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Landtagswahlen: Der Wähler entscheidet - und die Arithmetik

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Am 13. März erfolgt mit den Landtagswahlen in Kärnten, Salzburg und Tirol der Auftakt zum „Super-Wahljahr" 1994.

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Am 13. März erfolgt mit den Landtagswahlen in Kärnten, Salzburg und Tirol der Auftakt zum „Super-Wahljahr" 1994.

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Wenn am kommenden Sonntag in den drei Bundesländern Kärnten, Tirol und Salzburg insgesamt mehr als 1,2 Millionen Bürger (exakt 1.215,919 -also bundesweit gesehen beinahe jeder vierte Wahlberechtigte) dazu aufgerufen sind, den jeweiligen Landtag neu zu wählen, entscheidet nicht nur der Wählerwille über die künftige Machtverteilung. Mitentscheidend ist auch die Wahlarithmetik aufgrund der unterschiedlichen Wahlordnungen (dazu auch das Interview auf dieser Seite): Während etwa in Tirol im Zuge der jüngsten Wahlrechtsreform eine landesweite Fünf-Prozent-Hürde eingeführt wurde, müssen die Parteien in Salzburg und in Kärnten jeweils zumindest ein Grundmandat in einem der Wahlkreise erringen.

Im Klartext bedeutet das, daß -ausgehend von der zu erwartenden Wahlbeteiligung - in Tirol landes-weit rund 18.500 Stimmen notwendig sein werden, um mindestens einen Sitz im Landesparlament zu ergattern. In Salzburg hingegen könnte Kleinparteien - zumindest nach der Wahlarithmetik - unter Umständen sogar mit landesweit 40.000 Stimmen (was rund 15 Prozent Wähleranteil entsprechen würde) der Einzug in den Landtag verwehrt bleiben ~ dann nämlich, wenn in keinem der sechs Wahlkreise ein Grundmandat erzielt werden kann (siehe Grafik). Am leichtesten ist für kleinere Parteien die Grundmandatshürde im Wahlkreis Salzburg-Stadt zu überwinden: hier reichen zehn Prozent Stimmenanteil und hier errang die Bürgerliste/Die Grünen bei der Landtagswahl 1989 ihr einziges Grundmandat. Nimmt man das Ergebnis der Salzburger Gemeinderatswahl vom Oktober 1992 zum Maßstab, sollte für die Bürgerliste/Die Grünen in Salzburg-Stadt die Grundmandatshürde kein Problem darstellen: damals überholten sie mit 16,5 Prozent sogar die FPÖ.

WAS KOSTET EIN MANDAT?

Ähnlich „minderheitenfeindlich" ist die Situation in Kärnten: Auch hier müssen die Parteien in einem der vier Wahlkreise ein Grundmandat erringen, um künftig im Landesparlament vertreten zu sein: im Wahlkreis Eins (Klagenfurt Stadt & Land) sind dazu 11,1 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen erforderlich (abhängig von der Wahlbeteiligung, voraussichtlich cirka 8.850 Stimmen). Rein rechnerisch ist es daher möglich, daß eine Partei mit landesweit zehri Prozent nicht im Landtag vertreten ist.

Die unterschiedlichen Berechnungsgrundlagen für die Grundmandate in den jeweiligen Ländern bewirken auch eine unterschiedliche „Mobilität" der Mandate: In den Salzburg Wahlkreisen errechnet sich die Wahlzahl, also der „Preis" eines Grundmandates, aus der Formel „gültige Stimmen dividiert durch die Zahl der zu vergebenden Mandate". In Kärnten hingegen „kostet" ein Grundmandat im jeweiligen Wahlkreis die Anzahl der abgegebenen gültigen Stimmen dividiert durch die Zahl der zu vergebenden Mandate plus Eins. In Kärnten sind also Grundmandate relativ „billiger" als in Salzburg.

