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Niemand „schlittert” in die Sucht

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Alle, auch die Kinder, wissen heute um die Risken und Gefahren von Drogen. Warum greifen sie dann trotzdem immer wieder so unbekümmert hin?

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Alle, auch die Kinder, wissen heute um die Risken und Gefahren von Drogen. Warum greifen sie dann trotzdem immer wieder so unbekümmert hin?

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Drogen schaden. Vor allem schaden jene Drogen, die süchtig machen. Der Schaden ist manchmal körperlich eindeutig abzulesen: magere, häufig zum Skelett abgemagerte Figur, eingefallene Gesichtszüge, schlurfender Gang, verfärbte Haut (teilweise durch Hepatitis bedingt). Der Schaden liegt auch im Geistigen. Die Denkfähigkeit und die Fähigkeit, geistige Höhenflüge aus eigener Kraft zu erlangen, wird beeinträchtigt.

Und nicht zuletzt ist natürlich auch die seelische Ebene betroffen. Drogenkonsumenten leiden psychisch und sozial. Die Sucht erfordert zum Beispiel Finanzierung, die häufig mittels Beschaffungskriminalität (Einbruch, Baub, Überfall etc.) abgedeckt wird.

Mit Drogensucht hängt also eine Menge von unangenehmen und ungemütlichen (bis hin zu lebensgefährlichen) Zuständen zusammen.

Man fragt sich: Warum tun sich Menschen das an? Unkenntnis der Fakten kann es nicht sein. „Niemand schlittert ahnungslos in die Sucht”, meint Esther Wanschura, Familientherapeutin in Wien. „Alle, auch die Kinder unter ihnen, wissen genau, wie gefährlich Drogen sind und sie wissen auch, daß Drogen in Wahrheit keine Lösung sind.”

Dennoch tun sie es. Warum? Gibt es auch positive Seiten an den Drogen? Was ist der Gegenwert?

Hört man die Propaganda der Drogengegner, von den zuständigen Behörden (Schule, Kirche, Staat) bis hin zu (mit Becht) besorgten Eltern, so gibt es an den Drogen anscheinend nur Ablehnenswertes und Gefährliches.

So einfach können die Dinge nicht liegen. Drogen müssen, um zu Bestsellern zu werden, einiges an Gegenwert bieten. Und es ist möglicherweise besser, diese für den jeweiligen Konsumenten positiv erscheinenden Merkmale offen auszusprechen und zu analysieren, als so zu tun, als gäbe es nur Verteufeinswertes an den Drogen sowie an deren gesamter Szene.

„Da gibt es einmal die simple pharmakologische Ebene”, sagt Walter Tomsu, ärztlicher Leiter des Grünen Kreises, einer von dem Psychiater Günther Pernhaupt ins Leben gerufenen Initiative für die Therapie von drogensüchtigen Kindern und Jugendlichen. „Viele Drogen haben Einfluß auf den Serotonin-Stoffwech-sel. Sie wirken daher antidepressiv und antriebssteigernd. Hemmschwellen sinken. Was man sich außerhalb von Bave-Parties, wo es Drogen, Energydrinks und ähnliches gibt, niemals getrauen würde, das kann man hier tun: einmal sozusagen die Sau rauslassen. Mut wird frei, Schüchternheit wird überwunden, Verstimmungen werden aufgehellt.”

Im Prinzip klingt das übrigens nicht anders als die Beschreibung der Wirkungen einer Droge, die in Europa uralte Tradition hat, die jährlich Tausende von Opfern fordert und die eine der größten Gefährdungen der Volksgesundheit ist, die es derzeit überhaupt gibt: des Alkohols.

Nur als kurzer Einschub: So wie -nach einem alten Spruch - Hochverrat nur eine Frage des Zeitpunkts sei, ist offenbar auch die Drogensucht als Verbrechen primär eine Frage der Zeit, in der man lebt, und der Kultur. Ginge es nach den schädlichen Auswirkungen, müßte Alkohol eigentlich weltweit unter Bann und Strafe stehen. Alle anderen Drogen, von Haschisch über Heroin bis zu Kokain, verblassen gegen den Schaden, den Alkoholmißbrauch anrichtet.

Es ist daher absurd, wenn schon kleinste Drogenvergehen manchmal geradezu hysterisch geahndet werden, man gegen den Alkohol aber kaum etwas unternimmt (siehe beispielsweise das Polit-theater im Parlament kürzlich, als die Senkung der Promille-Grenze im Straßenverkehr sabotiert wurde).

Zurück zum Anreiz, den Drogen ihren Konsumenten bieten. Die Hauptwirkung ist, wie Tomsu schon ausführte, die Veränderung der Bewußtseinslage. Frau Wanschura dazu: „Das mag für den jeweiligen Menschen zwar punktuell positiv wirken für die Menschen in seiner Umgebung ist es das jedoch keineswegs. Ein Schüler, der unter Hascheinfluß ,eh alles cool' findet, wird sich in der Be-gel kaum mehr mit dem Schul frust und den Überwindungen des täglichen Lebens intensiv auseinandersetzen. Er für sich steigt gleichsam aus. Für seine Mitmenschen ist das nicht positiv. Wenn man daher von positiven Seiten der Drogen spricht, kann das immer nur für jeweils einen Menschen gelten, zu einem bestimmten Zweck. Objektiv positive Aspekte von Drogen sehe ich nicht!”

In diesem Sinn „positiv” kann das Gefühl sein, in einer gleichgesinnten Clique dazuzugehören; umgekehrt kann auch das Bewußtsein, speziellen anderen Gruppen eben nicht anzugehören (Eltern, Verwandte, Schulsystem, Behörden, Gesellschaft), das Ich der Betroffenen stärken. Auch der Glaube, durch die Droge unabhängig zu werden, kann anziehend wirken.

