"Mut, eine Fehlerkultur zu akzeptieren“

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Alexander Van der Bellen über wissenschaftspolitische Befürchtungen, die viel diskutierte Liaison von Wissenschaft und Wirtschaft und die Suche nach neuen Finanzierungsquellen für die Forschung.

Das Gespräch führte Martin Tauss

Als Beauftragter der Stadt Wien für Universitäten und Forschung nimmt Alexander Van der Bellen, ehemals Parteichef der Grünen, heute eine Brückenfunktion zwischen Wissenschaft und Politik wahr. Die FURCHE traf ihn zum Gespräch.

Die Furche: Sigrid Maurer, Wissenschaftssprecherin der Grünen, sah durch die Zusammenlegung des Wissenschafts- und Wirtschaftsministeriums die "Unabhängigkeit von Wissenschaft und Forschung“ gefährdet. Haben Sie da ähnliche Bedenken?

Alexander Van der Bellen: Also zunächst war ich entsetzt über die symbolische Wirkung: Man gründet ein kompetenzloses Familienministerium und schafft mit dem Wissenschaftsministerium ein wichtiges Ressort gleichsam ab, indem man es in das Wirtschaftsministerium integriert. Der symbolische Effekt aber könnte korrigiert werden durch finanzielle Maßnahmen zugunsten der Universitäten. Hier war meine Hoffnung, dass der von mir geschätzte Reinhold Mitterlehner in einer politisch viel besser abgesicherten Position ist als Karlheinz Töchterle, der sich immer nur am Rande der ÖVP bewegt hat, und sich daher gegenüber dem Finanzminister besser durchsetzen kann. Allerdings stimmen mich bisherige Berichte nicht sehr optimistisch. Wenn die Mittel tatsächlich weiter gekürzt werden - als Größenordnung hört man um die 40 Millionen Euro -, würde der Eindruck bestätigt, dass diese Regierung die Universitäten und die Forschung nicht wirklich ernst nimmt.

Die Furche: Davon wäre dann wohl vor allem die Grundlagenforschung betroffen?

Van der Bellen: Natürlich hat man den Verdacht, dass die angewandte Forschung so wie bisher bevorzugt wird, wenn Wissenschaft und Wirtschaft in einem Ressort vereint sind. Ist der Bundesregierung bewusst, dass Universitäten in erster Linie Grundlagenforschung betreiben? Anton Zeilinger hat den Stellenwert der Grundlagenforschung unlängst schön auf den Punkt gebracht: Wenn man nur angewandte Forschung betreibt und die Grundlagenforschung vernachläs-sigt, dann hätten wir heute eine wahnsinnig tolle Auswahl an Kerzen, aber immer noch keinen elektrischen Strom.

Die Furche: Gegenüber privat geförderter Forschung gibt es oft Berührungsängste. Wie stehen Sie dazu?

Van der Bellen: Ich finde da ist nichts dagegen einzuwenden, solange die Sponsoren weder das Lehr- noch das Forschungsprogramm beeinflussen - und solange Universitätsprofessoren nicht wie Niki Lauda ein spezielles "Kapperl“ aufsetzen müssen (lacht). Angesichts der Ausgangssituation in Österreich, wo private Finanzierungsquellen bislang fast ungenützt bleiben, sollte man sich entsprechende Optionen mit viel Interesse anschauen - ohne sich Illusionen darüber zu machen, dass hier die Milliarden auf der Straße liegen werden.

Die Furche: Wo gibt es Ansatzpunkte für neue Finanzierungsquellen?

Van der Bellen: Wenn man etwa den Betrag, den deutsche Stiftungen für Unis und Forschung jährlich ausgeben, auf Österreich umlegt, käme man auf zusätzlich rund 200 Millionen Euro pro Jahr. Damit könnte man das derzeitige FWF-Budget verdoppeln. Aber man sollte sich nicht nur dem Bereich der Stiftungen widmen; auch private Mäzene sollten viel stärker als bisher für wissenschaftliche Sponsor-Tätigkeiten begeistert werden. Ich glaube viele vermögende Personen wären dazu bereit.

Die Furche: Was wären aus Ihrer Sicht gute Rahmenbedingungen für Innovationen?

Van der Bellen: Die wirklich großen Innovationen entstehen meist durch zweckfreie Forschung, wo das Risiko sehr hoch ist, dass gar nichts dabei herauskommt. Da sollte man eben den Mut haben, diese Fehlerkultur zu akzeptieren und nicht dauernd auf kurzfristige Erfolge zu spekulieren. Auch in der Ausbildung fokussiert man heute zu sehr auf die kurzfristige Beschäftigungsfähigkeit, die "Employability“ von Studenten, aber zuwenig darauf, dass wir für wirkliche Innovation kreative und offene Menschen brauchen, die nicht nur in bestimmten Fertigkeiten gedrillt sind.

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