Genau umgekehrt ist es folglich bei den Restmandaten. Diese sind in Salzburg relativ billiger als in Kärnten. Jene Stimmen, die in den Wahlkreisen bei der Ermittlung der Grundmandate „übrig bleiben", wandern jeweils in einen landesweiten Reststimmentopf: In Kärnten vrarden 1989 bloß drei Reststimmenmandate vergeben, in Salzburg waren es hingegen elf - weil eben in Kärnten mehr Stimmen im ersten Ermittlungsverfahren für die Grundmandate „verbraucht" werden als in Salzburg (in Kärnten werden ebenso wie in Tirol und Salzburg insgesamt je 36 Landtagssitze vergeben).

Betrachtet man die stimmen-mäßige „Absicherung" der einzelnen Mandate, lassen sich auch Aussagen darüber machen, welche Mandate von einer Partei zu einer andern wandern könnten. So ist etwa das dritte Grundmandat der FPÖ im Wahlkreis Klagenfurt lediglich um 0,03 Prozentpunkte (bezogen auf die im Wahlkreis abgegebenen Stimmen) abgesichert’ - kein Wunder also, daß dort Jörg Haider persönlich antritt, obwohl er „sein" Landtagsmandat voraussichtlich nicht annehmen wird (Haider will bekanntlich entweder Landeshauptmann werden oder, falls er das nicht schafft, in der Bundespohtik bleiben).

WELCHE SITZE WACKELN?

Ausgehend von den Daten der Meinungsforschung und von der Tatsache, daß im Zuge der Volkszählung 1991 ein Mandat aus dem Wahlkreis Kämten-Ost nach Kärnten-West gewandert ist, rechnet der Politologe Franz Sommer allerdings eher damit, daß drei nur schwach abgesicherte Grundmandate der SPO in den Wahlkreisen.Klagenfurt, Kärn-ten-Ost und Villach verloren gehen könnten. Gefährdet scheint auch das zweite ÖVP-Grundmandat in Klagenfurt. Bei den Reststimmenmandaten in Kärnten - je eines für SPÖ, FPÖ und ÖVP - rechnet Sommer aufgrund der erwähnten Besonderheit des Wahlrechts mit keinen Verschiebungen.

Wesentlich mehr Mandate als in Kärnten „wackeln" in Salzburg: Auch hier ergab die Volkszählung Mandatsverschiebungen, auch hier müssen die Großparteien mit Verlusten rechnen. Stark gefärdet sind etwa das vierte ÖVP- und das dritte

SPÖ-Grundmandat in Salzburg-Stadt, ebenso ÖVP-Grundmandate in St. Johann und Tamsweg sowie das zweite SPÖ-Grundmandat in Zell/See. Allerdings könnte ein knappes Verfehlen von Grundmandaten ein Plus an Reststimmenmandaten bedeuten, also den umgekehrten Effekt wie in Kärnten.

Geradezu revolutionär ist hingegen die neue Tiroler Wahlordnung: die Grundmandate in den neun Wahlkreisen werden nach der Formel „gültige Stimmen dividiert durch die Zahl der zu vergebenden Mandate plus ö,i" verteilt. Dieses erstmals praktizierte „Misch-Sy-stem" dürfte dazu führen, daß Grund- und Rest-Mandate cirka gleichviel Stimmen „kosten". Ein Novum ist auch das Tiroler Modell der „Direktstimmen": Der Wähler erhält zwei verschiedene Stimmzettel, einen mit den Parteinamen, einen mit den Landtags-Kandidaten. „Stimmen-Splitting" ist möglich: Man kann also etwa die Partei XY wählen, die „Direktstimme" aber einem Kandidaten der Partei Z geben. Jedoch erhält ein Kandidat nur dann ein „Direktmandat", wenn er mit seinen „Direkt-Stimmen" die Wahlzahl erreicht, die für ein Grundman-AaX erforderlich ist. Durch das "„Stimmen-Splitting" könnte die paradoxe Situation eintreten, daß ein Kandidat zwar ausreichend „Direkt-Stimmen" einheimst, aber seine Partei kein Grundmandat erringt, daß vergeben werden kaim. Doch auch hier ist vorgesorgt: der erfolgreiche „Direkt-Kandidat" wird mit einem Rest-Mandat bedacht.

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