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MEHR KONTRASTE!

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Die Bedeutung der Massenmedien ist ständig im Steigen begriffen. Presse, Rundfunk, Film und Fernsehen sorgen für die weitgehende Beeinflussung einer breiten Öffentlichkeit. Es ist unschwer zu erkennen, welche Verantwortung sich aus dieser Tatsache für die zuständigen Stellen und Institutionen ergibt. Eine entsprechende Kontrolle, Überwachung und Beherrschung der publizistischen Mittel wird daher zur absoluten Notwendigkeit.

Das Institut für Zeitungswissenschaft an der Universität Wien, seiner Funktion nach für Einschlägiges aus diesem Fachgebiet zuständig, zog daraus die Konsequenzen und begann mit einer wissenschaftlichen analytischen Durchleuchtung des jüngsten Massenmediums Fernsehen die Voraussetzungen für einen objektiven Maßstab zu schaffen, dort, wo man vorläufig noch mit subjektiven Deutungen und vagen Verbesserungsvorschlägen operiert. Unter der Leitung von Univ.-Doz. Dr. Kurt Paupie führte ein Arbeitsteam von sechs Studenten in der zweiten Npvemberhälfte vergangenen Jahres und im Februar 1967 diesbezügliche statistische Untersuchungen durch. Und begann damit zugleich ein auf diesem Gebiet in Österreich erstmalig durchgeführtes Exempel zu statuieren.

Das Arbeitsgebiet, welches im November abgesteckt wurde, umfaßte die Sendungen aktuellen Inhalts des ersten Programms. Eine anschließende Sonderuntersuchung beschränkte sich auf „Zeit im Bild“. Während die Arbeiten im Februar vor allem festzustellen hatten, inwieweit sich zwischen dem ersten und zweiten Programm (Technischen Versuchsprogramm) ein nötwendiger Kontrast ergebe.

Die Ergebnisse können folgendermaßen zusammengefaßt werden: Von der Gesamtsendezeit des untersuchten Zeitabschnittes im November entfielen 29,6 Prozent auf aktuelle Informationssendungen (das sind: „Zeit im Bild“,Kurznachrichten“, „Parlamentsberichte“ und eine Anzahl von Sendungen, die als „sonstige aktuelle Sendungen“ bezeichnet wurden). Da die Sendung „Zeit im Bild“ mit einem Anteil von 34,48 Prozent, also ungefähr einem Drittel der als 100 Prozent angenommenen Gesamtsendezeit der aktuellen Sendungen daran beteiligt ist, haben sich die statistikbegeisterten Nachwuchspublizisten in eine diesbezügliche Sonderuntersuchung gestürzt. Ergebnisse und daraus resultierende Änderungsvorschläge beziehen sich auf Struktur und Gestaltung des Programms: Danach bringt erstens die zweite Ausgabe von „Zeit im Bild“ inhaltlich fast völlig neue Nachrichten. Der von der ersten Sendung unbelastete Fernseher wird also nur zu ungefähr 50 Prozent informiert. Weshalb er (so folgern die Studenten) zu Beginn der zweiten Ausgabe durch gesprochene Headlines der ersten Ausgabe informiert werden solle. Zweitens fehle ein übersichtliches und klar gegliedertes Nachrichtenprogramm. Drittens solle ein Kulturmagazin gesendet werden, um diesem Stiefkind aktuellen Tagesgeschehens ein wenig auf die Beine zu helfen. Viertens sollen die technischen und finanziellen Voraussetzungen für die Beschaffung aktuellen Filmmaterials verbessert werden und zur Unterstützung des gesprochenen Wortes mehr Bildmaterial Verwendung finden. Und fünftens und letztens habe der Nachrichtensprecher durch eine etwas größere Beweglichkeit sowohl seine eigene innere Anteilnahme das Weltgeschehen betreffend kundzutun als auch das Publikum dahingehend zu interessieren.

Soweit die Untersuchungen hinsichtlich „Aktuelles“ am Fernsehschirm.

Was nun das Kontrastprogramm betrifft, lägen die Dinge ebenso im argen. Ein Kontrast wurde dabei entweder bei der Gegenüberstellung zweier Sendungen, die einem anderen Themenkreis angehörten (Spartenkontrast), oder aber in einem Niveauunterschied von mindestens zwei Stufen innerhalb der Unterhaltungssendungen (Qualitätskontrast) festgestellt.

Bei einmonatiger Untersuchung der gesamten Sendezeiten, welche zu diesem Zweck in die drei Gruppen „Informationen“, „Unterhaltung“ und „Bildung“ eingeteilt worden waren, ergab sich, daß das erste Programm mehr Informationen bietet als das Technische Versuchsprograimm, daß jedoch der Unterhaltungsstoff des letzteren wesentlich anspruchsvoller ist. Nur 36,4 Prozent der Gesamtsendezeit beider Programme standen in formalem Gegensatz. Gründe für entsprechende Änderungsvorschläge lieferten die Tatsachen, daß das Technische Versuchsprogramm zu 92 Prozent aus Fremdproduktionen besteht und das Erste Programm eine äußerst geringe Zahl von Livesendungen aufweist.

In einer anschließenden Pressekonferenz wurde die Theorie mit der Praxis konfrontiert. Fernsehdirektor Dr. Zilk, welcher diesen Untersuchungen durchaus positiv gegenüberstand, stellte sich den folgenden Wünschen und Forderungen der Seminaristen:

• Schaffung eines Kontrastprogramms, das dem Zuschauer eine echte Auswahlmöglichkeit bietet.

• Als Voraussetzung dafür die exakte Einhaltung der Sendezeiten.

• Einführung der international gebräuchlichen Sendelängen (zum Beispiel 45 Minuten, 30 Minuten).

• Nach Jahren des Stadiums eines „Technischen Versuchsprogramms“ Ausbau eines, zweiten Vollprogramms — noch vor Einführung eines weiteren „Versuchsprogramms“.

• Schaffung von Empfangsmöglichkeiten für jene 48 Prozent der Bevölkerung, die dazu bisher noch nicht in der Lage sind.

• Ausdehnung der Sendelängen in beiden Programmen. Die Grenzen dafür wären durch Seherfrequenzuntersuchungen zu bestimmen. Gleichfalls müßte eine Anpassung an die verschiedenen Sehergewohnheiten einzelner soziologischer Gruppen vorgenommen werden.

• Die Bildungsaufgabe des Fernsehens sollte besonders im zweiten Programm ihren Platz haben.

• Außer der Bildungsaufgabe sollte sich das zweite Programm vorwiegend auf ein anspruchsvolleres Publikum konzentrieren, das dem Fernsehen bisher noch skeptisch gegenübersteht.

• Bei der Erstellung sinnvoller Kontrastprogramme sollten vor allem Mehrheits- beziehungsweise Minderheitsinteressen gewahrt bleiben.

• Eine verantwortungsbewußte Programmplanung darf sich nicht allein auf Instinkt und Anspruch eines Massenpublikums verlassen.

Der Vorschlag der Studenten, neben dem ersten auch noch ein zweites Vollprogramm zu schaffen, wird wohl bis auf weiteres Zukunftsmusik bleiben. Hingegen können die Forderungen nach einer verantwortungsbewußten Programmplanung, die sich nicht alleine vom Instinkt der Massen beeinflussen lassen soll, sondern im Gegenteil diese zu lenken habe (uraltes Problem der Publizistik), nur begrüßt werden.

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