Werbung
Werbung
Werbung

Michael Stavaric' Roman"stillborn".

Listen und Litaneien haben es Stavaric angetan - war sein letzter Band überhaupt als "Litanei" untertitelt, so kommt man auch in seinem neuen Buch, einem Roman, nicht umhin, derlei zu lesen: "Herz, Nieren, Herzschmerz, Herzensangelegenheiten, Herzinfarkt, Herzmuskel, Herztransplantat, herzlich, ein Herz aus Glas".

Dieses Buch ist dabei freilich oft im doppeltem Sinne listig, denn wieder spielt der Autor mit großer Lust die Allgemeinplätze gegeneinander aus, das Stillleben, das "stillborn" heißt und schon am Umschlag mit einem toten Eichhörnchen aufwartet, ist also sehr lebendig geraten.

Große Lust am Trivialen möglicher Narrative wie Inhalte - programmatisch beginnt das Buch mit Chris Isaaks Song "Wicked Game", das erwähnte "Herz aus Glas" ist auch einschlägig vorbelastet - verleiten den Ich-Erzähler und dessen Autor also zum systematischen Sich-Vergaloppieren, was aber nur manchmal Witz hat, nicht selten auch kapriziös und noch mehr strapaziös ist. Ist das, was da in zwei Haupthandlungen und unzählige Assoziationen zerfällt, überhaupt ein Roman? Gut: Die "transzendentale Obdachlosigkeit", die Lukács von selbigem erwartet, ist mehr als erfüllt.

Trotzdem (oder in postmodernen Zeiten vielleicht auch deshalb) machen viele Passagen Spaß, so, wenn ein Versuch, endlich einzuschlafen, darin mündet, dass Schafe gezählt werden: "Schafe, Wölfe, Frösche, die über Hecken sprangen, von einer Klippe, mäh!" Fehlen nur die Lemminge, was auch zur ausgewalzten Popkultur irgendwie passte, doch was soll's.

Die zwei Haupthandlungen sind übrigens a) die Passion einer Frau für leere Wohnungen, ein Faible, das mit ihrem Beruf, diese als Maklerin nicht leer stehen zu lassen, kollidiert, was aber nicht so schlimm ist wie die Brandanschläge, die auf diese Appartements verübt werden, und b) die Liebe des ermittelnden Beamten zu jener Dame, mit der seltsame Erinnerungen und Erinnerungslücken auftauchen, zum Beispiel an ungelöste Mordfälle in der Kindheit der Protagonistin.

Also viel Crime und etwas Sex, der eher hemdsärmelig geschildert ist, aber beides und die Handlung insgesamt laufen auf einen Satz hinaus, nämlich: Es sei "nie etwas passiert".

Präziser gesagt ist da ein Narrativ, das ausgehöhlt wie die unbehausten Wohnungen der Maklerinnen aber nicht Inhalt in sich schießen lässt, sondern für sich steht - ein Konstrukt und eine Vielzahl von Assoziationsketten. Man würde dem Autor Unrecht tun, das mit der Phrase "viel Lärm um nichts" zusammenzufassen, das, was da tönt, ist ja nicht uninteressant, nicht unstrukturiert, nur: "um nichts", das ist der Text schon, und dies nicht immer so geistreich, dass es leicht fiele, die Frage des Ich-Erzählers (oder doch des Autors) zu beantworten, die da hallt: "Bin ich nicht witzig?"

Es fällt zumindest nicht so leicht, sie eindeutig zu beantworten, wie es der Verfasser sich wohl wünschen würde.

stillborn

Roman von Michael Stavaric

Residenz Verlag, St. Pölten 2006

171 Seiten, kart., e 15,90

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung