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Neuorganisation unseres Rundfunks

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Der gründlichen Untersuchung über die Arbeitslosigkeit in Oesterreich (vgl. „Furche" Nr. 41) läßt die Sozialwissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft in Wien eine neue Enquete, diesmal über die Neuorganisation des österreichischen Rundfunks, folgen. Wir stellen nachstehend die Ergebnisse dieser Untersuchung vor.

Die „Furche"

Der österreichische Rundfunk ist seit 1945 ein ungelöstes Problem. Dies findet seinen Grund darin, daß die Organisation bis zum Jahre 1938, die Radio-Verkehrs-Aktiengesellschaft (Ravag), nach der Besetzung Oesterreichs durch Deutschland aufgelöst und der Reichsrundfunk-Gesellschaft eingegliedert wurde. Nach der Befreiung Oesterreichs hätte man die rechtliche Möglichkeit gehabt, im Rahmen der Rückstellungsgesetze die frühere Aktiengesellschaft Ravag wiederherzustellen. Dieser Weg wäre zweifellos der rechtlich einzig richtige gewesen. Es wurde zwar das Rückstellungsverfahren eingeleitet, jedoch nicht weitergeführt.

Im folgenden soll daher ein kurzer Ueber- blick gegeben werden, welche Möglichkeiten der Neuorganisation des österreichischen Rundfunks sich in bisher bekanntgewordenen Vorschlägen abzeichneten.

Vor allem ist in den verschiedenen Bundesländern der Wunsch laut geworden, den österreichischen Rundfunk weitgehend zu dezentralisieren und sozusagen jedem der neun Bundesländer einen eigenen Rundfunksender zum alleinigen Betrieb zu überlassen. Dieses Bestreben kann als extrem-föderalistischer Plan bezeichnet werden.

Dieser Plan übersieht zuerst einmal, daß die erste wesentliche Voraussetzung jedes Rundfunks und jedes Senders überhaupt die Erteilung einer Konzession ist. Rundfunkkonzessionen nach dem Fernmeldegesetz hat der Bund bzw. die Postverwaltung zu erteilen. Das Recht für den Betrieb eines Rundfunksenders ist also nach dem Gesetz zentralisiert. Die Gefahren des extremen Föderalismus in Rundfunkbelangen sind aber auch sonst groß. Soll unser Rundfunk seine Bedeutung und sein Ansehen international bewahren — was vom Standpunkt der kulturellen Beziehungen Oesterreichs zur übrigen Welt gewiß wünschenswert ist — so muß, weil sonst eine Zersplitterung der Kräfte weitgehend die Folge wäre, die finanzielle und technische Planung in einer Hand vereinigt werden.

Man darf nicht übersehen, daß die rasche Entwicklung der Technik auf dem Gebiete des Rundfunks (Ultrakurzwellenfunk, Fernsehfunk usw.) immer größere finanzielle Ansprüche an ein Rundfunkunternehmen stellt. Auch bei starken finanziellen Opfern und Subventionen der einzelnen Länder wäre es ganz ausgeschlossen, einzelne Ländersender international konkurrenzfähig zu erhalten.

Eine weitere Gefahr liegt darin, das selbständige Rundfunkunternehmungen der einzelnen Bundesländer unbedingt und weitestgehend Subventionen seitens der Landesregierungen notwendig hätten. Diese ständige Subventionierung einer Rundfunkunternehmung durch die Landesregierug muß aber automatisch eine weitgehende Unterordnung und Unselbständigkeit der einzelnen Rundfunkunternehmungen mit sich bringen. Das bedeutet — darüber kann kein Zweifel sein — eine straffe Ausrichtung der Rundfunkleitung und des ganzen Programms nach der jeweiligen politischen Struktur des einzelnen Landes

In diesem Zusammenhang darf auch nicht übersehen werden, daß Niederösterreich und das Burgenland bisher überhaupt keine eigene Sendeanlage, keine Studios, kein Funkhaus besitzen. Für den Fall, daß man jedem Land einen eigenen Sender geben wollte, müßten hier unter ungeheuren Kosten, die sich selbstverständlich auf Millionen Schilling belaufen, die entsprechenden Bauten, Anlagen und technischen Einrichtungen erst geschaffen werden. Dazu kommt, daß in diesem Falle jedes Land einen eigenen und, wie die Erfahrung schon beim zentral gelenkten Rundfunk zeigt, sehr kostspieligen und ausgebauten Verwaltungsapparat benötigt.

