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Noch keine Spur von E.T.

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In spätestens 25 Jahren werden erste außerirdische Lebensformen entdeckt werden", erklärte vor einem Monat Mike Kaplan von der amerikanischen Weltraumbehörde NASA auf einer Konferenz in der spanischen Stadt Toledo. Die meisten Teilnehmer der Tagung stimmten ihm zu. In der Zunft der Bioastronomen, jener Himmelsforscher, die sich der Suche nach extraterrestrischem Leben verschrieben haben, ist es nur noch eine Frage der Zeit, wann diese Entdeckung stattfinden wird.

Schon in der Epoche der Aufklärung waren Philosophen und Schriftsteller davon überzeugt, daß es Leben nicht nur auf der Erde, sondern auch anderswo im Kosmos gibt. Voltaire und Cyrano de Bergerac verfaßten Romane, die von Zivilisationen auf dem Mond handelten. Auch Immanuel Kant glaubte an die Existenz von Leben außerhalb der Erde: „Mit Bestimmtheit sind die meisten Planeten bewohnt", schrieb er 1755.

Mittlerweile steht jedoch fest, daß in unserem Sonnensystem nur die Erde von Leben erfüllt ist, während die anderen acht Planeten gänzlich unbelebt ihre Bahn um die Sonne ziehen. Nun macht man sich auf die Suche nach Leben außerhalb unseres Sonnensystems.

Im Jahre 1994 ließen Wissenschaftler aufhorchen, als sie im Orion-Nebel mittels Spektralanalyse organische Verbindungen entdeckten. Das Licht, das von Materie ausgeht, gibt Aufschluß über deren chemische Zusammensetzung. So konnte über eine Entfernung von 1.500 Lichtjahren Glycin ausgemacht werden. Diese Aminosäure ist ein Baustein der menschlichen Erbsubstanz.

Komplexe Moleküle sind nur in einer Gaswolke vor der kosmischen Strahlung geschützt. Ohne einen solchen Schild würden sie in Kürze in ihre Bestandteile aufgespaltet. Neben interstellaren Wolken, wie etwa dem Orion-Nebel, bietet nur die Gashülle eines Planeten Schutz vor der kosmischen Strahlung. Wenn, dann gedeiht Leben in der schützenden Atmosphäre eines Planeten.

Im Oktober des Vorjahres entdeckten zwei Schweizer Astronomen erstmals einen Planeten außerhalb unseres Sonnensystems, der um einen 45

Lichtjahre von der Erde entfernten Stern namens Pegasus 51 kreist. Im Jänner dieses Jahres folgten zwei amerikanische Wissenschaftler, die gleich zwei Planeten in zwei je 35 Lichtjahren entfernten Sonnensystemen ausgemacht hatten.

Sonnensysteme entstehen aus einer riesigen Gaswolke, die sich aufgrund der Schwerkraft immer dichter zusammenzieht. Aufgrund der hohen Dichte entstehen im Zentrum Temperaturen von Millionen von Grad Celsius, bis schließlich die Wasserstoffatome miteinander verschmelzen und das Sonnenfeuer entfacht wird. Auf diese Weise entstand vor viereinhalb Milliarden Jahren unsere Sonne. Aus den um die Sonne herum verbliebenen Materieresten entstanden die Planeten - doch nicht überall: Der britische Astronom David Hughes von der Universität Sheffield hat ausgerechnet, daß wahrscheinlich nur jede 24. Sonne unserer Milchstraße von (durchschnittlich 13 bis 14) Planeten umrundet wird. Da unsere Galaxie, die Milchstraße, jedoch aus 100 bis 200 Milliarden Sternen besteht, gibt es Planeten trotzdem zuhauf. Und die Anzahl der Galaxien im Universum wird von Astronomen auf 100 Milliarden geschätzt.

Ob ein Planet potentieller Träger von Leben ist, hängt von vielen Faktoren ab. Laut Ernst Göbel, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universitätssternwarte Wien, muß ein solcher Planet gleichmäßig von Sonnenlicht bestrahlt werden. Auf der Erde etwa würde schon eine geringfügige Veränderung der eintreffenden Strahlung katastrophale Auswirkungen zeigen, erklärt er. Eine Verringerung der Sonnenstrahlung um „Bruchteile eines Promille" würden genügen, um eine neue Eiszeit herbeizuführen, sagt Göbel.

