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Rennen, Railies und „Runs“

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Die Zeit der Rallies ist angebrochen; in Kreisen, die am Autosport, ja am Auto überhaupt, interessiert sind, hört man viel von Wertungsfahrten und Sonderprüfungen, von Goldmedaillen und Klassensiegen. Für den, der die Entwicklung der letzten Jahre nicht genau mitverfolgt hat, mag es verwirrend sein, man kommt nicht immer mit, verwechselt Autorennen mit Zuverlässigkeitsfahrten, wirft womöglich alles in einen Topf und ist leicht geneigt, automobilistische Wettbewerbe in Bausch und Bogen zu verdammen, vor allem deshalb, weil es immer wieder einmal vorkommt, daß auch Unglücksfälle passieren. Zur Klärung der Begriffe müßte ein Kolleg über die verschiedenen Kategorien des Autosports abgehalten werden. Um allein die richtigen Rennen und die sogenannten „Formelrennen“ genau zu erklären, wäre der Umfang eines Handbuches nötig. So sei bloß auf die wesentlichen Unterschiede hingewiesen und ein wenig die Geschichte herangezogen.

Im Anfang, also vor rund 70 Jahren, begannen die ersten autosportlichen Wettbewerbe. Eine Zeitung war übrigens der Initiator des ersten Autorennens der Welt in Frankreich. Damals war die Geschwindigkeit das einzige Kriterium solcher Veranstaltungen. Wer mit den neuen pferdelosen Wagen vom Punkt A am schnellsten zum Punkt B gelangte, war Sieger. Von einer Kategorieneinteilung, von Gewichtsbeschränkungen usw. war noch keine Rede, ja es kämpften sogar Fahrzeuge mit grundsätzlich verschiedenen Antrieben (Elektrizität, Dampf und der damals neue Treibstoff Benzin) gegeneinander.

Diese ersten Rennen befruchteten unmittelbar den Autobau. Die Erfahrungen, die man bei diesen Konkurrenzen sammelte, waren von entscheidendem Wert, der Rennwagen von heute war damals der Gebrauchswagen von morgen. Bald hatten die Autoklubs der verschiedenen Länder erkannt, daß man die Rennen in geregelte Bahnen lenken müsse, wenn ein technischer Fortschritt erzielt werden sollte, man sti-pulierte für alle Teilnehmer verbindliche „Formeln“, die nichts anderes als eine bestimmte Aufgabenstellung für die Konstrukteure sind. Die reinste Form dieser Art von Wettbewerben wurde in den „Grand-Prix“-Konkurrenzen erreicht, von denen manche Fachleute heute behaupten, sie seien überlebt, sie könnten den Autobau nicht mehr befruchten, man könne zu den gleichen Erkenntnissen besser und gefahrloser im Laboratorium gelangen. Andere Fachleute sind nicht dieser Ansicht, aber diese Frage soll hier gar nicht diskutiert werden.

Neben Autorennen im eigentlichen Sinne des Wortes, hatten sich schon frühzeitig andere Arten von Wettbewerben im Automobilsport entwickelt. Man hatte bald erkannt, daß auch die Zuverlässigkeit, das Durchstehvermögen, die Bergsteigfähigkeit für ein Kraftfahrzeug von Bedeutung sind, und so wurden Zuverlässigkeitsfahrten organisiert, welche neben der Geschwindigkeit auch diese Eigenschaften der Fahrzeuge unter Beweis stellen sollten. (Die Alpenfahrten, die Rally Monte Carlo sind Beispiele für solche Wettbewerbe, die übrigens über eine jahrzehntelange Tradition verfügen und sich bis heute gehalten haben.)

Die Railies unterscheiden sich vor allem dadurch von den Rennen, daß sie sich auf unab-gesperrten Straßen, während des Alltagsve.r-kehrs, abspielen. Im wesentlichen beruhen sie auf der Einhaltung einer bestimmten Durchschnittsgeschwindigkeit. Diese darf mit Rücksicht auf den übrigen Verkehr nicht zu hoch angesetzt werden. Es sind meist 45 bis 55 km pro Stunde vorgeschrieben, das hängt von der Größe der Fahrzeuge, von der Jahres- und Tageszeit und den geographischen Verhältnissen ab. Eine der wichtigsten Bestimmungen bei dieser Art von Wettbewerben ist die strikte Einhaltung der Straßenverkehrsordnung. Nichtbe-folgung dieser Vorschrift hat den Ausschluß des betreffenden Fahrers zur Folge. Tatsächlich gehören Exzesse und Unfälle bei solchen Anlässen zu den Ausnahmen. Aber so ein Wettbewerb mit der bloßen Bestimmung, gewisse Zeiten einzuhalten, wäre für alle Beteiligten kein Anreiz, und so baut man Sonderprüfungen, wie Bergrennen, Slaloms, Brems- und Beschleunigungsprüfungen, ein, auch echte Geschwindigkeitswettbewerbe, die sich dann allerdings alle auf abgesperrten Straßen oder auf Flugplätzen oder Autodroms abspielen. In diesen Sonderwertungen fallen die Entscheidungen, werden die Sieger in den verschiedenen Kategorien und Klassen ermittelt. Nach bestimmten Regeln kann eventuell auch ein Gesamtsieger festgestellt werden.