In dem sogenannten „zentralistischen“ Plan wird keineswegs an eine wirklich straff zentrale Leitung des gesamten österreichischen Rundfunks gedacht, wie ihn die Föderalisten offenbar befürchten. Zentral gelenkt soll vor allem nur die finanzielle Gebarung sein, die selbstverständlich der Ueber- prüfung durch den Obersten Rechnungshof untersteht, sowie der technische Betrieb der Sender.

Die Sender müssen für die Zukunft immer stärkere Leistungen aufweisen. Nicht etwa nur, um der Bevölkerung im Inland einen besseren Empfang zu sichern, sondern auch deshalb, weil in den internationalen Konventionen für Verteilung der Wellenlängen nicht alle Länder der Erde und auch Europas beteiligt sind (Spanien und die volksdemokratischen Länder wurden zum Teil nicht eingeladen bzw. haben zum Teil an dieser internationalen Regelung nicht teilgenommen). Als Folge davon senden daher gewisse Länder, z. B. Spanien, auf der gleichen Wellenlänge wie österreichische Sender. Dies wirkt sich bei starken Empfangsgeräten in beachtlichen Störungen aus, die für das Inland nur dann weitgehend gebannt werden können, wenn der Inlandsender verstärkt und dadurch die Störungen durch ausländische Sender, die zufälligerweise die gleiche Wellenlänge aufweisen, beseitigt oder doch gemindert werden können.

Auch wird Oesterreich in absehbarer Zeit — um nicht gegenüber sämtlichen anderen Ländern der Erde zurückzubleiben — der Frage des Fernsehens praktisch nähertreten müssen. Die Kosten gerade der Fernsehsendungen sind so exorbitant hoch und ein Vielfaches von jenen Kosten, welche der normale Hörrundfunk erfordert, daß es nur bei Zusammenfassung aller Kräfte, besonders in einem flächenmäßig kleinen Staat, möglich ist, zu einem Fernsehprogramm von Niveau zu kommen. Daß hier einzelne Bundesländer überhaupt jemals daran denken können, auf ihrem Gebiet einen eigenen Fernsehbetrieb durchzuführen, ist gänzlich ausgeschlossen.

Zentralistisch ist auch die Konzessionserteilung. Es kann niemals daran gedacht sein, die kulturelle Eigenart der Länder irgendwie zu beschränken oder etwa ein gesamtösterreichisches Programm zu „diktieren“, das dem Willen der Länder nicht entsprechen würde. Heute, da wir ein Erstes Programm und ein Zweites Programm sowie das Dritte, nämlich das UKW-Programm, in Oesterreich haben, soll das Erste Programm sozusagen das weitgehend föderalistisch aufgelockerte Programm sein. Das heißt, den einzelnen Ländern steht es frei, das von Wien aus gesendete Programm zu übernehmen, es steht ihnen aber auch frei, beachtlich lange Sendezeiten des Tages mit Eigenprogrammen zu füllen (ein Aehnliches gilt für das Ultrakurzwellenprogramm). Darüber ist es bisher nicht zu Klagen gekommen.

Unter dem sogenannten „zentralistischen" Plan ist also keine Verstaatlichung des Rundfunks zu verstehen. Diese würde letzten Endes, von allen anderen Nachteilen und Schattenseiten abgesehen, nur eine

Bürokratisierung des ganzen Rundfunkwesens mit sich bringen. Eine solche müßte sich auf dem kulturellen Sektor, der gerade in Oesterreich einen ziemlich breiten Raum einnimmt, verheerend auswirken.

Die Organisation eines zentral geleiteten Rundfunks könnte verschiedene Formen zeigen. Es könnte a) eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder b) eine Aktiengesellschaft geschaffen werden, an der in weit überwiegendem Ausmaße, so wie dies seinerzeit bei der Ravag der Fall war, die öffentliche Hand beteiligt ist. An eine Beteiligung von Privatkapital (wie dies bei der Ravag in kleinem Ausmaß noch der Fall war) wird heute nicht mehr gedacht, vielmehr könnten sich verschiedene Gebietskörperschafteri, unter Umständen auch Kammern usw. hier beteiligen. Sollte über diese Lösung keine Einigung erzielt werden, könnte man unter bestimmten Voraussetzungen auch die Schaffung einer Art Anstalt öffentlichen Rechtes in den Kreis der Erwägungen ziehen, ähnlich wie heute in Westdeutschland, wobei eine Grundvoraussetzung wäre, daß der Rundfunk nicht einem

Ministerium oder einer Behörde unterstellt würde. Dies wäre wohl gleichbedeutend mit seiner Bürokratisierung.

