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Naturwissenschaft für jedermann

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Wenn man die einfache Aufmachung dieser kaum 80 Seiten starken Bändchen betrachtet mit ihren stolzen Titeln: „Das Abc des Weltbaues“, „Weltenstehung und Weltuntergang“ und „Was ist Leben?“ vergleicht und außerdem die Ankündigung des Verlages, daß dem Leser hier „die Ergebnisse der modernen Naturwissenschaften in großen und wesentlichen Zügen“ geboten werden sollen, in Betracht zieht, so kann man sich kaum einer gewissen Skepsis erwehren — ob in solchem Rahmen denn solches möglich sei —, würden die Namen der Autoren dieser Skepsis nicht von vornherein widersprechen. Und tatsächlich zeigt der Inhalt der Bändchen, daß das Zeitalter der nur für den Fachmann bestimmten Prachtbände vorbei ist. Man würde bei aller Wertschätzung für den Autor niemals in dem bescheidenen Rahmen das vermuten, was Hans Schneiser in seinem „Abc des Weltbaues“ wirklich zu leisten in der Lage war. Nach einer historischen Ubersicht, in der die Vorstellungen der Antike, des Mittelalters und der beginnenden Neuzeit über das Wesen der Materie gebracht werden, führt der Autor den Leser weiterhin an Hand der chronologischen Reihenfolge der Entdeckungen in jenes . dem Laien fast unzugängliche Gebiet der Atomphysik ein. Der stets etwas humoristische, mutwillige Stil, der auch in den Kapitelüberschriften, wie „Gesang der Atome“, „Das überfüllte Zimmer“ oder „Verwandlungs-künste der Kernteilchen“, zum Ausdruck kommt, läßt den Leser die Schwierigkeit der Materie vergessen.

Diese Art der Behandlungsweise bringt aber enorme Vorteile zugunsten der Präzisierung der Begriffe mit sich. Hans Schneiser schreibt nicht für Fachleute, muß daher auf den allen Physikern und Mathematikern eigenen Fach jargon verzichten und kann ebensowenig mit Selbstverständlichkeiten rechnen, die dem Nichtfachmann keineswegs selbstverständlich sind. Andererseits ist der Autor weit entfernt davon, im Sinne von populären Werken mit Gemeinplätzen über die schwerwiegendsten Probleme hinwegzuhüpfen oder sich in einen wissenschaftlichen Nebel von Fachausdrücken zurückzuziehen. Schneiser nimmt die Position jener Vorurteilslosigkeit ein, die er bei seinem Leser voraussetzt, und zwingt sich selbst die reale Existenz und die reale Beziehung des Protons, Neutrons, Positrons und Elektrons zu erweisen und somit hinter jenen Vorhang der Unanschaulichkeit zu dringen, der die elementaren Bausteine der Materie dem Laien so unzugänglich macht. Damit erhält das Büchlein eine Schärfe der Definition, die frei von jener Voreingenommenheit ist, die sich der Fachwissenschaftler meist im Laufe der Jahre gegenüber Hypothesen seines eigenen Fachgebietes aneignet. War in dem „Abc“ der „Mikrokosmos“ der Materie aufgezeigt, so geht Schneiser in dem weiteren Bändchen „Weltentstehung und Weltuntergang“ an die Analyse des Makrokosmos, die in derselben klaren Präzision durchgeführt ist. Eine Erkenntnis, die sich aus beiden Bändchen in gleicher Weise und als gemeinsames Resultat ergibt, ist das Prinzip der Ordnung. Obwohl die Bändchen eine allgemeine Einführung, ein Referat über das gesamte Arbeitsgebiet geben, so wird hier außerdem eine durchaus selbständige Position ergriffen und behauptet. Auf Grund rein naturwissenschaftlicher Erkenntnisse wird das Zufallsdogma des vorigen Jahrhunderts als unwahrscheinlich in Abrede gestellt — „eine Affenherde, auf etliche Schreibmaschinen losgelassen, würde nicht zufällig den .Faust' schreiben“ — und als Gesamtprdnzig das Ordnungsprinzip als das allen Einzelphänomenen zugrunde liegend erkannt.

Der bekannte Zoologe Josef F r e i s 1 i n g behandelt in dem Bändchen „Was ist Leben?“ im selben Sinne das Gesamtgebiet der Biologie. Wie in den physikalischen Bändchen, so kann auch hier die leichtfaßliche und dennoch gründliche Behandlung des ungeheuren Stoffes im engsten Rahmen nicht rühmend genug hervorgehoben werden. Als roter Faden zieht sich durch das Bändchen das Maschinenmodell, an dem es F r e i s 1 i n g möglich ist, die sämtlichen Vitalphänomene des Stoffwechsels, der Fortpflanzung und des Zellwachstums, der Reizbarkeit und der Anpassung zu demonstrieren. Stets wird zu dem Beispiel der einfachen Amoebe zurückqeqrif-fen und die bei aller Unterschiedlichkeit doch prinzipielle Einheitlichkeit der Lebensvorgänge darqetan. Sehr dankenswert ist auch ein intensives Eingehen auf die Frage der Urzeugung, wobei in kurzer Darstellung sämtliche bisher geäußerten Auffassungen zum Ausdruck gebracht werden. Nur ein vielseitiges Wissen und souveräne Beherrschung des Gebietes ermöglichten dem Autor die Behandlung des ungeheuren Stoffes in so engem Rahmen.

