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Rückgang des Universitätsstudiums

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Ein Schaubild vgl. Nr. 1 auf Seite 3 soll im Verein mit einer Tabelle die Größenverhältnisse der einzelnen Hochschulen illustrieren und zugleich die Unterschiede bezüglich der Frauenanteile veranschaulichen.

In den sieben ersten genannten Hochschulen sind 87 Prozent der Studierenden vereinigt. Mehr als die Hälfte aller Hochschüler studiert an Universitäten, ungefähr ein’ Fünftel an Technischen Hochschulen, nicht ganz zehn Prozent an Kunsthochschulen, der Rest entfällt auf die übrigen wissenschaftlichen Hochschulen, von welchen die zahlenmäßig bedeutendste die Hochschule für Welthandel ist. — Der Anteil der Universitäten war früher noch größer und betrug z. B. 193738 mehr als drei Viertel der Gesamtzahl. Seitdem hat das Studium der Künste und vor allem dÄs der Technik stark zugenommen und damit ist zugleich das Studium an den Universitäten zurückgegangen.

Das Studium von Frauen ist im wesentlichen erst eine Erscheinung des 20. Jahrhunderts. Zunächst erfuhr es eine enorme Entwicklung bis zu Beginn der dreißiger Jahre, wonach jedoch eine Stagnation eintrat und mit Ausnahme der Rekordzahlen der Kriegsjahre 194243 und 194344 und der Nachkriegsjahre im Rahmen der allgemein hohen Frequenz dieser Jahre hat es keine weitere Steigerung erfahren. Im Wintersemester 195354 war jeder fünfte Studierende eine Frau. Die weiblichen Studierenden sind jedoch — wie aus Tabelle und Schaubild 1 hervorgeht — an den einzelnen Hochschulen sehr verschieden stark vertreten. Der größte Frauenanteil findet sich an den Kun s t h ochschu len.

Wie der Verlauf der Kurven im Schaubild 2 zeigt, ist die Entwicklung der Haunt- studienrichtungen nur im großen gesehen gleichsinnig verlaufen, und zwar insofern, als der Rückgang der Besucherzahlen während des Krieges und der Anstieg in der Folge wohl bei sämtlichen Studienrichtungen zu beobachten ist; die Intensität der Veränderungen war jedoch sehr verschieden.

Aus der Darstellung gehen deutlich die Studienbeschränkungen während des Krieges hervor, welchen die Mediziner in viel schwächerem Ausmaß unterworfen waren, so daß in dieser Zeit das Studium der Mediziner das meistfrequentierte war. Das Studium der Rechts- und Staatswissenschaften hat nach einem starken Rückgang einen solchen Aufschwung genommen, daß es gegenüber dem Ausgangspunkt eine Erhöhung erfahren hat. Das Theologiestudium nimmt insoferne eine Sonderstellung ein, als nach der starken Einschränkung während des Krieges trotz des anhaltenden Anstiegs in der Nachkriegszeit der Stand der dreißiger Jahre noch nicht erreicht wurde. Die gegenteilige Tendenz zeigt das Studium der Künste, bei dem der unvermittelte Anstieg während des Krieges jedoch darauf zurückzuführen ist, daß die 1931 aufgelassene Fachhochschule r’ir Musik und darstellende Kunst. 194142 als Reichsbochschule für Musik und darstellende Kunst neukonstituiert wurde.

Die meistfrequentierten Studienrichtungen, die in der ersten Hälfte der dreißiger Jahre in der Reihenfolge Philosophie, Medizin, Rechts- und Staats Wissenschaften. Technik rangierten, nehmen jetzt die Reihenfolge Philosophie, Technik. Rechts- und Staatswissenschaften und Medizin ein. wobei der Rückgang des Philosophie- und Medizinstudiums in den letzten Jahren besonders große Ausmaße angenommen hat, so daß schon für die nächsten Jahre wieder’ eine Umreihung zugunsten der Technik und der Rechts- und Staatswissenschaften Zu erwarten ist.

Für diese Vermutung sprechen, auch die für die Frstseme’trigen festgestellten Frequenzen; bei den Studienanfängern stehen die Rechtsund Staatswissenschafter an erster Stelle. Baben also die Philosophen aus ihrer führenden Rolle verdrängt. Die Mediziner sind unter ihnen sogar auf den fünften Platz verwiesen.

Die hohe Zahl der Studierenden des Welthandels während des Krieges ist auf die starke Beteiligung der Ausländer zurückzuführen, die zeitweise die Inländer an dieser Hochschule zahlenmäßig übertrafen.

Die ‘Zahl der studierenden Ausländer darunter sind alle Studierenden zu verstehen, welche nicht, die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, also auch Staatenlose und Studierende mit ungeklärter Staatsbürgerschaft an österreichischen Hochschulen betrug im Wintersemester 195354 über 3000 16 Prozent aller Studierenden. Das absolute Maximum mit rund 7700 Ausländern wurde im Studiensemester 192324 erreicht.

