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Mit dem Heißluftballon auf Teilchenjagd

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Daß alle Materie aus unsichtbar kleinen Teilchen aufgebaut ist, vermuteten schon im fünften Jahrhundert vor Christus der griechische Philosoph Leukipp und sein Schüler Demokrit. Sie nannten diese Teilchen atomos, was soviel wie „unteilbar” bedeutet. Im vorigen Jahrhundert waren die Chemiker die ersten Wissenschaftler, die geschlossen von der Existenz von Atomen ausgingen, die sie sich als eine Art fester Kü-gelchen vorstellten. Das noch heute gültige Periodensystem der Elemente, mit dem der russische Chemiker Dimitri Mendelejew die damals bekannten Atome klassifizierte, beruhte auf dieser Annahme.

Kaum begann sich um die Jahrhundertwende die Vorstellung von Atomen als unteilbaren Bausteinen der Materie auch unter den Physikern durchzusetzen, wurde sie gleich wieder erschüttert: Vor genau 100 Jahren entdeckte der britische Physiker Joseph John Thomson elektrisch geladene Teilchen, die rund 2.000mal leichter sind als das leichteste Atom (das Wasserstoffatom): die Elektronen. Der Neuseeländer Er-nest Butherford bewies 1902, daß bei radioaktivem Zerfall die Atome schwerer Elemente wie Uran oder Radium in leichtere zerfallen und dabei Bruchstücke aus ihren Inneren herausschleudern.

1911 beschrieb Rutherford erstmals den inneren _

Aufbau von Atomen: Atome bestehen aus einem positiv geladenen Kern, um den in relativ großer Entfernung Elektronen kreisen. Der Kern nimmt weniger als ein Tausendmillionstelmillionstel (1015) des Atomvolumens in Anspruch, enthält jedoch fast die gesamte Masse des Atoms. 1919 entdeckte er die (positiv geladenen) Protonen als Rausteine des Kerns und sprach ein Jahr später die Vermutung aus, daß es auch elektrisch neutrale Teilchen im Kern geben müsse, die er Neutronen nannte. Diese wurden schließlich 1932 entdeckt. Rutherford fand auch heraus, daß Mendelejews Periodensystem die Atome nach der steigenden Anzahl der Protonen ordnet.

Der dänische Physiker Niels Bohr verfeinerte Rutherfords Atommodell: Die Elektronen bilden um den Kern herum eine Art Wolke. Sie halten sich in verschieden hohen Umlaufbahnen um den Atomkern herum auf. Die chemischen und physikalischen Eigenschaften eines Atoms werden davon bestimmt, inwieweit diese Umlaufbahnen mit Elektronen aufgefüllt sind. Allerdings sind diese Rahnen alles andere als exakt, die Physiker sprechen daher von „Schalen”, in denen die Elektronen „verschmiert” sind. Diese prinzipielle Unkenntnis über den genauen Verbleib des Elektrons fand in der 1927 von Werner Heisenberg aufgestellten Unschärferelation ihren Ausdruck: Ort und Impuls (Masse mal Geschwindigkeit) eines Teilchens können nicht zugleich exakt bestimmt werden.

Wie man heute weiß, ist die äußere Erdatmosphäre einem ständigen 1 eilchenbeschuß aus dem All ausgesetzt. Diese Strahlung erzeugt einen Schauer zahlreicher subatomarer Teilchen. Die Existenz dieser kosmischen Strahlung entdeckte der Österreicher Viktor Hess in den Jahren 1911 und 1912 bei riskanten Ballon-flügen. Bis 1950 wurde in der kosmischen Strahlung und auch in den Vorläufern der heutigen Teilchenbeschleuniger ein wahrer Teilchenzoo entdeckt: Unbekannte, nicht in die gängigen physikalischen Theorien passende Teilchen (Pion, Müon, Kaon) rasten durch die immer genaueren Meßgeräte der Physiker. Andere Teilchen wurden vor ihrer Entdeckung von der Theorie vorausgesagt; zum Beispiel das 1932 entdeckte Positron, das vier Jahre zuvor von Paul Dirac prophezeit worden war.

Anfang der sechziger Jahre häuften sich die Hinweise, daß Protonen und Neutronen womöglich nicht fundamentale Bausteine der Materie sind. Der Amerikaner Murray Gell-Mann postulierte 1964 die Quarks, zunächst drei an der Zahl - das Wort hatte er aus „Finnegans Wake” von James Joyce entlehnt. Quarks treten immer nur paarweise oder zu dritt auf. Das Proton besteht aus zwei Up-Quarks und einem Down-Quark, das Neutron aus zwei Down-Quarks und einem Up-Quark. Der erste hieb- und stichfeste Beweis für die Existenz der drei ersten Quarks gelang Ende der sechziger Jahre. Drei weitere Quarks wurden 1974, 1977 und 1994 experimentell nachgewiesen.

Am Ende dieser gerade 100 Jahre dauernden Entwicklung steht das Standardmodell (siehe Seite 14), eine klare, symmetrische Einteilung der Elementarteilchen in Quarks, Leptonen und Eichbosonen. Ob sich dahinter ein noch allgemeineres Muster -Supersymmetrie oder Superstrings (siehe Artikel oben) - verbergen, damit beschäftigt sich die Teilchenphysik der Gegenwart.

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