„Ein einzelner Stern entsteht selten allein", weiß Göbel; meistens entstünden gleich mehrere Sonnen zugleich. Wenn diese sich im Zentrum des Planetensyslms drängen, so verdeckten sie sich aus der Sicht der sie umkreisenden Planeten immer wieder gegenseitig, womit ihre Trabanten sehr ungleichmäßig bestrahlt würden. Bei unserem unmittelbaren kosmischen Nachbarn, dem 4,3 Lichtjahre entfernten Alpha Centauri, handle es sich zum Beispiel um ein Vierfachgestirn. Damit haben wir es aller Voraussicht nach mit einem unbewohnten Nachbarsystem zu tun.

Auch unser eigenes Sonnensystem hätte fast dasselbe Schicksal ereilt, erzählt Göbel: Wäre der Jupiter doppelt so schwer, auch er wäre zu einer kleinen Sonne geworden, die sich ihrerseits um die große Sonne drehte. Da sich der Abstand zwischen Jupiter und Erde ständig ändert, gebe es aufgrund der unregelmäßigen Strahlungsintensität kein Leben auf der Erde, behauptet der Wiener Astronom.

Auch dürfe die Masse der einen Sonne nicht zu groß sein, denn ansonsten sei sie schon nach kurzer Zeit ausgebrannt, betont Göbel. Nur in einem Stern, der in etwa genauso schwer ist wie unsere Sonne, dauere der Prozeß der Kernfusion lange genug, daß sich Leben auf einem seiner Trabanten entwickeln könne, sagt er. Unsere Sonne beispielsweise habe noch Wasserstoff genug, um weitere viereinhalb Milliarden Jahre zu brennen.

Die in Frage kommenden Planeten müssen in einem bestimmten Abstand um die Sonne kreisen, da Leben nur bei Temperaturen zwischen minus zehn und plus 90 Grad Celsius gedeihen könne, wie Göbel vermutet. Auf der Oberfläche der Venus etwa würde man bei 600 Grad Celsius sofort gekocht und am Mars klettere selbst zu Mittag am Äquator das Thermometer nur knapp über den Gefrierpunkt, schildert der Astronom.

Ein entsprechender Planet dürfe auch nicht zu leicht sein, da seine Schwerkraft dann nicht ausreiche, um eine schützende Atmosphäre festzuhalten, schränkt Göbel weiter ein. Zu schwer dürfe der Planet auch nicht sein, da dann jegliches Leben „wie ein Laberl" zerdrückt werde, wie es Peter Habison, Leiter der Kuffner-Stern-warte in Wien-Ottakring ausdrückt.

Sind alle diese Bedingungen erfüllt, dann kann Leben auf dem Planeten gedeihen. Die drei bisher entdeckten Sternenbegleiter sind jedoch unbewohnbar: Jener im System „Pegasus 51" hat eine vielfache Masse der Erde und auf seiner Oberfläche herrschen unwirtliche Temperaturen zwischen 1.000 und 2.000 Grad Celsius. Bei den beiden anderen Planeten handelt es sich um jupiterähnliche Gasriesen. Wie die US-Raumsonde Galileo letzten Dezember gemessen hat, enthält die Atmosphäre des Jupiter jedoch kaum Wasser. Und das Vorhandensein von Wasser gilt als Voraussetzung für die Existenz von Leben.

„Alle 500 bis 600 Lichtjahre gibt es Planeten, die für Leben geeignet sind", schätzt Ernst Göbel. Nach der Schätzung von David Hughes sind vier Milliarden Planeten unserer Galaxie erdähnlich und somit potentielle Träger von Leben. Entdeckt hat man solche Himmelskörper jedoch noch nicht. Denn mit den derzeitigen Beobachtungsinstrumenten ist ein direkter Blick auf Planeten in fernen Sternensystemen nicht möglich. Die drei bisher entdeckten Planeten wurden indirekt beobachtet: Das heißt, aufgrund von Bewegungen des Zentralgestirns, die auf einen Trabanten schließen lassen. Deshalb ist mit dieser Methode nur die Entdeckung von Planeten möglich, die so groß sind, daß ihre Masse den Stern aus der Ruhe bringt.

