Kriegsbeute bedroht seriöse Wissenschaft
Seit 1970 gilt die UNESCO-Konvention, dass Objekte, die zum kulturellen Erbe eines Landes gehören, nicht verkauft werden dürfen. Zurzeit tauchen insbesondere Objekte aus den Anfängen des Christentums auf, die aus den nahöstlichen Konfliktherden stammen.
Seit 1970 gilt die UNESCO-Konvention, dass Objekte, die zum kulturellen Erbe eines Landes gehören, nicht verkauft werden dürfen. Zurzeit tauchen insbesondere Objekte aus den Anfängen des Christentums auf, die aus den nahöstlichen Konfliktherden stammen.
Mit Datum 5. Juli 2017 wurde eine Entscheidung der Justizbehörde des östlichen Verwaltungsbezirks von New York veröffentlicht, welche die Rückgabe von antiken Objekten aus dem Irak betrifft. Diese waren, wie aus dem Titel der Entscheidung hervorgeht, von der Firma Hobby Lobby erworben worden und wurden Teil der Sammlung der Eigentümerfamilie. Diese Sammlung ist unter dem Namen "Green-Collection" bekannt und binnen weniger Jahre zu einer - was die Anzahl und grundsätzliche Bedeutung der Objekte betrifft - wichtigen Sammlung geworden.
Es handelt sich bei den von dieser Gerichtsentscheidung betroffenen archäologischen Objekten vor allem um Objekte, die in Keilschrift beschrieben sind. Mit dem Kauf der Gegenstände hatte die Firma gegen die UNESCO-Konvention aus dem Jahr 1970 verstoßen, welche den Kauf von Objekten, die dem kulturellen Erbe eines Landes zuzurechnen sind, untersagt. Davon ausgeschlossen sind Objekte, die bereits vor Ratifizierung der Konvention ausgeführt worden waren.
Archäologische Kriegsbeute
Was hier in dürren Worten umrissen wird, stellt ein großes Problem für Wissenschaftler dar, die sich mit antiken Texten aus Ländern beschäftigen, die von politischer Unsicherheit oder sogar Krieg betroffen sind. Als Wissenschaftler ist man darauf angewiesen, Objekte -Papyri und Pergamenthandschriften, Tonsiegel - zu bearbeiten, deren Besitzverhältnisse eindeutig geklärt sind.
Hier hat die Firma Hobby Lobby, welche die archäologischen Objekte nach dem Wortlaut des Gerichtsurteils unter der Bezeichnung "keramische Fliesen" und "Tonfliesen" ("Warenmuster") an der Zollbehörde vorbeischmuggeln ließ, eindeutig gegen geltendes Recht verstoßen. Das Urteil zeigt, zu welch kreativen Lösungen die Antikenhändler greifen.
Die ersten zehn Pakete waren unbehelligt nach Amerika gekommen. Weitere fünf Pakete wurden vom Zoll beschlagnahmt. Als Ursprungsland der Objekte war die Türkei angegeben worden. Im September 2011 wurden eine weitere Sendung mit rund 1000 Objekten beschlagnahmt, die über Israel in die USA geliefert worden war und aus demselben Verkauf stammt.
Das Urteil erwähnt ferner, dass es Indizien gibt, die dafür sprechen, dass es sich um geraubte Kulturgüter handelt. Die Zahlungskette zum Beispiel, welche das Gerichtsurteil erwähnt, weist darauf hin, dass viele Mittelsmänner beteiligt waren. Die Motivation, derartige Indizien zu ignorieren, war offensichtlich das von den Eigentümern der Handelskette Hobby Lobby geplante, höchst aufwändige "Museum of the Bible".
Dieses Museum soll im Herbst dieses Jahres in Washington D.C. in direkter Nähe zum Regierungsbezirk eröffnet werden. Die Kosten für dieses Museum sind enorm und werden mit bis zu 400 Millionen Dollar beziffert. Es soll das weltweit größte und wichtigste Bibelmuseum werden. Dabei sollen auch Originalobjekte aus biblischer Zeit ausgestellt werden, nur so ist der einzigartige Rang eines derartigen Museums zu erreichen.
Um an entsprechende Objekte zu kommen, haben die Eigentümer der Firma Hobby Lobby offensichtlich auch die eine oder andere "Abkürzung" genommen. Im Falle der Objekte aus dem Irak ist diese Abkürzung teuer geworden -zusätzlich zu dem Kaufpreis, der nun verloren ist, ist eine Strafgeld von drei Millionen Dollar verhängt worden.
