6706156-1963_51_27.jpg
Digital In Arbeit

Realistisches Investitionsprogramm

Werbung
Werbung
Werbung

Die derzeit aktuellen Überlegungen zu einem neuen Investitionsprogramm des Bundes stehen mit dem Komplex der Kapitalmarktgesetze in einem sehr engen Zusammenhang. An sich ist es richtig, daß auch die Investitionen des Bundes auf einige Jahre im voraus überdacht werden. Dennoch ist gerade dieses Kapitel äußerst heikel, weil die Gefahr von Wunschträumen offensichtlich nicht leicht gebannt werden kann. Schon einmal hat der Bund ein langfristiges Investitionsprogramm durchgeführt, nämlich auf Grund eines Beschlusses der Bundesregierung vom Mai 1954 bis in das heurige Jahr. Zehn Milliarden Schilling sollten im Laufe dieses Zeitraumes für die Bundesbahnen, die Post- und Telegraphenverwaltung und die Autobahnen aufgewendet werden. Nur zu bald war das Programm aber durch Verzögerungen, Kostensteigerungen und Umplanungen überholt, so daß schließlich nicht zehn, sondern 15 Milliarden Schilling aufgewendet wurden, wovon allein auf die Jahre 1962 und 1963 jeweils mehr als zwei Milliarden Schilling entfielen. Der Beschluß des Ministerrates vom 22. Oktober 1963 sieht nun ein neues Investitionsprogramm vor, ohne daß jedoch über seine Dauer, das Ausmaß und den Einsatzbereich schon abschließende Entscheidungen getroffen

wurden. Gewiß ist es bei manchen längerfristigen Investitionen schon aus technischen und ökonomischen Gründen notwendig, sie bis zu ihrem Abschluß möglichst gleichmäßig durchzuführen, weil andernfalls wesentliche Mehrkosten unvermeidlich sind. So sind z. B. alle Versuche, den Autobahnbau in eine antizyklische Budgetpolitik einzugliedern, zum Scheitern verurteilt, weil eine vorübergehende Einstellung oder Drosselung der Bauten einen zusätzlichen Aufwand bedeuten und überdies den Unternehmungen die Amortisation ihrer Investitionen beträchtlich erschweren würde.

Entscheidend ist jedoch bei jedem Investitionsprogramm des Staates die Abstimmung auf die jeweiligen budgetären Möglichkeiten. Gerade hier zeigt es sich, wie dringend notwendig es ist, die Probleme in ihrem ganzen Umfang und in ihrer vielschichtigen Verflechtung zu sehen. Es ist nicht damit getan, ein langfristiges Investitionsprogramm zu propagieren, wenn die Grundlagen hierfür in jeder Hinsicht fehlen. Zunächst schließt die zunehmende Eingliederung Österreichs in einen größeren europäischen Wirtschaftsraum recht erhebliche Unsicherheitsfaktoren in sich. Solange es nicht zu einer sehr starken Zunahme des Wirtschaftswachstums kommt, wofür derzeit trotz der Überwindung des Tief-

punktes im Jahre 1962 noch keine Anzeichen bestehen, wäre schon zur Finanzierung von Investitionen im bisherigen Ausmaß ein nicht von vornherein unbedenkliches Budgetdefizit in Kauf zu nehmen. Abgesehen davon, daß auch der möglichen Verschuldung des Bundes Grenzen gesetzt sind, ist es eine unumstößliche Tatsache, daß der Kapitalmarkt genügend leistungsfähig gemacht werden muß, um

den zunehmenden Kreditbedarf der Wirtschaft und des Bundes befriedigen zu können. Investitionsprogramm und Kapitalmarktgesetze werden daher gemeinsam zu behandeln sein.

Die Expansion des österreichischen Kapitalmarktes kann aber nicht allein von der Verabschiedung der Kapitalmarktgesetze erwartet werden. Wichtigste Voraussetzung für eine größere Bereitschaft der Sparer zur langfristigen Bindung von Kapital ist zweifellos das Vertrauen in die Währung und in stabile Verhältnisse überhaupt. Mehr denn je sollte die Aufgabe, zu dieser Voraussetzung beizutragen, von der Allgemeinheit erkannt werden. Es handelt sich geradezu um eine nationale Pflicht, welche die Unternehmer und Arbeitnehmer, Konsumenten, Verbände und nicht zuletzt den Staat in gleicher Weise angeht.

