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Magnetophon und Rundfunk

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Im Juli v. ., kurz bevor der Nationalrat auf Sommerurlaub ging, wurde noch eine Anzahl wichtiger Wirtschaftsgesetze beschlossen. Eines unter diesen war die seit langem erwartete Urheberrechtsgesetznovelle. Sie war wegen der im Jahre 1948 in Brüssel von den Vertretern aller Kulturländer beschlossenen Aenderung der Internationalen Berner Urheberrechtskonvention notwendig geworden. Oesterreich ist Mitglied dieser Konvention und hatte daher auch sein Urheberrechtsgesetz der geänderten Rechtslage anzupassen. Dies ist nun durch die erwähnte, im Juli v. J. im Parlament beratene Urheberrechtsgesetznovelle 1953 geschehen. Wie sich dem Mo- tivenbericht zu diesem Gesetzeswerk entnehmen läßt, hat der Nationalrat gleichzeitig das Justizministerium aufgefordert, ihm den Entwurf eines Bundesgesetzes vorzulegen, womit das Urheberrechtsgesetz neuerdings ergänzt werden soll. Daß dies nicht sofort durchgeführt wurde, hatte seine Gründe. Es handelt sich nämlich hierbei um die gesetzliche Regelung der von den Rundfunkunternehmungen mit ihren eigenen Mitteln und für ihre eigenen Sendungen vorgenommenen sogenannten „ephemeren vergänglichen Schallund Bildaufnahmen“ im Sinne der Artikel 11 der Berner Uebereinkunft zum Schutze von Werken der Literatur und Kunst, und zwar in der in Brüssel im Juli 1948 revidierten Fassung. Gerade die Regelung dieses Rechtsproblems machte große Schwierigkeiten.

Jedermann ist heute bekannt, was er unter einer Schallplatte zu verstehen hat. Hierbei handelt es sich — wie man juristisch richtig sagt — um einen „Schallträger", der für die Festhaltung und später wiederholte Wiedergabe von Werken der Tonkunst und Literatur geeignet ist und daher auch im Rundfunk weitgehende Verwendung gefunden hat.

Die rasche Entwicklung der Schallträgertechnik hat vor einigen Jahren das Magnetophon geschaffen, durch das der Rundfunkbetrieb auf eine ganz andere, modernere Grundlage gestellt wurde. Heute ist es keinem Rundfunkunternehmen mehr möglich, ohne Magnetophon zu arbeiten.

Die besondere Bedeutung des Magnetophonbandes liegt darin, daß es tonrichtig und ohne störende Nebengeräusche, wie dies leider bei Schallplatten noch immer manchmal der Fall ist, Musik und Vorträge wiedergibt. Das Magnetophonband weist im Gegensatz zur Schallplatte eine fast unbeschränkte Benützungsdauer auf. Es kann bespielt werden und in wenigen Minuten neuerlich, ohne Schaden der Substanz, gelöscht und für weitere unbeschränkt zahlreiche Aufnahmen wiederverwendet werden. Während bei den früher üblichen direkten Sendungen aus den Rundfunkstudios selbstverständlich immer die Gefahr eines Versprechens bei Vorträgen bestand, bei schwierigen Musikstücken Fehler der ausübenden Künstler zu schlechten Sendungen führen konnten, ist dies seit Erfindung des Magnetophons im Rundfunkbetrieb praktisch kaum mehr möglich, denn heute werden sowohl Vorträge als auch Musikdarbietungen fast durchwegs indirekt gesendet, das heißt, vorerst auf Magnetophonband aufgenommen, wobei allfällige Fehler durch Versprechen, Versagen eines Instrumentes, Fehler eines ausübenden Musikers sofort wieder gutgemacht werden können, indem entweder der ganze Teil der Aufnahme wiederholt oder der jeweilige Fehler durch Herausschneiden des betreffenden Teilstückes des Magnetophonbandes und Wiederzusammenkleben des Bandes beseitigt werden kann. Die nachher erst folgende „indirekte“ Sendung durch Abspielenlassen des Bandes ist dann eben schon fehlerfrei gemacht worden.

Für Autoren und ausübende Musiker ist die indirekte Sendung durch Magnetophonband eine Kontrolle ihrer Leistungen. Je mehr und je ausschließlicher ein Rundfunkbetrieb das Magnetophonband anwendet, desto besser werden diese Sendungen sein.

Für das Festhalten eines Werkes auf Schallträger, das heißt auf Schallplatte oder Magnetophonband, darf der Urheber ein angemessenes Entgelt begehren. Man nennt dieses Recht das „mechanische Urheberrecht“, das neben dem Aufführungsrechte zusätzlich in Frage kommt.

