Politik des Anscheins

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Von unserer neuen Bundesregierung war zu hören, dass sie beim heurigen Opernball in ihrer Mehrzahl durch Abwesenheit zu glänzen gedenkt. Die freiheitlichen Mitglieder bleiben dem Ereignis geschlossen fern und ersparen so löblicherweise den ausländischen Gästen die Peinlichkeit, ihnen die Hand geben zu müssen. Der Kanzler, so heißt es, überlegt noch. Weil er nichts tut, ohne an die Wirkung zu denken, darf man annehmen, dass er die möglichen Bilder seiner selbst vor Augen hat und hinund hergerissen ist zwischen zwei Interpretationen: was für ein fescher Kampl er doch ist, so im Frack. Und: wie das ausschaut, ein Bundeskanzler mit dem Champagnerglas in der Hand, der die Notstandshilfe abschaffen will.

Weil Politik heute nicht zum Mindesten die Kontrolle über die Macht der Bilder bedeutet und ein Bild eben mehr sagt als tausend Worte, muss es das richtige Bild sein. Dem Kanzler ist aber offenbar nicht bewusst, dass er gar keine Wahl hat. Es handelt sich ja nicht um irgend ein Gschnas, bei dem ein junger Mann sein Privatvergnügen sucht, sondern um den offiziellen Ball der Republik. Die Regierung ist hier nicht zu Gast, sie ist Gastgeberin, ihr Chef kann sich nicht um Fragen der Optik kümmern, er hat das zu erfüllen, was zu seiner job description gehört: Repräsentationspflichten. Bruno Kreisky hat das gewusst: Er hat Bälle gehasst und in der Oper Jahr für Jahr mit grimmiger Miene seine Regierungslogenpräsenz abgedient. Sein Nachfolger 4.0 muss noch einiges lernen, zur jüngsten Angelobung ist er immerhin nicht wie bei seiner ersten mit offenem Hemd erschienen.

Symbolik stellt sich jedenfalls auch ein, wenn der Kanzler den Ball schwänzen sollte: Die traditionelle Opernball-Demo wird heuer unter dem Motto "Regierung der Reichen" wiederbelebt. Vollends steuerbar ist die Politik des Anscheins zum Glück nicht.

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