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Krebs kann nicht ausgehungert werden

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Es klingt wunderbar: Bei Krebs müsse man nur 42 Tage lang nichts essen, sondern täglich höchstens einen halben Liter Gemüsesaft trinken, dazu bestimmte Kräutertees. Auch ein bis zwei Teller Zwiebelbrühe seien „nach neuesten Erkenntnissen” erlaubt. Damit werde der Krebs „ausgehungert” und bilde sich zurück - das verbreitet Budolf Breuß, seines Zeichens „Naturheilkundiger”. Sein Buch liegt in vielen Drogerien und Reformhäusern auf, wo man auch die Säfte beziehen kann - die für Übergewichtige, die abnehmen” wollen oder müssen, durchaus wertvoll sein mögen.

Die Begründung für die angebliche Wirkung der „Krebskur-total”: Der

Tumor müsse „verhungern”, weil er sich nur vom Ballast ernähren könne, der in der festen Nahrung enthalten sei. Außerdem baue der Körper, weil ihm von außen kein Protein zugeführt werde, alles Überflüssige ab - also vor allem die Krebsgeschwulst. Daß man bei der Saftkur zwischen fünf und fünfzehn Kilogramm abnimmt, räumt auch der Erfinder ein. Aus seiner Sicht schadet das den Patienten nicht; eine Auffassung, die aber die meisten Ärzte nicht teilen.

Zwar ist es in der Krebsvorbeugung sinnvoll, Übergewicht abzubauen; amerikanische Studien bestätigen, daß in Ländern mit geringer Fettzufuhr in der täglichen Nahrung etwa die Brustkrebsrate signifikant niedriger ist als in

Ländern mit hoher Fettzufuhr.

Wer Krebs hat, soll jedoch nicht fasten. Jutta Hellan, Ieiterin der Ambulanz für Komplementärmedizin im Wiener AKH erklärt: „Für Krebspatienten ist ausgewogene Ernährung sogar besonders wichtig, auch zur Stabilisierung des Körpergewichtes.” Was angesichts der Nebenwirkungen der Chemotherapie - von Übelkeit bis zu Geschmacksveränderungen und Schluckbeschwerden - und der schwierigen psychischen Situation vieler Patienten ohnehin oft schwer genug ist. Vor allem im fortgeschrittenen Stadium droht die gefürchtete Auszehrung (Kachexie), bei der der gesamte Organismus so geschwächt wird, daß er dem Überhandnehmen der Tumorzellen nichts mehr entgegensetzen kann. Einen ähnlichen Zustand durch Fasten künstlich hervorzurufen, ist aus medizinischer Sicht kontraproduktiv und gefährlich. „Krebs läßt sich nicht aushungern ”, sagt Jutta Hellan. Im Gegenteil: Er breitet sich im geschwächten Körper umso leichter aus.

Breuß warnt auch vor Frühuntersuchungen: Aus der Tatsache, daß ständiger Druck auf eine Körperstelle Zellschädigungen hervorrufen kann, schließt er, daß das „Herumdrücken” an einer kleinen und „harmlosen” Geschwulst zur Ausschwemmung von Krebszellen ins Blut und damit zur Metastasenbildung führe. Man solle den Knoten lieber in Buhe lassen - und schon gar nicht „hineinschneiden” ...

Rudolf Breuß mag das alles aus Überzeugung predigen, und die in seinem Buch abgedruckten Dankesbriefe mögen sogar echt sein. Spontanheilungen gibt es - das steht außer Streit. Dennoch: Für die meisten Patienten würde es fatal enden, sinnvolle Früherkennungsmaßnahmen und notwendige Therapien zu verweigern. Schul- und Komplementärmedizinerin Hellan: „Man kann davor nur warnen.”

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