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Letzte Hoffnung, wenn die Natur versagt

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„Nachhilfe" für kinderlose Paare: Mehr als 1.000 Babies sind in Österreich bereits durch künstliche Befruchtung zur Welt gekommen.

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„Nachhilfe" für kinderlose Paare: Mehr als 1.000 Babies sind in Österreich bereits durch künstliche Befruchtung zur Welt gekommen.

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Kinder geben Lebenssinn, sie bedeuten Fortsetzung und Realisierung unserer Lebenspläne, sie sind die Erfüllung unserer Hoffnungen und der Garant unserer Zukunft. Nicht alle Paare sind jedoch von Natur aus in der Lage, selbst und aus eigener Kraft Kinder in die Welt zu setzen. Die Ursachen dafür sind mannigfaltig. 1880 wurden erstmals Sterilitätsforschungen an Säugetieren vorgenommen. 1979 traten erstmals US-Forscher mit Erkenntnissen aus der Forschung über Unfruchtbarkeit an die Öffentlichkeit.

Seit damals hat die medizinische Forschung auf diesem Gebiet wirklich rasante Fortschritte gemacht.

In Österreich wurde das erste „Retortenbaby" im Jahre 1982 geboren. Von 1982 bis heute sind österreichweit rund 1.000 Babies mit Hilfe von künstlicher Befruchtung zur Welt gekommen.

Universitätsprofessor Wilfried Feichtinger, Leiter des Instituts für Sterilitätsbetreuung " in Wien, führt die Gründe für das Ansteigen der Unfruchtbarkeit sowohl bei Männern als auch bei Frauen auf mehrere Faktoren zurück (siehe Furche 3/1996):

Waren es in den westlichen Industrieländern in den siebziger Jahren noch 70 Prozent der Frauen und 30 Prozent der Männer, die für die Kinderlosigkeit „verantwortlich" waren, sind es heute nur noch 60 Prozent der Frauen, aber 40 Prozent der Männer. Grund dafür ist der rasante Rückgang der Spermienqualität und -zahl. Verantwortlich dafür sind heute hauptsächlich Streß, Umweltgifte, darunter vor allem Umwelt-Östroge-ne, die durch die Fütterung der Tiere in unsere Lebensmittel kommen, sowie zahlreiche Gifte, die im Wasser und im Boden nachweislich vorkommen. So konnte zum Beispiel auch das hochgiftige „DDT" in der Eibläschenflüssigkeit von Frauen gefunden worden. DDT ist zwar schon lange verboten, doch kommt es durch seine Nicht-Abbaubarkeit immer wieder aus dem Boden in unseren Lebensbereich.

Professor Feichtinger: „Die Auswirkungen von Giftstoffen und die globale Verschmutzung sind eindeutig festzustellen. Leider ist es aber in vielen Fällen dann schon zu spät, die Schäden sind bereits eingetreten. Wichtig ist es, Augen und Ohren ständig offen zu halten, um eventuellen Spätfolgen zuvorzukommen, beziehungsweise solche erst gar nicht entstehen zu lassen."

Professor Feichtinger: „Grundsätzlich kann man feststellen, daß es selbstverschuldete und nicht selbstverschuldete Gründe für Sterilität gibt. Der Streßfaktor kann unter Umständen zu beiden Kategorien gehören. Lärm am Arbeitsplatz (das Arbeiten mit dem Preßlufthammer), Hitzeexplosionen bei der Arbeit (Hochofenarbeit, Bäcker et cetera) sowie Chemiearbeiter, Landwirte und Weinbauern, die viel mit Pestiziden in Kontakt kommen, zählen leider zu den besonderen Bisikogruppen. Auch Bauchen führt bei Männern zu einem

Rückgang der Spermienzahl um 15 bis 17 Prozent.

Unter diesen Voraussetzungen kommt es bei Männern zu Unfruchtbarkeit und bei Frauen zu Fehl- oder Mißgeburten, sowie zu den gefährlichen Eileiterschwangerschaften.