Eine weitere Voraussetzung für die Bildung langfristigen Kapitals besteht darin, daß die Erwerbstätigen wie bisher genügend große Einkommen beziehen, um einen ins Gewicht fallenden Akt des Konsumverzichtes setzen zu können. Allerdings ist es mit der bloßen Möglichkeit zum Konsumverzicht nicht getan; es muß auch die geistige Bereitschaft hierfür vorhanden sein. Mehr als bisher sollten sich daher weite Kreise klar werden, daß man nicht nur konsumieren darf, sondern auch langfristig sparen muß, wenn für künftige Zeiten Arbeit und Wohlstand gesichert sein sollen. Insbesondere der Gedanke einer die Sozialversicherung ergänzenden Privatvorsorge müßte in breiten Schichten der österreichischen Bevölkerung viel mehr Fuß fassen.

Haushaltsrecht und Finanzausgleich

Eine schwerwiegende Aufgabe erwächst dem Bundesverfassungsgesetzgeber im kom-

menden Jahr in der definitiven Neugestaltung des Bundeshaushaltsrechtes. Bekanntlich wurde diese Materie im April d. J. für den Zeitraum bis Ende 1964 provisorisch geregelt, nachdem ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes wesentliche Grundlagen des bisherigen Haushaltsrechtes aufgehoben hatte. Zweifellos wird bei der abschließenden Neuregelung der Materie von der Budgethoheit des Nationalrates auszugehen sein. Es läge durchaus im allgemeinen Interesse, wenn die gesetzgebende Körperschaft in stärkerem Maße an diesem wesentlichen parlamentarischen Recht festhielte, und zwar auch bei der Behandlung von Gesetzentwürfen, die eine dauernde Mehrbelastung des Bundes bedeuten würden. Anderseits sollte man sich davor hüten, das Kind mit dem Bade auszugießen. Der Vollziehung wäre jener Spielraum einzuräumen, der notwendig ist, um dringliche Maßnahmen etwa auf dem Gebiete der Exportförderung unverzüglich treffen zu können. Auch sollte der Hauptausschuß von Bagatellfällen entlastet werden.

Im übrigen wird die Diskussion über ein längerfristiges Budgetkonzept und ein neues Investitionsprogramm die haushaltsrechtlichen Aspekte zu berücksichtigen haben. Es ist nicht gut möglich, einerseits auf eine Beschränkung der Befugnisse des Finanzministers zu dringen, zur gleichen Zeit jedoch eine Neuorientierung der Budgetpolitik zu verlangen, die ihrem Wesen nach eine größere Elastizität in der Handhabung des jeweiligen Budgets erfordern würde.

Auch der Finanzausgleich bedarf im kommenden Jahr einer Neuregelung, da das Ende 1963 auslaufende Finanzausgleichsgesetz 1959 nur um ein Jahr verlängert wurde. Obwohl die Länder und Gemeinden mit dem Gesetz im allgemeinen nicht unzufrieden sind, liegen dennoch manche Abänderungswünsche vor. Auch das Finanzministerium hat eine Reihe von Vorschlägen ausgearbeitet, die vor allem einen ersten Schritt zur Stärkung der Steuerhoheit der Länder vorsehen. Die Gemeinden verlangen einen größeren Anteil an den Steuereinnahmen, um bestimmte Aufgaben auf dem Gebiete des Straßenbaues, der Schulen und des Krankenanstaltenwesens besser erfüllen zu können. Eine Verschiebung in den Anteilen am gesamten Steueraufkommen wird wohl nur Zug um Zug mit einer entsprechenden Änderung der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern möglich sein. Hier stehen die konkreten Vorschläge der Länder für eine Übernahme von Bundeskompetenzen seit dem vergangenen Frühjahr zur Diskussion. Man sollte die Beratungen über diese gewiß nicht leichte Materie intensivieren.

Große Arbeit auf dem Gebiet der Finanzpolitik liegt für das kommende Jahr vor uns.1 Die vorstehenden Ausführungen konnten sie keineswegs erschöpfend umschreiben. Auch Probleme, wie etwa die Umsatzsteuer, deren wettbewerbsverzerrende Effekte immer mehr zu einer Kardinalfrage der Mittelstandspolitik werden oder die Vereinfachung der Lohnverrechnung drängen nach einer Lösung. Es wird ein gutes Maß an nüchterner Sachlichkeit brauchen, um den verschiedenen Aufgaben der österreichischen Finanzpolitik im Interesse des gesamten Volkes gerecht zu werden.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung