Nationalpark Kalkalpen Gebirge - © Foto: Erich Mayrhofer

Nationalparks: Die stillen Refugien

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Nationalparks sind keine isolierten Inseln, sondern stehen in intensivem Austausch mit ihrem Umland. Experten fordern mehr Schutzgebiete – und ökologisch verträgliche Pufferzonen.

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Nationalparks sind keine isolierten Inseln, sondern stehen in intensivem Austausch mit ihrem Umland. Experten fordern mehr Schutzgebiete – und ökologisch verträgliche Pufferzonen.

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Wer sich auf einen Ausflug in einen österreichischen Nationalpark begibt, stößt auf wildromantische Motive. Das Totholz im Wald oder Wasser wirkt malerisch morbid. Doch eigentlich strotzen die umgefallenen Baumstämme vor Leben. Sie bieten Nistplätze, Futterquellen und Rückzugsorte für zahlreiche Kleintiere – und sorgen unter anderem dafür, dass sich hier eine besondere Artenvielfalt entwickeln kann.

Von den Gletschern der Alpen über freie Flüsse bis hin zum Steppensee in der pannonischen Tiefebene: Sechs Nationalparks schützen die letzten heimischen Naturlandschaften. Sie sind „Hotspots“ der Biodiversität und somit Bollwerke gegen das Artensterben. Mehr als 70 Prozent der wichtigsten Artengruppen in Österreich sind dort vertreten, wie heuer eine Studie der Universität Wien und des Umweltbundesamts ergab.

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Der Nationalpark Thayatal bleibt bislang auch bei starker Trockenheit grün: Die natürliche Mischung schafft Resilienz (Christian Übl).

Für Christian Übl war das doch ein „erstaunliches Ergebnis“: Denn „die Nationalparks decken bundesweit nur drei Prozent der Fläche ab, und sie bestehen zum Teil aus kargen Gebirgslandschaften“, sagt der Direktor des Nationalparks Thayatal im Gespräch mit der FURCHE. Bei einem vom Dachverband „Nationalparks Austria“ ausgerichteten Symposium, das von 7. bis 9. September am Campus der Uni Wien stattfand, wurde der aktuelle Stand der Forschung in Naturschutzgebieten präsentiert. „Diese Forschung gehört zu den Kernaufgaben von Nationalparks, denn das Wissen über bedrohte Arten, ihre Lebensräume und die Entwicklung der Natur ist die Voraussetzung für effektive Schutzmaßnahmen“, betont Übl, zugleich Obmann des Dachverbands.

Das Verschwinden der Löffelente

Dass es mehr Schutzgebiete braucht, ist für Thomas Wrbka, Biodiversitätsforscher an der Uni Wien, ganz „eindeutig“: „Um den Artenverlust aufzuhalten, müssten laut Studienlage 30 Prozent der Landflächen geschützt sein. Der ‚Vater der Biodiversität‘, der amerikanische Biologe Edward O. Wilson, hat sogar weltweit 50 Prozent Schutzflächen gefordert.“ Für viele gefährdete und seltene Arten zählen die Nationalparks zu den letzten Rückzugs­orten des Landes. Doch um bedrohte Fische, Vögel oder Amphibien zu erhalten, reichen inselartige Schutzgebiete nicht aus. Denn diese stehen in vielfältigem Austausch mit ihrem Umland. Artenschutz funktioniert nur, wenn auch die großräumigen Kulturlandschaften dazwischen so gestaltet sind, dass Tiere und Pflanzen dort ökologisch verträgliche Lebensräume vorfinden. Bereits E. O. Wilson hat sich gegen die Vorstellung ausgesprochen, dass der Schutz einiger Gebiete ausreiche, um das komplexe Netzwerk von wechselseitig abhängigen Arten zu erhalten.

Aber gerade im Umland der Nationalparks gibt es teils „massive Probleme“, wie Thomas Wrbka berichtet: „Im Seewinkel ist derzeit ein Lackensterben zu beobachten, bedingt durch die Absenkung des Grundwassers. Das hängt mit der intensiven Landnutzung rund um den Nationalpark Neusiedlersee zusammen.“ Soda­lacken sind auf den Wasserhaushalt und den Salztransport aus dem Boden angewiesen. Reißt diese Verbindung durch die Absenkung des Grundwassers ab, süßt die Lacke aus – und droht zu verschwinden. Mehrere Faktoren sind an dieser „Verlandung“ beteiligt: die über Jahrzehnte errichteten Entwässerungsgräben; die Erweiterung des Siedlungsraums samt Ortskanalisation; sowie die Bewässerung von landwirtschaftlichen Kulturen, die mit den Niederschlagsverhältnissen im Seewinkel nicht kompatibel sind.

Die Soda­lacken spielen für die Vogelvielfalt in der Region eine wichtige Rolle, da sie geeignete Rast- und Brutplätze bieten. In den letzten 150 Jahren sind sowohl die Fläche als auch die Zahl der Sodalacken dramatisch gesunken. Im Vergleich zum Jahr 1858 sind heute nur mehr 18 Prozent der Lackenfläche vorhanden. Eine der Folgen: Die Löffelente, einst die häufigste Entenart unter den Brutvögeln, ist im Seewinkel verschwunden. Nur ein Beispiel einer generellen Entwicklung: In der österreichischen Kulturlandschaft sind laut „Birdlife“ in nur 20 Jahren rund 40 Prozent der Brutvögel verlorengegangen.

„Man sollte den Managern der Naturschutzgebiete mehr Möglichkeiten geben, negative Auswirkungen der umliegenden Landnutzung abzuwehren“, fordert Wrbka – zum Beispiel auch den Einsatz von Pestiziden, die sich dann im Naturschutzgebiet verteilen. Oder, ähnlich wie beim Nitrat im Trinkwasser, gesetzliche Maßnahmen setzen: Wenn das Grundwasser unter einem gewissen Niveau sei, dürfe nicht mehr abgepumpt werden. „Wir brauchen Pufferzonen rund um die Schutzflächen, um eine Überbewirtschaftung des Umlands zu verhindern“, so der Wiener Forscher. „Viele Agrarförderungen zielen bereits darauf ab, die Landwirtschaft ökologisch verträglicher zu machen. Man müsste sie nur besser ausschöpfen.“

Sonne, Felsen, Eichen

Über die letzten drei Jahrzehnte wurden in den Nationalparks viele Daten erhoben, die der Gesellschaft von Nutzen sein können. Durch fortlaufendes Monitoring in den Schutzzonen sind etwa die Auswirkungen der Klimakrise früh zu erkennen. Wildnisgebiete sind ökologisch widerstandsfähiger, und davon profitieren auch die Regionen rundherum. Der Nationalpark Thayatal etwa besteht aus einem Mischwald mit klimatisch gut angepassten Baumarten wie Rot- und Hainbuche, Eiche, Ahorn und Linde. „Die natürliche Mischung schafft Resilienz: Der Nationalpark Thayatal bleibt bislang auch bei starker Trockenheit grün“, berichtet Direktor Christian Übl. „Auch innerhalb der Arten gibt es eine Auslese. So haben sich unter den Eichen die trockenheitsresistenten Bäume durchgesetzt. Sie kommen auch auf Felsen in der prallen Sonne zurecht.“

Schutzgebiete können somit die Folgen ökologischer Krisen für benachbarte Regionen deutlich abmildern – was künftig wohl immer wichtiger wird.

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