Am Institut von Professor Feichtin-ger, der heute mit einer besonders hochentwickelten Methode den Kinderwunsch vieler Paare erfüllen kann, ist - nach intensiven Forschungsarbeiten - eine spezielle Technik entwickelt worden, die jüngsten Untersuchungen zufolge, auch das Risiko von Mißbildungen fast gänzlich ausschließt. Nur 1,6 Prozent der „Feichtinger-Babies" hatten eine kleine Mißbildung (zum Beispiel eine Zehe zuviel), die aber gleich nach der Geburt behoben werden konnte und auch ohne „kosmetische" Folgen blieb.

Diese Technik, die sich der sogenannten „Mikroinjektion" bedient, wird bei Unfruchtbarkeit des Mannes angewendet und zeichnet sich besonders dadurch aus, daß sie ohne Einsatz chemischer Hilfen zur Anwendung kommt und daher äußerst schonend ist.

Die österreichweite Erfolgsquote von derzeit 25 bis 40 Prozent (bei 1.000 durchgeführten künstlichen Befruchtungen im Jahr) will das Institut für Sterilitätsbetreuung in den nächsten Jahren auf mögliche 100 Prozent erhöhen.

Sehr hilfreich ist dem engagierten Professor und seinem Team unser Krankenkassensystem dabei aber nicht, denn die Kassen zahlen für solche Eingriffe derzeit gar nichts. Da Therapien und Eingriffe jedoch sehr kostenintensiv sind, bedeuten sie für die Patienten zur Zeit noch eine nicht unbeträchtliche finanzielle Belastung.

Neben der rein medizinischen Betreuung und Versorgung werden die kinderwilligen Paare am Institut auch psychologisch betreut und begleitet.

„Denn", so Professor Feichtinger: „man soll den Betroffenen ja auch Hoffnung geben, denn der psychische Druck bei kinderlosen Paaren ist nicht unbeträchtlich und führt leider auch häufig zu Mißerfolgen in der Behandlung."

Einen Punkt sollten die „kinderwilligen" Paare jedoch keinesfalls außer acht lassen: Sind Ehe- oder Partnerprobleme bereits vorhanden, werden diese durch die Geburt eim:s Kindes sicher nicht aus der Welt geschafft. Haben die Probleme aber au >-schließlich ihren Ursprung im Fehlen eines Kindes, so löst sich der psychische Druck durch die Geburt eines Babys schlagartig auf.

Professor Feichtinger: „Allen gemeinsam ist das medizinische Problem der mangelnden Fortpflart-zungsfähigkeit. Paare, die lange, gut und glücklich miteinander verheiratet sind, wollen fast immer ein Kind. Wenn der Beruf oder die Karriere ih der Lebensplanung sehr im Vordergrund gestanden sind, dann passiert < s leider schon, daß Paare buchstäblic i ,in letzter Minute' zu uns kommen. Sie erkennen erst spät, daß ein Leben ohne Kinder für sie leer und sinnlos ist."

Späte Heirat, ein neuer Partner, Tc -desfall in der Kinderreihe, Scheidun y und „fremde" Kinder, denen man ei l eigenes, gemeinsames dazugeben möchte, sind einige der vielen Gründe, warum Menschen das Institut aufsuchen.

Professor Feichtinger: „Sehr religiöse Menschen haben mit der Frag i und Möglichkeit künstlicher Bej-fruchtung sicherlich Probleme. Sip haben zum Teil große Gewissenskonflikte, nicht zuletzt deshalb, weil eB von Kardinal Ratzinger zu diesem Thema eine vernichtende Stellungnahme gegeben hat. Papst und Vatikan sehen in der Methode der künstlichen Befruchtung eine Unvereinbarkeit mit der katholischen Religion. Es hat aber auch einige sehr fort1-schrittliche katholische Bischöfe ge^ geben, die sich sehr positiv zu diesem Problem geäußert haben. Ich erinnere mich auch an den Innsbrucker Jesuiten und Moraltheologen Rotterj, der unsere Tätigkeit positiv bewerte; und beurteilt hat. Ich selbst habe an unzähligen Diskussionsrunden im In und Ausland teilgenommen, kürzlich an einer diesbezüglichen Veranstaltung an der Katholischen Akademie in Freiburg."

Die Autorin ist

Publizistin in Wien. 1) Institutfür Sterilitätsbetreuung, 1130 Wien, Trauttmansdorffgase 3 A Tel. 877 15 30 Fax 817 77 75 54.

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