Dozent Dr. Rainer Schubert-Soldern

Unter Zaren und gekrönten Frauen. Schicksale und Tragik europäischer Kaiserreiche. Von Egon Caesar Conte Cort1 Verlag Anton Pustet, Graz-Salzburg. 449 Seiten mit 37 Bildtafeln.

Bisher ungenützte Quellen zu erschließen, ist ein Kriterium wie eine Gabe des gewiegten Historikers, und Egon Caesar Corti bewährt sie hier um einmal mehr. Im Archiv der fürstlichen Familie Erbach-Schönberg erlag, bis dahin unveröffentlicht und hier zum erstenmal ausgewertet, der gesamte schriftliche Nachlaß der Zarin Marie, Gemahlin Alexanders II. von Rußland, Schwester des

Prinzen Alexander von Hessen. Ferner: die Briefe dieses Prinzen sowie sein 17 Bände umfassendes Tagebuch. Nimmt man hinzu, daß Prinz Alexander von Hessen, der Vater des ersten bulgarischen Herrschers, Alexander von Baltenberg war, so steht man mitten in der europäischen Geschichte dfis ausgehenden • 19. Jahrhunderts. Aus diesen privatesten Korrespondenzen und Aufzeichnungen ergibt sich eine Fülle ungeschminkter, jeder offiziellen Zurichtung entratender Urteile und Feststellungen, erstehen Planungen, Wünsche und Gegenwirkungen: in der Gesamtheit eine Handlung, aus politischen Konzepten und seltsamer Romantik gewebt, einladend zu einer historischen Erzählung, wie sie das Buch von Zaren und gekrönten Frauen seinem Wesen nach ist. Eine geschichtliche Causerie, mit historischem Material gesättigt, gewandt und flüssig im Ablauf. Die Überfülle des Persönlichen mag einem tieferen Eingehen in die Substanz, das gewählte Genre einer stärkeren Profilierung widerstrebt haben.

Alexander v. Busch

• Die neuen Psalmen und die Cantica des Breviers nach der neuesten lateinischen Ausgabe des Päpstlichen Bibelinstituts in Rom. Deutsch von Florian Auer, Priester der Gesellschaft Jesu. Verlag Herold, Wien.

Eine neue Psalmenübersetzung nach den vielen bereits erschienenen muß sich durch ihre besondere Gediegenheit rechtfertigen. Man darf ruhig behaupten, daß der Auerschen Übersetzung diese Selbstrechtfertigung gelungen ist. Der in freien Rhythmen gestaltete Text hält eine gute Mitte zwischen eigentlichen Versen, die dem Text immer einige Gewalt antun müßten, und reiner Prosa, die der dichterischen Urform nicht entspräche. So eignen sich die Strophen auch gut zum Vorlesen, sei es bei gottesdienstlichen Veranstaltungen, sei es in Studienrunden. Nicht nur aus der kurzen, dem besseren Verständnis dienenden Einleitung, sondern vor allem auch aus den kurzen, Anmerkungen geht deutlich hervor, daß der Ubersetzer keine Mühe und keine Sorgfalt gespart hat, um eine wirklich gediegene Arbeit zu liefern. Die klare und augenfällige Gedankengliederung im Psalmtext trägt sehr viel zum besseren Verständnis der einzelnen Psalmen bei. Das handliche Taschenformat, das der Verlag dem Buch verliehen hat, erhöht die praktische Verwendbarkeit. — Priestern und Laien, namentlich auch der Jugend, sei diese Ubersetzung besonders empfohlen. Georg B i c h'l m a i r S. J.

Grundriß des geistlichen Lebens. Von L.

B 1 o s i u s. Verlag Benziger, Einsiedeln. 167 Seiten.

Unter den Werken des 1566 verstorbenen Benediktinerabtes Ludwig Blois (genannt Blo-sius) ist der in neuer Übertragung erschienene „Grundriß des geistlichen Lebens“ von besonderer Bedeutung. Es handelt sich um ein Betrachtungsbuch, das in vielen Teilen an die „Nachfolge Christi“ erinnert und wie diese durch tiefe Gedanken und eine edle, schlichte Sprache gerade die Christen unserer Zei' anzusprechen vermag. Die Wesenszüge benedik-tinischer Spiritualität werden besonders sichtbar, wo er im Sinne der „discretio“ von der weisen Mäßigung und der inneren Freiheit spricht. Der anhaltende gute Wille und das Vertrauen auf Gott erscheinen als die wesentlichsten Bedingungen zum inneren Fortschritt. Man findet wieder bestätigt: ein religiöses Buch, das aus den ersten Quellen schöpft, hat auch nach Jahrhunderten nichts von seiner Bedeutung verloren.

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