Neuroethik - © Illustration: iStock / Ali Kerem

Neuroethik: Homo sapiens, auf Anstand gepolt?

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Rücksichtloses Verhalten scheint in Politik und Wirtschaft oft belohnt zu werden. Doch die Evolution zeigt: In der Natur zählt langfristig die Moral. Neues aus dem Feld der Neuroethik

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Rücksichtloses Verhalten scheint in Politik und Wirtschaft oft belohnt zu werden. Doch die Evolution zeigt: In der Natur zählt langfristig die Moral. Neues aus dem Feld der Neuroethik

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Allzu oft gewinnt man den Eindruck, dass unmoralisches und rücksichtsloses Verhalten viel eher zum Erfolg führt als moralisches und rücksichtsvolles Handeln. Wenn dem so wäre, wieso sind unsere Gehirne dann in der Evolution – die ja „Gewinner“ bevorzugt – so geformt worden, dass wir bei unmoralischem Handeln Ekel (gegenüber anderen) oder Scham (gegenüber uns selbst) empfinden? Warum bewertet die menschliche Psyche unmoralische Handlungen mit negativen Emotionen, wenn sie doch so gewinnbringend wären? Wir stammen alle von „Gewinnern“ ab: Wieso hat sich dann die Abneigung gegen vermeintlich gewinnbringende Handlungsweisen in uns festgesetzt?

Erfolg durch Teamarbeit Von den jetzigen Menschenaffen bis zu den Frühmenschen: Menschen und ihre Vorfahren haben stets in sozialen Gruppen gelebt. Das wird sowohl aus paläontologischen Befunden als auch aus der Beobachtung von Affen und Menschenaffen klar. (Die meist solitär lebenden Oran Utans gehören hier zu den seltenen Ausnahmen.) In der Biologie ist dies der Schlüssel zu allen Erklärungen moralischen Verhaltens.

Menschliches Verhalten und die dafür verantwortlichen Hirnregionen haben sich also stets in einem sozialen Umfeld entwickelt. Und in so einem Umfeld ist Verhalten, das der Gruppe nützt, auch für das Individuum nützlich. So ein gemeinnütziges bzw. altruistisches Verhalten wird daher auch in der Evolution belohnt, weil das Individuum vom Erfolg der Gruppe profitiert. Eigensinniges und gruppenschädigendes Verhalten hat dadurch eine anrüchige, unmoralische Bewertung in der menschlichen Psyche erlangt. Von dieser Selektion eines für die Gruppe nützlichen Verhaltens gibt es mehrere Varianten.

Erfolg durch Teamarbeit

Von den jetzigen Menschenaffen bis zu den Frühmenschen: Menschen und ihre Vorfahren haben stets in sozialen Gruppen gelebt. Das wird sowohl aus paläontologischen Befunden als auch aus der Beobachtung von Affen und Menschenaffen klar. (Die meist solitär lebenden Oran Utans gehören hier zu den seltenen Ausnahmen.) In der Biologie ist dies der Schlüssel zu allen Erklärungen moralischen Verhaltens.

Menschliches Verhalten und die dafür verantwortlichen Hirnregionen haben sich also stets in einem sozialen Umfeld entwickelt. Und in so einem Umfeld ist Verhalten, das der Gruppe nützt, auch für das Individuum nützlich. So ein gemeinnütziges bzw. altruistisches Verhalten wird daher auch in der Evolution belohnt, weil das Individuum vom Erfolg der Gruppe profitiert. Eigensinniges und gruppenschädigendes Verhalten hat dadurch eine anrüchige, unmoralische Bewertung in der menschlichen Psyche erlangt. Von dieser Selektion eines für die Gruppe nützlichen Verhaltens gibt es mehrere Varianten.

Primär spielt bei der Selektion auf Gruppenebene Teamarbeit eine Rolle: Affen, Frühmenschen oder Menschen, die zusammenarbeiten, haben eine größere Chance zu überleben und sich reichlich zu vermehren als solche, die sich alleine den Herausforderungen der Umwelt stellen. Das ist immer der Fall – auch wenn die kooperierenden Gruppenmitglieder nicht miteinander verwandt sind.

Eine zweite Variante dieser Selektion kommt in Gruppen aus Verwandten zustande. Der britische Evolutionsbiologe Richard Dawkins argumentiert in seinem Werk „Das egoistische Gen“, dass einzelne Gene das primäre Substrat der Evolution sind. Wie die einzelnen Ruderer in einem Achterboot arbeiten die Gene zusammen, um einen Organismus überlebensfähig zu machen. Und wie der Trainer der Rudermannschaft versucht, die fähigsten Ruderer einzutauschen, so reichert die Evolution die erfolgreichsten Gene an

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