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Mikroskop und Mikroskopform

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Im Gegensatz zu anderen technischen Geräten, auch aus dem optischen Bereich, kann das Mikroskop auf eine jahrhundertelange Entwicklung zurückblicken. So alt wie das Mikroskop selbst ist aber auch das Bestreben seiner Hersteller, durch eine dem jeweiligen Zeitempfinden entsprechende Formgebung und zugleich durch sorgfältigste Ausführung der mechanischen Teile auf den hohen Wert ihrer Instrumente hinzuweisen.

Von dem ersten uns bekannten Mikroskop, das um 1590 von dem Middelburger Brillenmacher Zacharias Janszoon gebaut wurde, wird berichtet, daß es ein anderthalb Fuß langes und zwei Zoll dickes Rohr aus vergoldetem Messing besaß, das von drei aus dem gleichen Metall gefertigten Delphinen getragen wurde. Dieser Aufbau ruhte auf einem Fuß aus Ebenholz.

Einige noch erhaltene Mikroskope aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts geben Zeugnis vom handwerklichen Geschick und Kunstsinn ihrer Hersteller. Freilich besteht bei diesen Mikroskopen zwischen der Form, die wir auch heute noch wegen ihrer einfachen, strengen Linienführung bewundern, und der optischen Leistung ein Mißverhältnis. Die in diesen Geräten sichtbaren Bilder waren dunkel und durch die Abbildungsfehler der Optik unklar, ihre Vergrößerung hielt sich innerhalb bescheidener Grenzen. Auch im 18. Jahrhundert wurde weniger die optische Qualität als der mechanische Aufbau vervollkommnet. Dem Umstand, daß sich in diesem Zeitabschnitt weniger Wissenschafter als reiche Liebhaber dem Mikroskop widmeten, verdanken wir einige besonders prunkvoll ausgestattete Geräte, wie das im obigen Bild gezeigte von einem unbekannten Meister um 1750 gefertigte Stück (Original im Kunsthistorischen Museum).

1758 brachte Dollond die ersten achromatischen Linsensysteme für Fernrohre auf den Markt. Es sollte aber bis in die ersten Dezennien des 19. Jahrhunderts dauern, bevor es endlich gelang, achromatische Objektive in den erforderlichen Abmessungen zu erzeugen, und das Mikroskop schnell an Bedeutung gewann. Seine große Bewährungsprobe bestand es dann bei den Arbeiten von Pasteur, Koch und Behring: Seit den bahnbrechenden Entdeckungen dieser Männer sind mikroskopische Untersuchungen zum Allgemeingut der Wissenschaft geworden, und das Mikroskop wurde in den Augen der Menschheit zum Symbol für Forschung und Fortschritt überhaupt.

Im gleichen Zeitraum, als diese Entdeckungen auf dem Gebiet der Bakteriologie gemacht wurden, hat sich auch im Mikroskopbau ein einschneidender Wandel vollzogen: wurden bis ungefähr in die achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts die Optiken nur auf Grund von Erfahrungen und Erprobungen von Handwerksmeistern gefertigt, so begann man nun, die Dicken und Radien der einzelnen Linsen eines Objektives und die Abstände der Linsen zueinander auf wissenschaftlicher Basis zu berechnen. Damit war die Möglichkeit eir r industriellen Serienfertigung des Mikroskops gegeben.

