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Notring in Not

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Die ordentliche Generalversammlung des Notringes der wissenschaftlichen Verbände Österreichs brachte gegenüber den früheren etwas Neues. Nicht außergewöhnlich war, daß unter dem Vorsitzenden Universitätsprofessor Dr. B i e b 1 die gut eingespielte ehrenamtliche Leitung wiedergewählt wurde; manche Mitglieder gehören — wie die Professoren Duda, Marinelli und der Verfasser — der Leitung seit der Gründung an. Nicht außergewöhnlich war auch, daß für verschiedene wissenschaftliche Verbände 250.000 Schilling ausgeschüttet wurden, damit sie ihre Forschungsergebnisse veröffentlichen können. Außergewöhnlich aber war die Rechnungslegung. Dabei ergab sich, daß von den im Rechnungsjahr ausgegebenen rund eineinhalb Millionen ein Drittel aus öffentlichen Mitteln stammte, während der Notring das übrige selbst aufzubringen hatte, wobei er durch die Vereinigung österreichischer Industrieller mit 150.000 Schilling unterstützt worden war. Trotz seinen Bemühungen, aus seiner Druck-und Verlagstätigkeit, aus der „Hochschulzeitung“ und besonders aus dem gut eingeführten Jahrbuch sich als echte Selbsthilfeorganisation die noch nötige Million zu beschaffen, schloß die Bilanz diesmal mit einem beachtlichen Defizit.

Der Vorsitzende zog aus dieser Rechnungslegung klare Schlußfolgerungen: Druckunterstützungen an die wissenschaftlichen Verbände, sei es in Form von Geldzuwendungen, sei es durch verbilligte Leistung der eigenen Offsetdruckerei, müssen weiter gegeben werden. Auch muß die Bestimmung bleiben, daß jeder der 160 angeschlossenen Verbände zweimal jährlich auf Kosten des Notringes einen prominenten Gelehrten aus dem Ausland einladen darf, damit ein enger Kontakt gewahrt bleibe; denn Isolierung bedeutet für die Wissenschaft eine besondere Gefahr. Dagegen muß leider die Subventionierung von Forschungen bis auf weiteres eingestellt werden.

Die Versammlung nahm darüber hinaus interessante Ausführungen einzelner Leitungsmitglieder entgegen. Prof. Dr. K i s s e r, der neue Rektor der Hochschule für Bodenkultur, wies nach, daß in den letzten Jahren mehr als 800.000 Schilling an wissenschaftliche Organisationen in den Bundesländern verteilt worden sind, daß aber die vielen Bitten des Notringes um Zuwendungen bei den Landesregierungen kein Gehör fanden: Nur drei dieser Bundesländer haben im gleichen Zeitraum insgesamt 7000 Schilling an den Notring überwiesen. Eine Ausnahme stellt hier das Kulturamt der Stadt Wien dar, das jährlich mehr als eine Viertelmillion (einmal war es sogar eine Drittelmillion) spendet. Trotz ihren entmutigenden Erfahrungen mit den anderen Landesregierungen aber hält die Leitung unbeirrbar daran fest, daß die wissenschaftlichen Bestrebungen in den Bundesländern eine besondere Förderung verdienen.

Prof. DDr. Kerschagl, Rektor der Hochschule für Welthandel, wies darauf hin, daß im Notring nur vereinzelt Spenden einlaufen, während der Stifterverband für die deutsche Wissenschaft, dessen Zielsetzung weitgehend der des Notringes entspricht, für das vergangene Jahr ein Spendenaufkommen von 208 Millionen Schilling aufweisen konnte. Gewiß sind die wirtschaftlichen Möglichkeiten nicht mit denen unseres großen Nachbarn zu vergleichen, aber sicherlich könnten auch wir mit höheren Zuwendungen rechnen, wenn Spenden für die Wissenschaft durch eine entsprechende Ge-

setzgebung voll steuerbegünstigt wären, wie es in anderen Kulturländern längst als selbstverständlich gilt. Der gegenwärtig gültige Erlaß, daß solche Spenden unter vielen Wenn und Aber zu 50 Prozent von der Steuer absetz>bar sind, sofern sie an staatliche Stellen gegeben werden, hat sich als nahezu wirkungslos erwiesen. Wenn nämlich ein Mäzen Geld für die Forschung — und damit für den wirtschaftlichen Fortschritt und die Hebung des allgemeinen Lebensstandards — opfern will, so zeigt er sich einerseits wenig daran interessiert, es dem Staat zuzuwenden, an den er nach seiner Meinung schon genug abführt, und anderseits mag er bei Zuwendungen nicht mit einer hohen Buße als Versteuerung bestraft werden. Professor Kdschagl \ kündete einen neuen Vors-toß'-'in Angelegenheit der1 Spenden für die Forschung, die als Betriebsausgaben zu gelten haben, bei der Regierung an.

Der Generalsekretär entwickelte einen Plan, eine Organisation „Freunde des Notringes“ zu gründen. Gegenwärtig gibt der Österreicher für die angewandte Forschung jährlich 4, der Holländer dagegen 87 Schilling I Es muß darauf hingewirkt werden, daß auch unsere Landsleute endlich einsehen, wie eng ihr künftiges Lebensniveau mit dem Stand der Forschung gekoppelt ist. Der Abstieg hat bei uns schon insofern begonnen, als wir mit dem Aufstieg um uns nicht mehr Schritt halten können. Und dieser Abstand muß sich weiterhin vergrößern. Mit bedeutenden Mitteln werben wir um die „Unterentwickelten“, indes der Aufwand so mancher Regierungsstellen dieser „Unterentwickelten“ selbst uns Leidgewohnten atemberaubend erscheint. Indes geht unsere forschungswillige Jugend ins Ausland, weil sie hier keine Forschungsförderung und keine Forschungsstellen findet, und die von uns zu bezahlenden Patentlizenzen, die früher gegenüber unseren eigenen Patenten kaum ins Gewicht fielen, erfordern heute schon viele Millionen.

Es haben sich genug mahnende und warnende Stimmen erhoben, aber nach wie vor halten Unbelehrbare den Stau der heimkehrenden Sonntagsfahrer vor den Toren der Stadt für ein größeres nationales Unglück als den Stau der Studenten vor hoffnungslos überfüllten Hörsälen und Labors. Das Primat in Österreich muß der Forschung und Lehre gelten; denn nur diese sichern unseren wirtschaftlichen und nationalen Fortbestand. Die dreizehn Jahre, die der Notring besteht, haben den Beweis erbracht, daß die wissenschaftlichen Vereinigungen Österreichs hiermit den rechten Weg der Selbsthilfe eingeschlagen haben; doch für den Erfolg sind auch Verständnis und Hilfe von Seiten der Allgemeinheit unerläßlich.

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