Provokante Exzellenz

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Institute für Spitzenforschung sollen Österreichs Image aufpolieren und die Zukunft sichern. Die Zauberformel dafür – eben Exzellenz – klingt einfach, wirft aber viele Fragen auf.

Der Weg zur Elite ist weit. Vor der U4-Endstation Heiligenstadt, am Wiener Stadtrand, riecht es nach billiger Pizza. Von hier fährt der Bus 239 nach Maria Gugging – zum IST Austria. Das Institute of Science and Technology hinter Klosterneuburg soll Österreich einen Platz an der Forschungssonne sichern. Innovation und Technologie sind die Wachstumsmotoren der Zukunft, so der Common Sense. Und Österreich will so etwas wie das MIT nahe Boston oder das Weizmann Institut in Israel. Ein Flaggschiff. Über das Wie herrscht Einigkeit. Doch die Umsetzung wird schwer, und die Wellen in der Forschungslandschaft sind noch lange nicht verebbt. Vom IST-Rummel übertönt, hat sich auch das Forschungszentrum Seibersdorf eine neue Exzellenz-Strategie verpasst.

Harter Wettbewerb um die besten Köpfe

Richtung Gugging geht es vorbei an muffigen Vorstadthäusern und Einzugsstraßen. Fahrzeit aus der Stadtmitte: über eine Stunde. „In the Vienna Woods“, werden Forscher über den Campus informiert. Die Voraussetzungen für den Erfolg wurden geschaffen, betonten Experten bei der Eröffnung Anfang Juni. Das Wichtigste: Die besten Leute holen, das beste Umfeld bieten und sie frei arbeiten lassen. Gute Grundlagenforschung könne Antworten auf Fragen liefern, die man noch nicht einmal formulieren kann. In der Praxis ist Evaluation wichtig. Bis 2016 sollen 40-50 Forschergruppen mit je 10 Leuten tätig sein, in Bereichen mit Zukunft. Welche das sind, richtet sich nach den Köpfen, die man bekommt. Und der Wettbewerb ist hart. Die ersten Professoren sind Computerwissenschafter, Evolutions- und Experimentalbiologen.

Als wichtig für den Erfolg gelten auch Synergien mit den Universitäten. Solange das IST noch wenig Professoren hat, will es etwa bei der Doktorandenausbildung mit den Unis kooperieren, die das Projekt konstruktiv, aber mit Vorbehalten sehen. Was in Gugging passiert, sagt Peter Skalicky, Rektor der TU-Wien, seien „alles Dinge, die bestehende Einrichtungen auch leisten können. Wir sehen das mit wohlwollendem Argwohn“. In Zeiten, wo Forschungsbudgets knapper werden, gibt es Sorgenfalten.

Noch Anfang des Jahres gab es einen Aufschrei gegen geplante massive Kürzungen beim Forschungsfonds FWF, der Projektgelder vergibt. „Jetzt hat sich die Lage entspannt“, sagt Jürgen Sandkühler, Leiter des Center for Brain Research an der Medizinischen Universität Wien, der einen Protestbrief verfasst hatte. Am Ende bekam der FWF ein Neuvergabevolumen von 145 Millionen Euro für 2009 – etwa der Durchschnittswert der letzten fünf Jahre. Durch den steigenden Wettbewerb um Projektgelder warnt Sandkühler aber vor einem Absacken der Förderquote: „Wenn das passiert, wäre es für Österreich kein Vorteil.“ Vergangenes Jahr wurden von allen eingereichten Einzelprojekten fast 39 Prozent bewilligt. 2009 werden es etwa 33 Prozent sein. „Ein Absinken unter 30 Prozent wäre sehr hart“, sagt FWF-Sprecher Stefan Bernhardt, meint aber: „Wir hoffen, dass dieses Szenario nicht eintritt.“

Dass der Wettbewerb um Drittmittel durch das IST härter wird, ergibt sich schon aus dessen Budgetkonstruktion. Für den Betrieb von 2006-2016 zahlt der Bund 290 Millionen Euro. Ein Drittel davon aber erst, wenn das IST Drittmittel in derselben Höhe auftreiben kann; eingeworbene Forschungsgelder werden also verdoppelt. Darin sieht Molekularbiologin Renée Schroeder von der Universität Wien eine Bevorzugung gegenüber den Unis. Heuer wurde die im vergangenen Jahr eingeführte Zahlung von „Overheadkosten“ über den FWF – jeweils 20 Prozent einer bewilligten Summe für indirekte Projektkosten – nämlich wieder gestrichen. Bekommt das IST versteckte Overheadkosten? „Nicht einmal versteckt“, sagt Schroeder: „Wie soll man das sonst bezeichnen, als Erfolgsprämie? Wenn dem IST das Geld reingesteckt wird, werden sie nicht erfolgreich sein.“ Für einen Erfolg dürften kaum Fehler gemacht werden: „Die Standortwahl war die erste Fehlentscheidung, die das Unterfangen schon schwieriger macht.“

Trennung von Exzellenz und Lehre?

