Vollmond Nacht - © Foto: iStock / Purple Seed Photography

Lichtverschmutzung: Die Nacht ist heilig

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Der Kampf gegen die Lichtverschmutzung ist ein wichtiger Beitrag zum Artenschutz. Warum die Dunkelheit als ökologische, kulturelle und spirituelle Nische strengsten Schutz verdient.

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Der Kampf gegen die Lichtverschmutzung ist ein wichtiger Beitrag zum Artenschutz. Warum die Dunkelheit als ökologische, kulturelle und spirituelle Nische strengsten Schutz verdient.

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Eine Kirche im schwedischen Mossebo: In der Nacht steigt ein einsamer Besucher die Stiegen hinauf. Er schlüpft durch eine kleine Tür am Dachboden, der Boden knirscht. Mottenflügel und trockene Kotkrümel deuten auf die Bewohner dieses Refugiums. Doch die Fledermäuse lassen sich hier nicht blicken. Man trifft sie erst draußen auf dem Friedhof. Kopfüber stürzen sie sich vom Dach hinab und steuern auf Hecken und Bäume zu, um Insekten zu jagen. Ihr Flug ist lautlos; und bald schon sind sie fort, als hätte die Nacht sie verschluckt.

Der Kirchenbesucher heißt Johan Eklöf; als promovierter Zoologe ist er auf Fledermäuse spezialisiert. Er lebt in Westschweden, arbeitet als Naturschützer und berät Behörden und Stadtplaner zu Fragen der Nachtökologie und naturfreundlichen Beleuchtung. Die oben erwähnte Szene eröffnet sein Buch „Das Verschwinden der Nacht“ (2022), das die Bedeutung der Dunkelheit für das Leben auf diesem Planeten erhellt.

Bei seinem nächtlichen Ausflug hat Eklöf die Taschenlampe auch über die bemalten Kirchenwände streifen lassen. Die biblischen Motive stammten aus dem 18. Jahrhundert, darunter ein Dämon mit Fledermausflügeln. In dieser religiösen Bilderwelt sind die Fledermäuse von Teufeln begleitet, denn sie gelten als Wesen der Finsternis. „Umso ironischer, dass ausgerechnet Kirchen so oft zu den bevorzugten Wohnplätzen der Fledermäuse wurden“, bemerkt Zoologe Eklöf.

Kirchen als Oasen

Das hatte gute Gründe: Kirchengebäude und ihre Umgebung waren Orte der Ruhe und des Rückzugs; sie trotzten jahrhundertelang den Veränderungen einer zunehmend schnelllebigen Welt. Daher waren sie auch wichtige Oasen für Tiere und Pflanzen. Besonders für die Fledermäuse, die seit 70 Millionen Jahren in der Nacht zu Hause sind. Jeden Sommer zogen sie in die Kirchtürme und Dachböden ein, um dort eine neue Generation von Langohren zur Welt zu bringen, erinnert sich der schwedische Zoologe. „Noch in den Achtzigerjahren hatten zwei Drittel der Kirchen in der Provinz Västergötland eine eigene Fledermauskolonie. Heute, 40 Jahre später, zeigen meine Forschungen und die meiner Kollegen, dass die Zahl um ein Drittel gesunken ist.“

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