Allerdings waren nicht nur Tonsiegel aus vorchristlicher Zeit Gegenstand der Sammelwut. Auch zahlreiche Handschriften mit christlichem Inhalt, darunter Papyri und Pergamentblätter aus Ägypten, wurden erworben. Bereits im Jahr 2014 hat Roberta Mazza, Papyrologin an der Universität von Manchester, am Kongress der Society of Biblical Literature in San Diego auf die potenziell problematische Provenienz eines Teils der Objekte aus der Sammlung des "Museum of the Bible" hingewiesen.
Herkunft eines Objekts klären
Ich selbst war bei diesem Vortrag anwesend und erinnere mich noch gut an diese Kongresspräsentation. Im Rahmen des Kongressvortrags kam auch ein Vertreter des "Museum of the Bible" zu Wort, der ausweichend auf die Fragen von Frau Mazza antwortete. Gekauft habe man die Objekte von einem Händler, dem man vertraue, aber dessen Namen man leider nicht veröffentlichen könne.
Für einen Wissenschaftler gleicht eine derartige Aussage der Folter. Solange die Herkunft eines Objekts nicht eindeutig geklärt ist und gleichzeitig gewährleistet ist, dass das Objekt - falls es nach Ratifizierung der UNESCO-Konvention das entsprechende Land verlassen hat - an den rechtmäßigen Eigentümer zurückgegeben wird, ist eine Bearbeitung nicht möglich. Einem Wissenschaftler kann die Bearbeitung eines illegal erworbenen oder eingeführten Objekts Karriere und Existenz ruinieren.
Das Verbot einer Bearbeitung ist nachvollziehbar: Durch eine Bearbeitung wird ein derartiges Objekt weiter legalisiert, die ungeklärte Herkunft kann weiter verschleiert werden. Dies macht das entsprechende Objekt wertvoller: Sei es, dass man es -versehen mit der wissenschaftlichen Expertise und der durch die Bearbeitung abgegebenen Unbedenklichkeitserklärung -weiterverkaufen kann, sei es, dass das Objekt in einem Museum ausgestellt werden kann.
Ungezügelte Sammelwut
Durch die Bearbeitung eines Objekts gibt ein Wissenschaftler automatisch seiner Meinung Ausdruck, dass das Objekt unbedenklich sei. Um so beunruhigender ist es, dass ein Vertreter einer großen und inzwischen auch wichtigen Sammlung bemerkt, dass Objekte von einem Verkäufer, dem man vertraue, erworben wurden, ohne dass der Verkäufer namentlich genannt wird.
Bedauerlich ist, dass dieser Fall einmal mehr Texte und Objekte betrifft, die mit den Anfängen des Christentums in Verbindung gebracht werden. Gerade derartige Texte faszinieren eine breitere Öffentlichkeit: Im Jahr 2012 war auf dem Koptologenkongress in Rom ein Papyrusfragment präsentiert worden, das angeblich von Jesus und seiner Frau berichtete: Hier war nicht nur die Herkunft, sondern auch der Text selbst gefälscht. Es mag ein wichtiges Anliegen sein, dass derartige Objekte in Museen präsentiert werden, eine ungezügelte Sammelwut von Privatpersonen ist jedoch kontraproduktiv.
Datum des Verkaufs und Herkunft der von der New Yorker Gerichtsentscheidung betroffenen Objekte lassen vermuten, dass Kriegsparteien im Irak Gelder aus diesen Verkäufen erhalten haben. Die Objekte selbst sind für Wissenschaftler unbrauchbar, weil eine Bearbeitung der -teilweise durchaus faszinierenden Objekte -nicht möglich ist.
Diese Situation ist auch der Grund, warum es gut und wünschenswert ist, dass Sammlungen im öffentlichen Besitz - wie zum Beispiel die Papyrussammlung der Nationalbibliothek in Österreich oder zahlreiche Universitätsbibliotheken im angelsächsischen Raum -auch nach der Ratifizierung der UNESCO-Konvention kontinuierlich unbedenkliche Objekte ankaufen.
Es kommen regelmäßig Objekte aus Privatbesitz in den Handel, es fehlt offensichtlich gutwilligen privaten Sammlern, wie der Fall Green zeigt, die Expertise, diese von den geraubten Objekten zu unterscheiden.
Für einen Wissenschaftler sind mit dieser Gerichtsentscheidung bis auf weiteres alle Objekte der Sammlung Green problematisch. Gerade weil zu vermuten ist, dass der Großteil der Sammlung aus rechtmäßig erworbenen Objekten besteht, ist dies allerdings eine Katastrophe.
| Der Autor ist Projektleiter zweier vom FWF geförderter Forschungsprojekte zur koptischen Überlieferung des Johannesevangeliums an der Universität Wien |