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Neue Mercedes- und Opelmodelle

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„Noch nie hat das Volkswagenwerk an eine Modeströmung solche Konzessionen gemacht wie beim Modell 1600 TL“... „Erstmalig in der Geschichte der Opelwerke wird eine Vielfalt' von neuen Modellen gezeigt, die alles bisherige übertreffen“ ... „Noch nie hat Mercedes-Benz auf einmal so viel neue Modelle herausgebracht wie zum Frankfurter Salon 1965“ ...

Fast alle Presseaussendungen anläßlich der Präsentation neuer Modelle für die kommende Saison beginnen mit solchen oder ähnlichen Sätzen, und das läßt aufhorchen. Es ist noch gar nicht lange her, daß Prof. Heinz Nord-iioff mit einer Handbewegung die Zumutung abgetan hat, es werde in absehbarer Zeit neue Volkswagenmodelle geben. Mercedes-Benz ist seit Jahrzehnten stolz darauf — und das mit Recht — daß seine Modelle nur wenig geändert werden und daß die konservative Linie, nicht nur im Karosseriebau. sondern überhaupt eingehalten wird, was natürlich —

ebenso wie beim Volkswagen werk — nicht ausschloß, daß immer wieder Verbesserungen und Neuerungen an den Fahrzeugen vorgenommen wurden. Und Opel verfocht ebenfalls seit vielen Jahren die These, daß zwar nach amerikanischem Muster häufig äußere Merkmale geändert werden, man aber im Grunde, speziell was die Motoren anbelangte, am Althergebrachten festhalte, was schließlich dem Fahrzeug tatsächlich den Ruf einbrachte. ,Opel, der Zuverlässige“ zu sein.

Alles recht schön und gut. Aber nunmehr hat sich das Blatt offensichtlich gewendet. Was wir an dieser Stelle schon vor Jahren prophezeit haben, ist nun auch für den Laien sichtbar in vollem Umfang eingetreten: Der Konkurrenzkampf, nicht nur zwischen Kontinenten und Ländern, auch der zwischen

Marken ein und desselben Staates, hat einen Höhepunkt, erreicht. Jeder will vom Absatzmarkt einen möglichst großen Anteil für sich erobern und ist daher gezwungen, einen immer größeren Kreis von potentiellen Kunden anzusprechen. Erweiterung des Programms, eine möglichst große Vielzahl von Modellen, das ist die Devise großer und kleiner Werke, und das ist verständlich, wenn man bedenkt, daß die Zuwachsrate z. B. in der Bundesrepublik Deutschland auf einen so niedrigen Prozentsatz gesunken ist, daß man geneigt ist, von einer Sättigung des Automobilbedarfs zu sprechen, obwohl der Motorisierungsgrad noch lange nicht den Stand erreicht hat, wie in den USA, wo heute praktisch jeder zweite Einwohner ein Automobil besitzt.

Der Frankfurter Automobüsalon, der soeben seine Pforten geöffnet hat und (über den, ebenso wie die übrigen Herbstsalons noch zu berichten sein wird, spiegelt den harten Konkurrenzkampf wider. Die Knappheit an Arbeitskräften, die ständig steigenden Löhne und die immer noch anwachsende Produktion zwingen die deutschen Automobilfabriken und ihre Vorlieferanten mehr zu investieren, da sie sonst im Wettbewerb mit der gigantischen amerikanischen Industrie und ihren europäischen Tochtergesellschaften nicht mehr bestehen könnten. Deutschland ist immerhin mit fast drei Millionen Einheiten Jahresproduktion auf den zweiten Platz hinter den USA aufgerückt.

Über die neuen Modelle, die noch vor dem Frankfurter Salon präsentiert wurden, haben wir zum Teil bereits berichtet. Bekanntlich war das Volkswagenwerk das erste, welches die Karten auf den Tisch gelegt hat. Auch Mercedes-Benz hat als zweite große deutsche Firma ihre Trümpfe bereits ausgespielt. Seit sechs Jahren waren die Sechszylindermodelle und seit vier Jahren die Vierzylindermodelle durch das Baukastenprinzip gekennzeichnet. Bei den Modellen 1966 finden wir ein zweigeteiltes Programm vor, das der sogenannten gehobenen Mittelklasse und der oberen Mittelklasse. Man hat also eine Trennung zwischen Fahrzeugen geschaffen, die mehr den auf Wirtschaftlichkeit Wertlegenden ansprechen, und jenen, die auf höchste Fahrkultur aus sind. Allen Modellen gemeinsam aber ist eine größere Laufruhe und eine verbesserte Ausstattung. Siebzehn Modelle bietet Mercedes-Benz für 1966 an: Der bisherige 190er mit Benzinmotor wird durch den Typ 200, ebenfalls mit einem Vergasermotor mit vier Zylindern aber 95 PS und einer Maximalgeschwindigkeit von 160 km/h (früher 145 km/h), ersetzt. Eine fünffach gelagerte Kurbelwelle neben größerer Laufruhe und besserer Ausstattung rechtfertigen den etwas höheren Preis. Auch der 200 D mit Dieselmotor, der bei gleicher Leistung schneller geworden ist, wurde etwas verteuert, doch sind die Preisaufschläge in erträglichen Grenzen. Schlager in der gehobenen Mittelklasse ist zweifellos der Typ 230 mit Sechszylinder-Vergasermotor, 105 PS Leistung und 170 km/h Spitze, der in der Karosserie und Ausstattung dem Typ 200 gleicht und unter der lOO.OOO-Schilling-Grenze bleibt. Der frühere Typ 220 hat keinen Nachfolger, der 220 S jedoch kommt als 230 S mit ebenfalls erhöhten Fahrleistungen heraus.