Eines, warnt Schroeder, dürfe das IST auf keinen Fall werden: ein zweites, „invisibles“ Seibersdorf. Lange stand Österreichs größtes Zentrum für Auftragsforschung, das dem Verkehrsministerium und der Industriellenvereinigung gehört, eher für Postenschacher als Spitzenforschung. Der Bund zahlt 40 Prozent des Budgets – heuer 48 Millionen Euro. Jetzt will Aufsichtsratspräsident Hannes Androsch nicht weniger als mit neuer Exzellenz in die Champions League. Schlankere Strukturen und der neue wissenschaftliche Geschäftsführer Wolfgang Knoll sollen es richten. Man will weg vom breiten Spektrum, hin zu speziellen Zukunftsthemen. Mit dem „Austrian Institute of Technology“, kurz AIT, wie Seibersdorf ab sofort heißt, will das IST jedenfalls nicht im selben Atemzug genannt werden. Da ist Pressesprecher Oliver Lehmann resolut.

Schroeders Arbeitsplatz, das zentral gelegene Vienna Biocenter in St. Marx, gilt als Musterbeispiel eines Exzellenzclusters. Rund um das 1988 gegründete, von Boehringer Ingelheim finanzierte Institut für Molekulare Pathologie (IMP) siedelten sich Institute mehrerer Universitäten, der Akademie der Wissenschaften und Biotech-Firmen an. IMP-Chef Barry Dickson hält das IST-Budget – rund 40 Millionen Euro pro Jahr – für „angemessen“.

Pro Jahr und Forscher sei mit 100.000 Euro zu rechnen. Das Gesamtbudget des IMP, wo mit über 200 Leuten rund die Hälfte an Forschern arbeitet, als für den Vollbetrieb in Gugging vorgesehen, beträgt 28,3 Millionen im laufenden Jahr.

Derweil fehlt das Geld zur Förderung von Forschungspotenzialen an den Unis. Ein fertiger Plan dazu hat die Schublade des FWF nie verlassen. „Daraus sieht man schon, dass unsere Sorgen berechtigt waren“, sagt Christoph Badelt, WU-Rektor und Vorsitzender der Universitätenkonferenz. „Im jüngsten Entwurf des Universitätsgesetzes hat man den Universitäten hinsichtlich der Lehre eine ganze Reihe von Dingen ins Stammbuch geschrieben, aber nichts zur Forschung. In der Alltagsarbeit der Budgetknappheiten zieht die Forschung sehr oft den Kürzeren.“ Auch die Masse an Studierenden würde für Druck sorgen. Gerade ist in Salzburg ein Ansturm deutscher Studenten auf die Kommunikationswissenschaften ausgebrochen.

Gesamt gesehen stellt sich die Frage, wo es mit den Hochschulen eigentlich hingehen soll. Erst kürzlich warf der Forschungsrat, ein Beratungsgremium der Regierung, der Politik Konzeptlosigkeit vor. Mehr Wettbewerb und Schwerpunktbildung heißt es zwar. Aber was darf’s sein? Exzellenz an wenigen Standorten, die Lehre besorgen die Unis? „Ich fürchte, dass es so wird“, sagt Schroeder. Badelt glaubt das nicht, sieht aber eine stärkere Ausdifferenzierung kommen: „Insofern, als nicht überall in derselben Breite Bachelor-, Master- und Doktorratsstudien weitergeführt werden. Aber über all dem liegt die Budgetknappheit. Ich sehe das als grundsätzliche Verteilungsfrage.“ Erhard Busek, Ex-Vizekanzler (ÖVP) und Rektor der Fachhochschule Salzburg, sieht das IST als positive Provokation: „Es wird lange dauern, bis wir hier zufriedenstellende Ergebnisse erzielen. Ich bin aber froh, dass so etwas passiert. In Österreich gibt es oft den Ansatz, dass alle gleich sind. Das ist ein falscher Ansatz.“

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