Gleichviel für welche Form letzten Endes die Entscheidung fällt, müßten sowohl der Bund wie auch die einzelnen Bundesländer anteilsmäßig entsprechend beteiligt sein. Beispiele und Grundlagen für eine solche Beteiligung hinsichtlich Größe, Einwohnerzahl, Hörerzahl usw. gäbe es genug. Beschlüsse und Entscheidungen, die eine so organisierte „zentrale Leitung“ des Rundfunks faßt, würden dann praktisch nichts anderes sein als Entscheidungen, die eben die Versammlung aller jener Mitglieder, die aus den verschiedenen Bundesländern gebildet wird, trifft.

Es ist also, was wohl wesentlich erscheint, nicht ein Subjekt vorhanden, eine juristische Persönlichkeit, denen die einzelnen Bundesländer fremd gegenüberstehen, vielmehr müßte die Zentralleitung des Rundfunks die Gemeinschaft aller von den Bundesländern nominierten Experten umfassen. Während bei richtiger und guter Organisation eines zentral geleiteten österreichischen Rundfunks die Gefahr seiner Politisierung (es kommt nur auf die gesetzliche Form und Durchführung der Organisation an) eher vermieden oder gar .beseitigt werden kann, ist aus den schon früher erwähnten Gründen bei vollkommener Uebernahme der Rundfunksender in die Gewalt der Landesregierungen eine Politisierung des Rundfunks überhaupt nicht zu vermeiden.

Aehnlich wie in Deutschland könnte auch bei uns die Leitung des Unternehmens durch Bestellung bzw. durch Wahl aller Mitglieder (aus den einzelnen Bundesländern) zusammengesetzt sein. Sie hätte dann auf eine gewisse Anzahl von Jahren, etwa fünf Jähre, vollkommen freie Verfügungsgewalt, ohne durch politische oder bürokratische Stellen des Staates während der Dauer dieser Funktionsperiode in ihrer Unabhängigkeit beeinträchtigt zu sein.

Es ist noch ein dritter Organisationsplan zur Ordnung des österreichischen Rundfunkwesens ausgearbeitet worden; sozusagen ein Kompromiß- Vorschlag. Um die befürchtete allzu große Zersplitterung des Rundfunkwesens für den Fall zu ’ vermeiden, als eine zentralistische Organisation unmöglich sein sollte, will man gewisse Bundesländer zusammenfassen und für diese Länder gemeinsam eine Rundfunkgesellschaft bilden. Hiebei ist in Aussicht genommen, die Länder Wien und Niederösterreich einerseits, Tirol, Vorarlberg, Salzburg und Oberösterreich anderseits und schließlich Steiermark, Kärnten und das Burgenland zusammenzufassen.

Dieser Komprorpißvorschlag birgt im wesentlichen die gleichen Gefahren wie der föderalistische Plan. Abgesehen von den technisch fast unüberwindlichen Schwierigkeiten und der ziemlich willkürlichen Zusammenlegung der einzelnen Länder, die kaum den Tendenzen und Absichten dieser Länder selbst entsprechen dürfte, wird auch hier offenbar vergessen, daß immer sowohl wegen der künstlerischen und kulturellen Kapazitäten (Orchester, Hochschulen, Theater, Konzerte usw.) wie auch wegen der dichten Besiedlung Wiens und Niederösterreichs und und der dadurch immer größeren Hörerzahl das Uebergewicht zweifellos auch weiterhin insbesondere gegenüber dem Ausland, Wien und Niederösterreich haben wird.

Eine zentrale Organisation erscheint nach dem Gesagten für das gesamtösterreichische Interesse als die beste und einzig befriedigende Lösung des Problems. Unter „zentraler“ Organisation ist natürlich weder ein diktiertes Programm noch eine Verstaatlichung noch eine Bürokratisierung zu verstehen.

Es wird Sache der Ausarbeitung des künftigen Ę indfunkgesetzes in seinen Einzelheiten sein müssen, der bundesstaatlichen, föderalistischen Struktur Oesterreichs in einer klugen Form gerecht zu werden und die Bundesländer in befriedigender Weise bei der Mitbestimmung im Rundfunk und in der Leitung weitgehend zu beteiligen.

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