Die Entwicklung industrieller Produkte war aber bekanntlich von verschiedenen Faktoren beeinflußt, so vor allem von den Wünschen der Kunden, neuen Fertigungsmöglichkeiten, neuen Werkstoffen und neuen Anwendungsgebieten. Zuerst brachte die Serienfertigung eine Vereinfachung der Mikroskopform mit sich, dann aber begann, den Wünschen und Anregungen der Mikroskopiker entsprechend, eine Entwicklung, die auch heute noch nicht als abgeschlossen zu betrachten ist: der Arzt, der Wissenschafter wollte seine Arbeiten schneller, leichter und bequemer durchführen. Bei der gesteigerten optischen Leistung der Instrumente war es zum Beispiel nicht mehr möglich, bei Durchmusterung von Präparaten diese von Hand aus auf dem Objekttisch zu bewegen. Es wurden daher Tische mit höchst präzisen mechanischen Objektführern gebaut, die nun eine systematische Durchmusterung der Objekte erlaubten. Die Grob- und Feineinstellbewegungen, durch die das Objektiv in den richtigen Abstand zum Präparat gebracht wird, wurden immer weiter verbessert, neue Fertigungsmethoden erlaubten es, an Stelle der bislang üblichen Messingteile solche aus Eisen oder Leichtmetall zu verwenden, die dann mit einer überaus widerstandsfähigen Lackschicht versehen wurden. Die blanken Metallteile bekamen einen Überzug aus Nickel oder Chrom. So formte sich langsam das Bild des Mikroskops, wie es im Zeitraum zwischen den beiden großen Kriegen gebaut und verwendet wurde — eines technisch hochentwickelten Gerätes, bei dessen Konstruktion nur sachliche, die Leistungsfähigkeit betreffende Momente maßgebend waren.

Diese Entwicklung war auch durch den geänderten Verwendungszweck des Mikroskops bedingt. Hatte es früher seinen Platz nur ih den Studierstuben der Gelehrten, so wurde e% nun in allen medizinischen Laboratorien und den Forschungszentren der Wissenschaft in immer stärkerem Maße verwendet. Darüber hinaus aber bemächtigten sich auch andere Disziplinen des Mikroskops. In dem Augenblick, als sich die Industrie vor die Aufgabe gestellt sah, ihre Fertigung zu rationalisieren, gewannen wissenschaftliche Prüf- und Kontrollmethoden und damit mikroskopische Untersuchungen immer mehr an Bedeutung.

Das Bestreben der Mikroskophersteller geht nun in neuester Zeit dahin, neben der rein technischen Weiterentwicklung zur Anpassung an die neuen Verwendungszwecke, auch Änderungen vorzunehmen, die den Gebrauch der Instrumente noch weiter erleichtern. Mehr Arbeitskomfort ist der Leitsatz, unter dem eine Umgestaltung des Mikroskops begonnen wurde, deren Ziel es war, einen durch die immer häufigere Verwendung notwendig gewordenen rationelleren Einsatz der Instrumente zu ermöglichen.

Es würde zu weit führen, alle Maßnahmen, die zur Schaffung einer gebrauchsgerechten Form des Mikroskops ergriffen wurden, hier anzugeben. Beispielsweise sei nur erwähnt, daß man daranging, Mikroskop und Mikroskoplampe zu einer stets arbeitsbereiten Einheit zusammenzuziehen, daß man sich bemühte, alle Betätigungsorgane bedienungstechnisch günstig anzuordnen und daß durch Einführung von Schnellwechselvorrichtungen für Objekttische, Einblicktuben, Objektivrevolver, Kondensoren usw. der Arbeitsaufwand beim Umbau des Mikroskops zu Spezialuntersuchungen auf ein Minimum reduziert wurde. Auch die serienmäßige Ausstattung von Instrumenten der höheren Preisklasse mit binokularen Einblicktuben entspricht der Tendenz, die Arbeit am Mikroskop zu erleichtern.

Diese Einstellung auf das Funktionelle brachte die neue Form des Mikroskops, die in ihrer ungekünstelten, klaren Linienführung, in ihrer Einfachheit dem heutigen Stilempfinden voll und ganz entspricht.

Das in der Abbildung daneben gezeigte moderne Forschungsmikroskop ist geradezu ein Beispiel für eine sinnvolle Verbindung höchster technischer Leistungsfähigkeit und guter Form, es ist ein technisches Gerät, das nicht nur hohe Qualität besitzt — sondern dem man auch seine hohe Qualität ansieht.

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