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Die Automobilausstellung, die im Rahmen der Wiener Frühjahrsmesse stattfand, war trotz des ausgesprochen ungünstigen Wetters, das heuer über die ganze Dauer dieser prominenten Veranstaltung der Wirtschaft herrschte, gut besucht. Das Interesse an dieser alle zwei Jahre stattfindenden Fahrzeugschau, die vom Moped bis zum Achttonnen-Lkw. alles brachte, was in Oesterreich erzeugt wird oder zu bekommen ist, war nach v/ie vor sehr groß.

Die Zubehörindustrie, die ebenfalls ausstellte, hatte überraschenderweise diesmal nichts Besonderes zu bieten. Man ist sonst von ihr gewöhnt, daß sie zu solchen Anlässen Neuerungen auf den Markt bringt. Vor allen Dingen waren es bisher vielfach kleine Unternehmungen, die die Automobilausstellung nützten, um gute Ideen vorzuführen. Heuer jedoch sah man eigentlich nichts besonders Aufregendes. Das heißt nun nicht, daß die Zubehörindustrie nicht interessante Artikel zur Ausstellung gebracht hätte, sondern nur, daß es an sich nichts Neues war, das man zu sehen bekam.

Das dem Kraftfahrer heute zur Verfügung stehende Zubehör ist ungemein reichhaltig und bietet wirklich alles, was nur gut und wünschenswert ist. Daß eine Menge Kitschgegenstände natürlich ebenfalls als Autozubehör feilgeboten werden, liegt in der Natur der Sache Es ist jedoch so lange nichts Entscheidendes gegen sie einzuwenden, als sie die Verkehrssicherheit nicht beeinträchtigen. Leider gibt es auf diesem Sektor aber auch solches Zubehör, das als ausgesprochen gefährlich bezeichnet werden muß. Wir denken hierbei zum Beispiel an die an den Scheinwerfern aufgesetzten Abblendsdiirme, die das Fahrzeug weder schöner machen noch den aus den Scheinwerfern nach oben austretenden Lichtvorhang, der bei Nebel und Schneegestöber stört, verhindern. Dazu müßten sie, wie wir uns im Lichtversuchskanal der Firma Bosch in Stuttgart selbst überzeugen konnten, nicht, wie man sie heute im Zubehörhandel findet, 5 cm, sondern 30 bis 40 cm lang sein. Ihre Gefährlichkeit ist gegeben durch den Umstand, daß bei kleinen Karambolagen mit ungeschützten Fußgängern, Rad- oder Motorradfahrern durch die messerscharfen Kanten schwere Fleischverletzungen entstehen können. Also kein praktischer Wert, jedoch zusätzliche Gefährdung, und dies gilt auch für einige im Zubehörhandel erhältliche Kühlerfiguren, die durch ihre langen Spitzen wie Lanzen wirken müssen.Praktisch sind dagegen Jalousien, die an Heckfenstern angebracht werden; sie ermöglichen das Abschirmen von einfallendem Sonnenlicht, aber auch von blendendem Scheinwerferlicht eines nachfahrenden Fahrzeuges. Außerdem wurden die verschiedensten chemischen Präparate ausgestellt. So etwa solche, die es ermöglichen, schweißende Kühler und Kühlwasser-Zuleitungen zu dichten, ohne daß ein Ausbau erforderlich ist, oder Präparate, die die Maschine selbsttätig entrußen, ohne daß sie geöffnet zu werden braucht, ebenso wie alle Spezialpolier-und Putzmittel.

Obwohl also vor allem Bekanntes geboten wurde, war das Gezeigte durch die Möglichkeit, es in geschlossener Form zu sehen und zu überblicken, dennoch beachtenswert. Wir sind der Meinung, daß auch diese Schau vielen Kraftfahrern eine Reihe für ihn vorteilhafter Eindrücke und Erkenntnisse vermittelt hat.

Eine interessante Feststellung, die wir anläßlich der Autoinobilausstellung machen konnten, war die, daß der Kleinstwagen in Oesterreich auf die Dauer nicht jene Anerkennung gefunden hat, die man ihm noch vor einigen Jahren einzuräumen gewillt war und die ihm auch heute noch in Deutschland entgegengebracht wird; denn anläßlich der vorjährigen Automobilaus-sVlime in Frankfurt konnten wir uns davon überzeugen, daß eine ganze Reihe von Neukonstruktionen auf dem Kleinstwagensektor von durchaus ernst zu nehmenden Großfirmen in

