Stehaufmännchen - © Foto: iSotck/dalattraveler

Resilienz: Das Zauberwort

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Das heutige Lebensgefühl ist geprägt von multiplen Krisenszenarien. Forschung zur Resilienz soll das Geheimnis der Widerstandskraft entschlüsseln.

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Das heutige Lebensgefühl ist geprägt von multiplen Krisenszenarien. Forschung zur Resilienz soll das Geheimnis der Widerstandskraft entschlüsseln.

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Die Selbsthilferatgeber in den Buchhandlungen sind voll davon, kaum ein aktuelles Dokument der EU – Reden der Kommissionspräsidentin ebenso wie der neue europäische Aufbauplan – kommen ohne den Begriff aus: „Resilienz“ ist zu einem Ideal der späten Moderne avanciert. Den resilienten Menschen bringt anscheinend nichts aus der Fassung. In einer Welt, die gefühlt von einer Krise in die nächste stolpert – Sozialwissenschaftler sprechen von „multiplen“ oder „Vielfachkrisen“ – meistert er jede Notlage bravourös. Weil er sich anpassen kann, weil er widerstandsfähig ist. Mit Resilienz, so lautet das Versprechen, lässt sich das Leben kontrollieren, und mit dem entsprechenden Ratgeber lässt sich diese leicht erlernen.

Tatsächlich ist die Lage etwas komplizierter. „Es gibt eine gewisse Grundneigung in Sachen Resilienz“, sagt Anneliese Aschauer. „Schon im Kindesalter sind manche Menschen robuster und stecken Kränkungen leichter weg als andere.“ Die klinische Psychologin beschäftigt sich seit 15 Jahren mit dem Thema. Derzeit führt sie mit ihrem Kollegen Peter Hofer am Linzer Institut für Gesundheit und Entwicklung für Menschen und Organisationen (IGEMO) eine Studie zu Resilienz und Befinden in der Coronakrise durch. „Wir haben schnell gesehen, dass sich hier eine einzigartige Gelegenheit bietet, wichtige Daten zu erheben“, erzählt Aschauer.

Psychologie: Fokus auf das Machbare

Aus psychologischer Sicht bezeichnet Resilienz nicht nur die Fähigkeit, alltäglichen Stress zu bewältigen. Sie ist auch in Zeiten von Krisen notwendig, um mit der zusätzlichen psychischen Belastung umzugehen. „Eine Krise ist immer eine neue Situation, die wir uns nicht aussuchen, für die wir nicht wirklich planen können“, so Aschauer. Ihre Studie erfolgt in drei Erhebungen und dauert bis Ende des Jahres; die erste Phase wurde soeben abgeschlossen. Per Online-Fragebogen geben Teilnehmer Auskunft darüber, wie sie sich während der Coronakrise fühlen und wie sich ihre allgemeine, private und berufliche Situation auf ihre Gefühlslage auswirkt. Denn obwohl Resilienz teils von der Persönlichkeit abhängt, spielt auch das Umfeld eine entscheidende Rolle für unser Wohlbefinden in belastenden Lebenslagen. So verdeutlicht die Coronakrise beispielsweise, wie wichtig der persönliche Austausch mit Vertrauenspersonen ist. Dass dieser in der sozialen Isolation unmöglich war, dürfte viele hart getroffen haben. „Gerade Jugendliche leiden oft darunter, denn es fällt ihnen schwer, mit ihren Eltern über gewisse Dinge zu sprechen“, sagt Aschauer.

Dass die Coronakrise so plötzlich eingetreten ist, dürfte diesen Effekt noch verstärkt haben. „Die Ausgangsbeschränkungen setzten weitgehend unvermittelt ein“, so die Psychologin. „Die veränderte Arbeitssituation belastet viele weiterhin.“ Aschauer rät dazu, sich auf das Machbare zu konzentrieren: „Sich Bereiche zu suchen, die für einen persönlich beeinflussbar sind, kann helfen, wieder Fuß zu fassen. Das löst zwar das größere Problem nicht, gibt einem aber persönlich ein Stück weit
Sicherheit zurück.“

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