Zweifellos wurde das mechanische Urheberrecht, das auf Paragraph 15 des österreichischen Urheberrechtsgesetzes beruht, für diese Art von Festhalten urheberrechtlich geschützter Werke auf Tonbändern im Rahmen des Rundfunkbetriebes und nur für Zwecke des Rundfunkbetriebes nicht geschaffen, denn man hatte damals ja gar nicht an diese Möglichkeit denken können. Das Entgelt nach Paragraph 15 Urheberrechtsgesetz hatte vor allem das Festhalten eines Werkes auf Schallträgern Industrieschallplatten im Auge, deren Abspielung zumeist im privaten Kreise, also nicht in der Öeffent- lichkeit, erfolgte. Während sonst, wie auch im Rundfunk, für jede Wiedergabe eines urheberrechtlich geschützten Werkes ein Aufführungsentgelt fällig wird und zu bezahlen ist, war bei dem im privaten Kreise durchgeführten Abspielen von Schallplatte — weil ja auch eine Kontrolle nicht möglich war — für das zeitlich vorausgegangene Festhalten dieses Werkes auf einen Schallträger ein Entgelt zu bezahlen.

Anders ist es nun bei der Magnetophonschallaufnahme des Rundfunks. Das Abspielen eines solchen im Rundfunkbetrieb hergestellten Magnetophonbandes bringt selbstverständlich nach wie vor dem Urheber ein angemessenes Aufführungsentgelt ein, und das wird auch in Zukunft immer der Fall sein.

Immerhin besteht das Recht des Urhebers auf ein gesetzliches Entgelt nach Paragraph 15 des Urheberrechtsgesetzes auch für den Fall, als sein Werk nicht direkt aus dem Rundfunkstudio, sondern nur indirekt durch Abspielen eines Magnetophonbandes gesendet wird. Das hat praktisch zur Folge, daß der Urheber bei „indirekter“, das heißt also mit Hilfe von Schallträgern Magnetophonband bewirkter Rundfunksendung ein doppeltes oder doch höheres Entgelt bekommt, nämlich für die Aufführung des Werkes einerseits und dann noch für die vorangegangene Festhaltung des Werkes auf Schallträgern zum Zwecke der Aufführung anderseits.

Dieser rechtliche Zustand ist eigentlich nur mit Rücksicht auf die eben erwähnte historische Entwicklung der Schallträgertechnik verständlich. Denn heute istderUrheber daran interessiert, daß Rundfunksendungen seiner Werke nur „indirekt“, also mit Hilfe des Magnetophons, geschehen. Bieten doch so geartete Sendungen viel mehr Gewähr, daß sein Werk wirklich formvollendet wiedergegeben wird.

Daher ist es verständlich, daß die For-derung nach Zahlung eines gesonderten zusätzlichen Entgeltes durch die Rundfunkunternehmungen unterschiedslos für alle durch sie im eigenen Betrieb und für eigene Sendezwecke bewerkstelligten Aufnahmen auf Schallträger Magnetophonband vom rechtlichen wie moralischen, aber auch vom kaufmännischen Standpunkt eigentlich nicht begründet ist. Deshalb har es auch die internationale Berner Konvention den einzelnen Ländern freigestellt, durch besondere gesetzliche Bestimmungen festzulegen, unter welchen Umständen und unter welchen Beschränkungen für die Festhaltung von Werken der Tonkunst und Literatur durch Rundfunkunternehmungen mit ihren eigenen Mitteln und für ihre eigenen Sendezwecke kein zusätzliches Entgelt geleistet zu werden braucht. Voraussetzung hierbei ist allerdings, daß der jeweilige Schallträger nur binnen einer gewissen Frist meist ungefähr vier bis zwölf Wochen — während dieser Zeit allerdings beliebig oft abgespielt und dann zuverlässig gelöscht werden muß. Würde der Schallträger Magnetophonband hernach nicht gelöscht, sondern nach Ablauf der Frist zu weiteren Sendungen verwendet werden, dann erst müßte das in Paragraph 15 des Urheberrechtsgesetzes normierte angemessene Entgelt für die Genehmigung der Schallträgerher- stellung geleistet werden. Die Löschung einer solchen ephemeren vergänglichen Aufnahme, für die kein Entgelt gezahlt wurde, könnte nach Ablauf der gesetzlich festzulegenden Frist ausnahmsweise nur unte bleiben, wenn sie besonderen historischdokumentarischen Wert besitzt; wenn es sich also um Aufnahmen anläßlich historisch wichtiger und bedeutsamer Ereignisse des In- und Auslandes, sagen wir also zum Beispiel Krönungsfeierlichkeiten, Staatsbegräbnisse usw. handelt.

In zahlreichen Rundfunkländern Europas wie auch in Uebersee Wurden bereits Gesetze und Gesetzentwürfe geschaffen, welche den Begriff der ephemeren Sch all trägerauf nähme in einer für den Rundfunk des Landes befriedigenden Weise gelöst haben.

Auch die an der österreichischen Kunst und Kultur interessierten Kreise unseres Landes und vor allem der Rundfunk sehen mit zuversichtlicher Hoffnung der Entscheidung des Parlaments über die „ephemere vergängliche Schall- und Bildaufnahme" entgegen. Es ist zu hoffen, daß der österreichische Nationalrat die Bedeutung dieser Entscheidung für den nationalen Rundfunk und seine künftigen Entwicklungsmöglichkeiten richtig erkennt und darnach

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