Prototypen ausgestellt wurde und Beachtung finden konnte. In Oesterreich haben hingegen, wenn man auf Grund der Messe urteilen will, nur das G'.ggomobil und die BMW-Isetta Fuß fassen könntn, denn sie waren die einzigen Kleinstwagen, die im Rahmen dieser Schau ausgestellt wurden. Das Interesse des Publikums an diesen beiden Kleinstwagen ist aber auch tatsächlich rege, denn neben ihnen treten auch im Straßenbild etwa der Messerschmitt-Kabinenroller, das Fuldamobil, der Kleinschnittger usw. seit einiger Zeit immer mehr zurück. Ebenso wie das Motorrad allmählich zugunsten des Kleinwagens zurücktrat, verliert heute der Kleinstwagen zugunsten des Kleinwagens an Bedeutung. Wirkliches Käufer- und Publikumsinteresse finden heute die Kleinwagen, wie etwa der 2 CV Citroen, Steyr-Fiat 600, Lloyd usw., die Kleinwagen der größeren Gruppe, nämlich Fahrzeuge mit 800-ccm-Maschinen, die bereits als vollwertige Automobile angesprochen werden müssen und alles beinhalten, was man von einem Automobil erwartet. Zu diesen Fahrzeugen gehören der Austin, Morris, Standard Eight, der Renault 4 CV usw. Noch eine Fahrzeugkategorie aber fand starke Beachtung: der kleinere Mittelklassewagen, zu denen in erster Linie der VW zu rechnen ist, ebenso Ford Anglia, Steyr-Fiat 1100, Skoda, Goliath, DKW und nicht zuletzt natürlich einer der gefragtesten Wagen außer dem VW, der Opel Olympia bzw. Rekord. Diese drei Fahrzeugkategorien sind die eigentlichen Träger der österreichischen Motorisierung. Sie bieten eine Reihe von großen Vorteilen, und zwar tragbare Anschaffungskosten, relativ billige Erhaltungskosten, beachtlichen Fahrkomfort für den jeweiligen Preis, und nicht zuletzt Abmessungen, die trotz des gesteigerten Verkehrs, namentlich in den .Städten, die Möglichkeit eines raschen Vorwärtskommens bieten und relativ kleine Parkplätze benötigen. Sie waren anläßlich der Automobilausstellung in entsprechender Zahl ausgestellt und wurden vom Publikum intensiv beachtet. ,

Ein Kraftfahrzeuggebiet, auf dem Oesterreich wirklich international anerkannt ist, stellt der Nutzkraftwagenbau dar. Selbstverständlich stellten sämtliche österreichische Fahrzeugfirmen ihr Programm aus, und zwar waren Steyr, Graf & Stift, Saurer, Perl-Auhof sowie Austro-Fiat vertreten. Auffallend ist die Tendenz, daß im Omnibusbau allmählich die von der Firma Perl bereits vor Jahren propagierte Art des selbsttragenden Omnibusses heute eine der Standardkonstruktionen überhaupt ist. Nachdem diese Firma hier Pionierarbeit geleistet hat,wollen wir uns, abgesehen davon, daß sie eine ausschließlich auf Omnibusse spezialisierte Firma darstellt, für diesen gerade im Reiseland Oesterreich so wichtigen Zweig der Kraftfahrt ihrer Erzeugnisse als Demonstrationsmittel bedienen.

Diese Omnibusse sind durch ihre selbsttragende Bauweise zu einer homogenen, speziell der Personenbeförderung dienenden Fahrzeugkategorie geworden, die nicht, wie man dies noch vor einigen Jahren als gang und gäbe betrachtete, aus einem Lkw.-Fahrgestell und einem der Personenbeförderung dienenden Aufbau zusammensetzte, was niemals so recht befriedigen konnte. Der selbsttragende Bus ist in seiner Grundkonzeption abgestimmt auf den Transport von Personen und stellt demnach in seinen Fahreigenschaften, seiner Federung, seinem Komfort usw. einen Pkw. dar, der allerdings für die Aufnahme von 30, 40 und mehr Personen bestimmt ist. Selbstverständlich treten bei der Schaffung eines solchen Fahrzeuges an den Hersteller eine ganze Reihe von Problemen heran, die aber zum Beispiel bei den Perl-Erzeugnissen heute gelöst sind.