Es ist natürlich offenbar, daß es sich dabei um ein Paradoxon handelt: Um unabhängig zu werden, nimmt man Drogen, von denen man abhängig wird. Aber es ist wenigstens eine scheinbar selbstgewählte Art der Abhängigkeit. Freiheit steckt freilich weder da noch dort.

„Positiv” für Drogenkonsumenten kann es auch sein, das Leben und die eigene Existenz nicht mehr „fad” oder ausweglos zu finden. Wanschura: „Kinder und Jugendliche, die das Leben nicht mehr lebenswert finden, gewinnen durch die Droge wenigstens das Gefühl, etwas unternommen zu haben. Man sitzt zwar immer noch am selben Platz wie vorher, aber wenigstens ist einem nicht mehr fad es spielt sich in einem etwas ab.”

Und nicht zuletzt - laut Doktor Tomsu ist das sogar das Um und Auf der Faszination, die die Drogenszene für Kinder und Jugendliche hat - gibt die „Szene” vielen das Gefühl, eine Art Familie zu sein. „Die Drogen selbst sind weniger wichtig. Das Umfeld der Subkultur hingegen übernimmt Funktionen, die im Alltag der Süchtigen nicht (mehr) zu finden sind. Wenn eine Familie zum Beispiel selbst durch Drogenkonsum und Gewalt geprägt ist, wenn eine belastende Scheidungssituation besteht, wenn es nichts als Probleme gibt, dann kann es sein, daß Kinder oder Jugendliche hoffen, in der ,Szene' jene Familie zu finden, die ihnen abhanden gekommen ist.”

Für viele Kinder und Jugendliche ist ihr Drogenkonsum auch eine letzte Hoffnung, daß ihre Eltern sich (endlich) Sorgen um sie machen, daß sie sich kümmern, daß sie einfach „da” sind für sie. Sie hoffen, Aufmerksamkeit und Fürsorge durch ihr besorgniserregendes Verhalten zu erzwingen - als eine Art letzten Appell.”

Was kann man tun? Kann man vorbeugen? Kann man helfend eingreifen, wenn Drogensucht schon besteht? Vorbeugen kann man von Anfang an - das Zauberwort heißt hier: Kommunikation.

Wanschura: „Die Kommunikation von Menschen mit ihren Mitmenschen steht und fällt mit der Frage: Habe ich als kleines Kind die Chance gehabt, Kommunikation zu erlernen und Enttäuschungen, Frustrationen auszuhalten? Ich nenne das das Handwerkszeug aus der Kindheit. Dazu gehört eine gewisse Offenheit, also die Fähigkeit zur Neugier. Die Voraussetzung dafür ist, daß es im Leben des kleinen Kindes Menschen gegeben hat, die sich für es interessiert haben, die neugierig waren, was es denkt und fühlt, die mehr von ihm wissen wollten. Wenn ich Neugier erfahre, kann ich Neugier entwickeln. Interesse am anderen - das ist'die Grundvoraussetzung der Kommunikation. Kann man das nicht, wirkt die Droge positiver. Die Droge bietet in kürzester Frist Bewußtseinsveränderung, für eine gewisse Zeit enttäuscht die Droge nicht.”

Tomsu sieht ähnliche Ansätze zu einer Prävention der Drogensucht: „Wir im Grünen Kreis versuchen, mit erlebnispädagogischen Maßnahmen zu helfen. Grundlegend geht es uns darum, Lebensfreude zu vermitteln. Es geht um Erlebnisinhalte.

Ich würde daher die oft kritisierten Jugendveranstaltungen nicht von vornherein ablehnen. Die gehören einfach dazu; denen kann man sich nur schwer entziehen. Aber natürlich sind diese Baveparties eigentlich das Gegenteil dessen, was sie vorgeben zu sein: spontan und ungehemmt. In Wahrheit sind das ganz durchreglementierte Veranstaltungen, ein fast mystischer Bahmen, in dem man sich gehen lassen kann. Aber wir leben eben in einer immer mehr reglementierten Welt.”

Alternativen zum Drogenkonsum sieht Tomsu teilweise in Aktivitäten, die spannend sind, wie zum Beispiel Wildwasserpaddeln, teilweise dort, wo das Gefühl der Gemeinsamkeit gefördert wird, wie etwa in einer Musikgruppe.

Eines betont der Drogentherapeut ganz besonders: „Angst machen wollen, das geht schief. Es ist eine beliebte Vorstellung, daß man durch Aufzählen der vielen Gefahren, die mit Drogen verbunden sind, Kinder und Jugendliche abschrecken könne. Das Gegenteil ist die Folge: Angst machen ist immer kontraproduktiv und verleitet zur Haltung des ,jetzt erst recht!'.” Zudem scheint Angst im Zusammenhang mit Drogenkonsum eher ein Problem des zunehmenden Alters zu sein. Tomsu: „Die Kids leben eher im Gefühl, unverwundbar zu sein. Mir kann nichts passieren -das ist ihr Iebensgefühl. Sie sind, wie sie selbst es nennen, giftgeil. Erst wenn sie älter werden und die ersten deutlichen Folgen der Drogen am eigenen Körper spüren, beginnen sie nachzudenken und vielleicht auch Angst zu haben.”

Das Gefühl der Unverwundbarkeit ist typisch für die Adoleszenz. Gran-diositäts-Phantasien mischen sich mit der blinden Zuversicht, unantastbar zu sein.

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