach eigenem Ermessen zu fordern.

Bis 1955 gab es in Schweden überhaupt keine allgemeine und obligatorische Krankenversicherung. Die dann eingeführte Versicherung wurde seither ununterbrochen verbessert und ausgeweitet. Ab 1. Jänner 1963 werden die Krankenversicherung, Unfallversicherung, Invaliditätsversicherung, Altersversicherung und Hinterbliebenenversicherung in einer großen Allgemeinen Versicherung zusammengefaßt. Ab diesem Zeitpunkt gibt es also in Schweden tägliche Krankengelder (nach einer dreitägigen Karrenzzeit) von fünf bis 28 Kronen, freie Krankenhausbehandlung, Reisekostenersetzungen, Kinderzulagen zum Krankengeld, ein Mutterschaftsgeld von 900 Kronen (bisher nur 270 Kronen) und Krankengeld für nicht erwerbstätige Hausfrauen von fünf Kronen pro Tag. Bis 1955 erhielten erkrankte Hausfrauen überhaupt kein Krankengeld, seither nur drei Kronen pro Tag; nun sind es mindestens fünf Kronen, welche durch eine Zusatzversicherung auf acht Kronen erhöht werden können. Dieselben Bedingungen gelten auch für Studenten, die noch nicht in einem Arbeitsverhältnis stehen und früher mit keinerlei finanzieller Unterstützung rechnen konnten.

Der Patientenkostenbeitrag

Die Kosten für die ärztliche Ordination müssen die Patienten nach wie vor sofort bezahlen! — Eine Bestimmung, die bei einwandernden deutschen, österreichischen oder englischen Bürgern die größte Verwunderung erregt, von den Schweden selbst jedoch als selbstverständlich empfunden wird: Die Versicherung zahlt dann drei Viertel jenes Betrages zurück, den ein staatlich bestellter Provinzialarzt, der an gewisse Taxen gebunden ist, verlangt hätte. Geht also ein Kranker zu einem Privatarzt oder gar zu einem teuren Modearzt — was ihm niemand verbietet! — erhält er nur eine Rückvergütung gemäß der Provinzialarzt-faxe. Auch die Medikamente müssen die Patienten zum Tpü selbst bezahlen; Beträge über drei Kronen werden ie-doch halbiert, und der Patient und die

Versicherung bezahlen je einen Teil. Bei gewissen Krankheiten lang dauernder Art, wie Tuberkulose, Zuckerkrankheit und einigen Herzkrankheiten sind alle Medikamente-kostenlos.

Die Zahnbehandlung ist nur für Kinder kostenlos; Erwachsene müssen im allgemeinen die Hilfe von Privatzahnärzten in Anspruch nehmen. Eine Reihe von Zahnkliniken, die den Provinzialregierungen unterstehen, geben jedoch Behandlung gegen ein herabgesetztes Honorar.

Zahlen sprechen

Welche tiefgreifenden Änderungen das schwedische Gesundheitswesen seit Ende des Krieges erlebt hat, geht am besten aus einigen Vergleichsziffern hervor: 1948 erreichten die Beiträge der (freiwillig) Versicherten 97 Millionen Kronen, der Staat bezahlte 43 Millionen und die Unternehmer brauchten überhaupt keine Beiträge zu leisten.

1960 zahlten die Arbeitnehmer 524, die Arbeitgeber 340 und der Staat 262 Millionen Kronen in die Kassen der Krankenversicherung. Die Gesamtausgaben für das Gesundheitswesen erhöhten sich in dieser Zeit von 442 auf

1517 Millionen Kronen, wobei die Krankenhausbauten noch nicht berücksichtigt sind. Die Gesamtausgaben des Sozialministeriums stiegen in dieser Zeit von 1400 auf 4724 Millionen Kronen.

Man kann zusammenfassend sagen, daß das schwedische Gesundheitswesen unter keinen Umständen und auch heute noch nicht nur lichte Seiten aufweist — die hohe Kostenbeteiligung, der Mangel an Ärzten und die langen Wartezeiten in den Krankenhäusern sprechen eine allzu deutliche Sprache. Es ist aber auch nicht nur einfach ein staatsdirigiertes Gesundheitswesen — dieser Auffassung widerspricht die große Freiheit der Ärztewahl und die Möglichkeit, die Höhe des Krankengeldes (und der Prämien) selbst zu bestimmen; es ist nicht mehr als ein modernes Gesundheitswesen mit starken liberalen Zügen, das vom einfachen Staatsbürger viel Verantwortungsbewußtsein, Einsicht und auch Opfer fordert.

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