Doch nun zur neuen Sechszylinderklasse, deren drei wichtigste Vertreter nicht nur wegen der völlig neuen Grundkarosserie, sondern auch aus anderen Gründen keine vergleichbaren Vorgänger haben. Die neuen 250er wurden gegenüber den 220ern niedriger, länger, in der Form vielleicht etwais eckiger. Das Dach ist flach, Windschutz und Türen reichen hooh hinauf (Verbesserung von Sicht und Einstieg), die Gürtellinie sitzt sehr tief, der ganze Wagen ist um sechs Zentimeter niedriger. Besonders auffallend und den Innenraum vergrößernd sind die gebogenen Seitenscheiben. Die Motoren der neuen oberen Mittelklasse sind siebenfach gelagert, die Fahrzeuge haben vier Scheibenbremsen, den hydropneumatischen Höhenausgleich an der Hinterachse, die Typen 300 SE und 300 SEL außerdem eine serienmäßige Servolenkung, letzterer Wagen außerdem noch eine Luftfederung. Wir haben es hier mit Fahrzeugen zu tun, die in Komfort, Abmessungen und

äußerer Erscheinung wohl Familienwagen für die große Fahrt sind, jedoch dem sportlich eingestellten Fahrer höchste Freude bereiten dürften.

Der Bruch mit der Tradition bei den neuen Modellen ist am stärksten bei Opel zu bemerken: Das Werk gibt sich heute sportlicher denn je. Diese Entwicklung kann vielleicht auch dadurch beschleunigt worden sein, daß der große Konkurrent von Opel, Ford — übrigens auch im Gegensatz zur früheren Einstellung — sich dem Sport zugewendet hat. Seit rund drei Jahrzehnten hat man zum Beispiel bei Opel den guten, alten Stoßstangenmotor immer höher gezüchtet, seine Leistungen haben sich fast verdoppelt, aber nun scheint die Grenze erreicht worden zu sein, und man hat Tabula rasa gemacht. Neue

Motoren für den Rekord und den Kapitän sind geschaffen worden, aber auch der Kadett hat sich stark gewandelt, denn er hat nunmehr einen größeren Innenraum, es gibt ferner eine viertürige Version, und der neue 1,1 1 Kurzhubmotor leistet in zwei Versionen entweder 45 PS bei 5000 U/min bezw. 55 PS bei 5400 U/min. Doch um auf die neuen Vier- bezw. Sechszylinder für den Rekord, den Kapitän und den Admiral zurückzukommen. Hier handelt es sich um eine OHC-Motorkonstruktion mit hydraulischen Ventilstösseln, welche den Nockenhub mittels Stahlblech-Kipphebeln auf die um 20 Prozent geneigten Ventile übertragen. Im Sinne der eingangs erwähnten Vielfalt gibt es, von den zahlreichen Karosserievarianten abgesehen (Limousinen, Coupes, Caravans), auch verschiedene Motoren, zwei beim Kadett, drei beim Rekord (1,5 1, 1,7 1 und 1,9 1 mit 60, 75 und 90 PS), und beim Opel Kapitän ist der neue 2,8 1 OHC-Sechszylindermotor von 125 PS zu erwähnen. Für Österreich, welches die hohen Hubraumklassen steuerlich unvernünftigerweise noch immer diskriminiert, ist der 2,5-1-Motor auch weiterhin für den Kapitän lieferbar. Die Modelle der „Großen Drei“ sind übrigens unverändert geblieben. Die Preise bei Opel haben sich einigermaßen erhöht, jedoch weniger wegen der allgemein gestiegenen Gestehungskosten, als vielmehr wegen der vielen technischen Errungenschaften der neuen Modelle.

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