Eines dieser Probleme ist die Unterbringung des Reisegepäcks, denn jeder der 30 bis 50 Reisenden möchte eine entsprechende Menge Gepäck mitführen, und dies gerade dann, wenn es sich um eine größere Reise handelt. Sie müssen im, auf dem oder hinter dem Fahrzeug mitgeführt werden. Der Transport des Gepäcks auf einem Dachgepäcksträger ist wohl eine Lösung, jedoch durchaus keine schöne, vor allem aber keine praktische, denn auch wenn das Reisegepäck mit Piachen zugedeckt wird, um es etwa vor Regen zu schützen, so ist es doch immer noch dem Staub ausgesetzt. Außerdem bringt die Anordnung des Gepäcks auf dem Dach eine ungünstige Verschiebung des Fahrzeugschwerpunktes nach oben mit sich, was eine Verschlechterung der Kurvenfestigkeit und der Straßenlage überhaupt zur Folge hat. Perl löste das Problem so, daß man unter dem Fahrgastraum große, durchgehende Gepäcksräume angeordnet hat, in denen nunmehr das Gepäck witterungs- und staubgeschützt untergebracht werden kann. Außerdem aber findet dadurch eher eine Verschiebung des Schwerpunktes nach unten als nach oben statt, wodurch die Fahreigenschaften des ganzen Fahrzeuges sogar verbessert werden können.

Die von dieser Firma gezeigten Omnibusse sind durchwegs Frontlenker mit Heckmotor. Der Vorteil dieser Anordnung ist größtmöglicher Innenraum bei kleinsten Außenabmessungen. Außerdem wird durch Wegfall langer Ueber-tragungsteile Gewicht gespart, wie bei diesen Erzeugnissen überhaupt Wert darauf gelegt wird, das Gewicht des Fahrzeuges möglichst gering zu halten, was vor allem durch die selbsttragende Bauweise bewerkstelligt wurde. Gute Abschalung des Motors gegen den Fahrgastraum sorgt in diesem für größtmögliche Geräuschfreiheit. Für den Besitzer eines solchen Omnibusses ist dessen Wartungsmöglichkeit, namentlich die der Maschine, außerordentlich wichtig. Der Motor der von Perl ausgestellten, heckgetriebenen Omnibusse ist deshalb von allen Seiten leicht zugänglich, und es können sämtliche Pflegearbeiten unbehindert durchgeführt werden Die ausgestellten Perl-Reiseomnibusse sind sicherlich das modernste, das es auf diesem Gebiet gibt und diese Firma besitzt deshalb internationalen Ruf.

Dies soll jedoch keineswegs heißen, daß die anderen ausgestellten österreichischen Omnibusse, wie Saurer. Graf & Stift, Steyr und des?en Lkw.-Programm deshalb nicht ebenso gut sind. Diese Fahrzeuge sind vielmehr auf der ganzen Welt bekannt und geschätzt.

Eine interessante Novität der Internationalen Automobil- und Zweiradausstellung war auf dem Sektor der Nutzkraftwagen-Karosserie die von Ing. Schreiner 4t Blaha erzeugten Aufbauten des Systems Duplirex. Diese Spezialkarosserie wird auf Lkw.-Fahrgestelle aufgebaut. Dieses in der ganzen Welt durch Patente geschützte System ermöglicht mittels einer Handkurbel oder eines Elektromotors binnen ein bis zwei Minuten, die Fahrzeugbreite von der gesetzlich vorgeschriebenen, das sind 2,50 m, auf eine Breite bis zu 7 m zu erweitern. Auf diese Weise ergeben sich innerhalb des Fahrzeuges Raumverhältnisse, die geeignet erscheinen, fahrende Ausstellungen, Kinos, aber auch Reparaturwerkstätten, Espressos, Postämter usw. einzurichten. Dieses Duplirex-System ist. wie wir erfahren konnten, seit Jahren erprobt und ermöglicht lange Lebensdauer bei müheloser Wartung und Bedienung,sowie — und das erscheint besonders wichtig —, rasche Instandsetzung bei Unfällen. Die ausfahrbaren, schubladenartigen Seitenteile sind mit dem Mittelstück derart abgedichtet, daß sie in kalten Gebieten ebenso wie in tropischen durch eine entsprechende Klimaanlage mit angenehmer Temperatur versehen werden können. Diese aufgebauten Karosserien, die entweder auf dem Zugwagen oder an einem Anhänger oder über beide Fahrzeuge möglich sind, stellen etwas völlig Neues dar und sie wurden von den Besuchern der Messe ständig umlagert, die der Verwandlung vom normalen Fahrzeug zur AusstelluugS“ halle immer wieder erstaunt zusahen.

Nach den Aussagen vieler Aussteller hat sich die diesjährige Kraftfahrzeugschau insofern gelohnt, als es viele Interessenten gab. die, ganz abgesehen von den Sofortkäufern, nach einiger Zeit und Ueberlegung ihren Kauf tätigen werden. Nicht nur zu verkaufen, sondern auch anzuregen, ist ja der Sinn solcher Ausstellungen, und dies dürfte allem Anschein nach voll gelungen sein.

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