Sollte einmal ein direkter Blick auf einen Planeten möglich sein, hätten die Astronomen ein leichtes Spiel. Mit Hilfe der Spektralanalyse könnte die Zusammensetzung seiner Gashülle festgestellt werden. Eine sauerstoffhaltige Atmosphäre, so Ernst Göbel, sei ein starkes Indiz für Leben. Denn purer Sauerstoff kommt in der unbelebten Natur nur selten vor, da er sich bald mit anderen chemischen Stoffen verbindet. Erst als Abfallprodukt des pflanzlichen Stoffwechsels wird Sauerstoff in großen Mengen frei.

„In den letzten 20 Jahren ist so viel passiert, daß man sich auch in Zukunft auf einiges gefaßt machen muß", prophezeit Göbel. Er hält die Errichtung von gewaltigen Teleskopen auf dem Mond für möglich, mit denen man ferne Planeten direkt beobachten könne. Peter Habison sieht das anders: Bewohnbare Planeten seien so winzig, daß ihr Licht von der Sonne, um die sie kreisen, überstrahlt würde. Erst in ein paar hundert Jahren könnten die Beobachtungsinstrumente vielleicht die nötige Präzision erreichen, meint Habison.

Nicht nur Augen, sondern auch Ohren richtet der Mensch hinaus in den Kosmos. Im Oktober 1992 hatte die NASA einen 100 Millionen Dollar teuren „Lauschangriff" auf außerirdische Zivilisationen gestartet. Mittels Radioteleskopen sollte der Himmel nach außerirdischen Signalen, wie etwa Funksprüchen oder Rundfunksignalen, abgesucht werden. In diesem Sinne könnte man auf der

Erde Vorabendserien und Gameshows aus dem Rigel-System empfangen, die vor 650 Jahren über die dortigen Fernsehbildschirme liefen. 1994 strich der US-Kongreß die Mittel für das NASA-Programm. Nun hört die private Organisation SETI (Search for Extra-Terrestial Life) das Firmament nach Spuren anderen Lebens ab - bisher vergebens.

Legion sind auch die Berichte über Sichtungen und Landungen von UFOs. Interessanterweise sind die außerirdischen Astronauten durchwegs menschenähnlich, und auch die Form ihrer Raumschiffe scheint den Moden des irdischen Design zu folgen. Laut einer umstrittenen Studie des amerikanischen Psychiaters John Mack sollen bisher 3,7 Millionen Amerikaner und Amerikanerinnen von Außerirdischen entführt worden sein. An Bord des UFOs dringen die eineinhalb Meter großen, grauen Männchen dann mit bizarren Geräten in sämtliche Körperöffnungen ihrer Opfer ein und entnehmen Proben von Ei- beziehungsweise Samenzellen. Eine Schweizer Psychologin, Leiterin einer einschlägigen Selbsthilfegruppe, behauptet allen Ernstes, schon zweimal von einem Außerirdischen geschwängert worden zu sein.

Ernstzunehmende Psychologen deuten diese Phantasien als Hinweis auf verdrängte Erlebnisse der Kindheit, wie etwa sexuellen Mißbrauch, oder als verborgene sexuelle Wünsche der angeblich Entführten.

Der Astronom Peter Habison hält solche Leute schlicht für „Spinner". Ob er selbst an außerirdisches Leben glaubt oder nicht, will er nicht beantworten. „Diese Frage geht in den philosophisch-religiösen Bereich hinein", sagt der Leiter der Kuffner-Sternwarte. Dies meint auch Ernst Göbel und spricht von einem „großartigen Schöpfungsprinzip, das Leben an vielen Stellen des Universums ermöglicht". Göbel: „Der Gedanke, daß wir allein im Kosmos sind, ist sehr egozentrisch. Selbst wenn es in jeder Galaxie nur einen einzigen bewohnten Planeten gebe - was eine sehr überhebliche Annahme ist — dann ist der Kosmos voll von Leben"

Doch einen Kontakt zwischen der menschlichen und einer außerirdischen Zivilisation hält er für eher unwahrscheinlich: „Die Entfernungen zwischen den möglicherweise bewohnten Planeten sind einfach zu groß - selbst innerhalb der Milchstraße. Und die anderen Galaxien sind so weit entfernt, daß uns Baum und Zeit für immer trennen."

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