Manche dieser Veranstaltungen werden von den Automobilklubs der verschiedenen Länder auf nationaler oder internationaler Basis, andere

wieder von Firmen, die am Autowesen und dessen Entfaltung interessiert sind, veranstaltet. Als Beispiel in Österreich seien die Alpenfahrten des „Österreichischen Automobil-, Motorrad- und TouTing-Klubs“ und die verschiedenen Rallies angeführt, die von unserer größten Reifenfirma, Semperit, oder von der Mineralöl-Gesellschaft Martha (sie vertreibt in Österreich

die ARAL-Produkte) gefördert werden, und zwar meist in Zusammenarbeit mit anderen Zubehörfirmen, immer aber unter der Patronanz des Autoklubs und der Behörden. Die Sportvereinigungen der Exekutive pflegen sich in vorbildlicher Weise einzuschalten. Die Martha hat übrigens kürzlich eine eigene Zuverlässigkeitsfahrt für die Motorjournalisten veranstaltet, die ein großer Erfolg war und die bewies, daß die Autoexperten der Zeitungen und auch einige freie Motorjournalisten ganz ausgezeichnete Sportler sind.

Eine besondere Art dieser motorsportlichen Konkurrenzen sind die Sparsamkeitswettbewerbe, die im Ausland seit Jahrzehnten gang und gäbe, bei uns erst seit vier Jahren bekannt sind und deren größter und wichtigster, der Mobil-Economy-Run, organisiert von der Mobil Oil Austria und dem ÖAMTC, ist. Es scheint paradox zu sein, daß ein Mineralölunternehmen, das doch am Verkauf seiner Produkte interessiert ist, die Sparsamkeit propagiert. Leitende Funktionäre jedoch erklären, man verfolge mit dem Economy-Run einen höheren Zweck, indem man den Motorsport mit neuen Ideen befruchtet und indem man einen Beitrag zur Verkehrssicherheit leistet. Die bisherigen Erfolge gerade dieser Veranstaltung geben den Iinitiatoren recht.

Sparen — mit Vernunft

Gegen Sparsamkeitswettbewerbe erheben sich immer wieder Stimmen, die behaupten, es handle sich dabei um eine reine Reklame für die

veranstaltende Firma, das Ganze habe mit Sport wenig zu tun und die Ergebnisse seien wertlos, weil kein normaler Fahrer jeweils auf so niedrige Verbrauchsziffern kommen könne wie ein paar Spezialisten. Dieser Ansicht kann man nur entgegenhalten, daß auch ein Verbrauchswettbewerb eine sportliche Leistung ist, denn es kommt hier ebenfalls auf die Konzentration des einzelnen, auf die Geschicklichkeit, auf das Durchstehvermögen geradeso wie bei einer anderen Rallye an.

Der Autosport macht bekanntlich ohnedies eine Krise durch, und so kann man jenen Institutionen nur dankbar sein, die ihm mit neuen Ideen zu Hilfe kommen. Was schließlich den praktischen Wert anbelangt: er ist technischer und erzieherischer Natur. Man soll die Grenzen seines Fahrzeuges kennen, nicht nur in bezug auf Schnelligkeit und Straßenlage, sondern auch hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit. Man soll wissen, wie man Treibstoffkosten einsparen und wie weit man dabei gehen kann. Um wirtschaftlich zu fahren, muß man beherrscht, dis-

zipliniert und vorausblickend sein. Diese Komponenten tragen wesentlich dazu bei, die Gefahren der Straße zu verringern, und so dient ein Verbranchswettbewerb schließlich auch der Verkehrssicherheit.

Vielleicht sind diese Konkurrenzen, die seit Jahrzehnten in der westlichen Welt gefahren werden, manchmal auch deshalb in Verruf gera-

ten, weil es unter ihnen solche gab, in denen „alles erlaubt“ war, um nur möglichst wenig Benzin zu verbrauchen. Man fuhr mit ausgeschaltetem Motor bergab, kuppelte wo immer e ging aus, nützte alle Bodenwellen des Geländes, fuhr im Windschatten anderer Fahrzeuge usw. Man kam dabei auf geradezu unwahrscheinliche Werte, weit unter zehn Liter pro hundert Kilometer, für große Amerikaner, aber diese Fahrweise wurde mit Recht als unrealistisch bezeichnet. Bei einem richtig durchgeführten Verbrauchswettbewerb sind solche Tricks verboten, neutrale Beobachter, die dem Fahrer beigegeben werden, überwachen streng nicht nur diese Verbote, sondern auch die strikte Einhaltung der Verkehrsregeln, und somit nähert man sich bei so durchgeführten Konkurrenzen bereits stark der Wirklichkeit. Aber immer noch steht das Argument entgegen, man könne im Sinne der Ausschreibungen ganz legal den Verbrauch eines Motors sehr herabdrücken, dann aber sei eben die Leistung entsprechend gering, und wieder entspreche dies nicht dem normalen Betrieb.

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