Landwirtschaft am Scheide

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Zur Diskussion steht die Aufhebung der österreichischen Gentechnik-Importverbote und die Neuregelung des Bio-Bereichs. Und im Frühjahr wartet die Biotechnologie-Initiative der EU-Kommission.

Als die EU-Kommission am 21. Dezember des Vorjahres ihren Entwurf zur Neuregelung der EU-Bio-Verordnung verlautbarte, ging dieser - ob gewollt oder ungewollt - im allgemeinen Weihnachtstrubel unter. Demnach sollte unter anderem eine "zufällige" Gentechnik-Kontamination - z.B. durch Pollenflug - bis zu einem Anteil von 0,9 Prozent in Bio-Produkten zugelassen werden, sollten die teilweise niedrigeren EU-Standards für alle Mitgliedsstaaten bindend gelten und sollte offensichtlich auch die Unverwechselbarkeit des Begriffs "biologisch"(in Österreich) beziehungsweise "ökologisch"(in den anderen EU-Ländern) demontiert werden. So wäre es beispielsweise künftig möglich, einen Schokoriegel als "Öko-Kracher" zu bezeichnen, ohne dass nur ein Inhaltsstoff aus biologischer Landwirtschaft stammt.

Massiver Widerstand, ...

Erst Monate nach dem Verordnungsentwurf formierte sich von Deutschland ausgehend der erste massive Widerstand. Von einer geplanten "feindlichen Übernahme" der biologischen Landwirtschaft durch die EU-Kommission spricht rückblickend etwa Thomas Dosch, Geschäftsführer des größten deutschen Bioverbandes Bioland. Jetzt ein Jahr später, wieder knapp vor Weihnachten, sprechen viele Anzeichen dafür, dass diese nach wie vor mehr als umstrittene EU-Bio-Verordnung in groben Zügen unter Dach und Fach gebracht werden könnte. Termin wäre der kommende Montag, der 18. Dezember, an dem sich die Umweltminister der 25 Mitgliedsstaaten treffen. "Es wird Skandale aufgrund weniger strenger Richtlinien und einer höheren Verwirrung beim Verbraucher geben", prophezeit Dosch dem EU-Bio-Zeichen. Dieses bislang unbekannte Siegel soll künftig auf jeder Verpackung ökologischer Produkte zu finden sein.

... nicht aus Österreich

Von Seiten der österreichischen Bio-Verbände drang nur verhaltene Kritik nach außen. Im Frühjahr äußerte Landwirtschaftsminister Josef Pröll im Rahmen der EU-Präsidentschaft Österreichs noch Zweifel am hohen Gentechnik-Kontaminierungs-Grenzwert von 0,9 Prozent für Bio-Produkte. Doch nun scheinen die Vertreter von Bio Austria, der Dachorganisation der österreichischen Bioverbände, mit dieser Regelung leben zu können. "Wir sind unter bestimmten Bedingungen bereit, diesen gemeinsamen Kennzeichnungs-und Vermarktungs-Grenzwert mit konventionellen Produkten mitzutragen", erklärt Ex-Greenpeace-Mann Thomas Fertl, der von Bio Austria vor kurzem für die Koordination der agrarpolitischen Arbeit verpflichtet wurde. Die Bedingungen lauten: Das Saatgut muss sauber bleiben und jede Gentechnik-Verunreinigung beispielsweise durch Pollenflug, die vermeidbar gewesen wäre, muss als illegal geahndet werden. Eine derartige Regelung müsste aber in anderen EU-Gesetzestexten erfolgen und ist sicher nicht in allernächster Zeit zu erwarten. Fertl betont, dass sich diese Kontamination auf Einflüsse von außen bezieht - für Bio-Bauern und Bio-Verarbeiter bleibt die Gentechnik weiterhin tabu.

Widerstand dagegen regt sich nur in wenigen Ländern, wie etwa in Italien, das auch angekündigt hat, aufgrund dieses Grenzwertes gegen die EU-Bio-Verordnung zu stimmen. In Österreich galt bisher der Lebensmittelkodex als Maß aller Dinge, der für Bio-Produkte einen GVO-Grenzwert von 0,1 Prozent festschrieb. Doch steht diese Regelung auf wackligen Beinen, da es sich um ein Expertengutachten ohne gesetzlich bindende Funktion handelt. "Bio-Produkte werden in Österreich auf diesen Grenzwert hin kontrolliert", heißt es unisono sowohl aus dem zuständigen Gesundheitsministerium als auch von Seiten der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES), in deren Labors vor allem Soja-und Maisprodukte auf Gentechnik-Anteile untersucht werden.

Tests auf 0,9 Prozent?

Widersprüchliche Aussagen dazu kommen von den Verantwortlichen der Lebensmittelaufsicht in den einzelnen Bundesländern, die für die Probenziehung der Bioprodukte verantwortlich sind und nach der Analyse der AGES die Ergebnisse begutachten. Zwei von drei Zuständigen erklärten auf Anfrage, dass Bio-Produkte nicht auf 0,1 Prozent, sondern bereits auf den Gentechnik-Grenzwert von 0,9 untersucht werden. Aussage gegen Aussage - die Bio-Verordnung könnte in Kürze ohnehin den hohen Grenzwert verbindlich machen.

Am 18. Dezember könnte es aber nicht nur in punkto Bio-Verordnung zu einem Paukenschlag kommen: Beim EU-Umweltministerrat wird über die Aufhebung österreichischer Importverbote verschiedener genmanipulierter Maissorten abgestimmt. Im Juni 2005 war es noch eine große Sensation, dass die Mehrzahl der EU-Mitgliedsstaaten Österreich gegen den Antrag der EU-Kommission unterstützten. Das gilt diesmal als eher unwahrscheinlich. Umwelt-und Landwirtschaftsminister Pröll hat zwar angekündigt, nicht hinnehmen zu wollen, dass die EU-Kommission so lange abstimmen lässt, bis das Ergebnis passt. Aber de facto hätte die Aufhebung der Importverbote zur Folge, dass erstmals überhaupt in Österreich genmanipulierte Pflanzen gezielt freigesetzt werden können. Konkret handelt es sich vor allem um MON 810, einen Insektengift-produzierenden Genmais des Gentechnikkonzerns Monsanto. Diese Maissorte ist auch die einzige genmanipulierte Pflanze, die in Deutschland kommerziell freigesetzt wird und für heftige Kontroversen sorgt.

Ebenfalls von der Öffentlichkeit unbemerkt hat der finnische liberale Abgeordnete Kyösti Virrankoski im Agrarausschuss des EU-Parlamentes eine Initiative gestartet, um der Gentechnik in der Landwirtschaft zum Durchbruch zu verhelfen. In seinem Berichtsentwurf heißt es unter anderem, dass sich die bisher im Vergleich zu Nordamerika langsam verlaufende Entwicklung der "grünen Gentechnik" negativ auf die Schaffung neuer Arbeitsplätze auswirke. Deshalb müsse für das Gemeinschaftsrecht "unbedingt ein neuer Ansatz geschaffen werden" - was schnellere und unbürokratischere Genehmigungsverfahren bedeute. Mit der Forderung, dass das Vorsorgeprinzip "nicht als Vorwand für die Verzögerung des Verfahrens dienen" dürfe, werden die Interessen der Gentechnik-Industrie über jene zum Schutze der Bevölkerung gestellt. Die österreichischen Importverbote mehrerer genmanipulierter Sorten werden unter Hinweis auf das geltende Recht der Welthandelsorganisation WTO und das heuer veröffentlichte WTO-Urteil als nicht gerechtfertigt hingestellt.

Dafür oder dagegen

Neben einiger Zustimmung gab es jedoch auch massive Ablehnung unter den Ausschussmitgliedern: 190 Änderungsvorschläge wurden eingebracht, sodass die geplante Abstimmung vom - ebenfalls - 18. Dezember um ein Monat verschoben wurde. Falls dieses Votum zugunsten der Initiative ausfällt, kommt der Bericht Ende Februar/Anfang März zur Abstimmung ins EU-Parlament. Wiederum im Falle einer Annahme rechnen Kritiker wie Helen Holder, Gentechnik-Kampagnenleiterin der Umweltschutzorganisation "Friends of the Earth", mit weit reichenden Konsequenzen: Die Initiative hätte zwar keinen gesetzlich bindenden Charakter, könnte aber der EU-Kommission als Vorzeigeprojekt für deren Biotechnologie-Initiative dienen - diese wird im März oder April 2007 vorgestellt.

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