Die Zahl der ausländischen Studierenden ist an den einzelnen Hochschulen außerordentlich verschieden groß.

Die größtqZahl, auch in bezug auf ihre Ge- sämtfrequenz, weist, dank ihrer Lage, die Universität Innsbruck auf.

Der Großteil der Ausländer ist in europäischen Staaten beheimatet, nur ein Siebentel der Gesamtzahl stammt aus dem außereuropäischen Ausland. Die Kreisdarstellung zeigt innerhalb der Erdteile die am häufigsten vertretenen Staaten. Ein Charakteristikum unserer Zeit ist der hohe Anteil der Staatenlosen und der Personen mit ungeklärter Staatsbürgerschaft. Hierzu: Schaubild 3.

Von den nach Abzug der Ausländer verbleibenden 16.782 Studierenden österreichischer Staatsbürgerschaft sind 1271 als außerordentliche und 511 als Gasthörer inskribiert. Da jedoch nur ordentliche Hörer berechtigt sind, ein ordnungsgemäßes Studium zu absolvieren und die erforderlichen Abschlußprüfungen abzulegen, wendet sich diesen unser Hauptinteresse zu.

Gegenstand der folgenden Betrachtungen sind also die genau 15.000 zählenden ordentlichen Hörer österreichischer Staatsbürgerschaft, unter ihnen 3144, das ist etwas mehr als ein Fünftel, Frauen. Die strukturelle Beschaffenheit dieser Gruppe, bezüglich Semestervertei- lung, Altersaufbau, sozialer Gliederung usw. ist vor allem auch im Hinblick auf die Frage der Eingliederung der Akademiker in den Wirtschaftsprozeß von Bedeutung.

Von der Stärke der Besetzung der Semester zum Beispiel hängt die Abgangsordnung der Absolventen der Hochschulen ab. Die Abgänge während des Studiums Aufgabe des Studiums aus finanziellen Gründen, nach nicht bestandenen Vorprüfungen, wegen Verheiratung und so weiter müßten im Verein mit der Tatsache, daß für manche Studienrichtungen weniger als acht Semester benötigt werden, zu einer wachsenden Abnahme der Zahl der Studierenden mit der Höhe der Semester führen. Dem entsprechen jedoch die Tatsachen nicht. — Beseitigt man zunächst die Unregelmäßigkeit in der Semesterverteilung, die dadurch entsteht, daß die Mehrzahl der Neueintritte jeweils im Herbst erfolgt und daher immer auf ein stark besetztes ein sehr schwach besetztes Semester folgt, indem man jeweils zwei Semester zu- sammenfaßt, so zeigt sich, daß die Abnahme nur sehr gering ist. Vgl. Schaubild 4.

Fast die Hälfte der’ Studierenden gehört einem höheren als dem 5. Semester an. Teilt man die Studierenden in zwei Teile, indem man den Trennungsstrich schon nach dem 4. Semester zieht — unter der Voraussetzung, daß die Zahl der Studierenden von zehn Semester beanspruchenden Fachrichtungen annähernd kompensiert wird durch jene, denen weniger als acht Semester vorgeschrieben sind z. B. Pharmazeuten, Diplomkaufleute, Diplomdolmetscher und Uebersetzer usw. —, so entfällt weit mehr als die Hälfte der Studierenden auf die „älteren Semester"; das „Studienalter" ist also durchschnittlich sehr hoch und die „Produktion" von Akademikern wird nach zwei bis drei Jahren erheblich zurückgehen.

Nicht zutreffend sind diese Feststellungen für die Hochschule für Welthandel, an der fast ein Drittel der Hörer dem 1. Semester angeboren von den weiblichen Studierenden sogar über ein Drittel. An der Tierärztlichen Hochschule sind dagegen nur 10 Prozent der österreichischen Hörer im 1. Semester und fast die Hälfte 46 Prozent im 9. oder einem höheren Semester. Von den Universitäten, an welchen im Durchschnitt ein Fünftel der Hörer Studienanfänger waren, weist die Theologische Fakultät Salzburg die höchsten Anteile für die höheren Semester auf; an ihr waren z. B. im T. Semester eineinhalbmal soviel Studierende als im 1. Semester. .Auch an der Technischen Hochschule Graz ist die Zahl der Fünf- bis Siebensemestrigen höher als die der Erstsemestrigen, ebenso an der Hochschule für Bodenkultur 3. Semester, 5. Semester, 7. Semester, an der Montanistischen Hochschule 3. Semester, 7. Semester und an der Akademie der bildenden Künste 7. Semester.

Diese Verteilung beweist, daß die Zahl der Neueintritte vor zwei bis vier Jahren viel größer war, und deutet, besonders bei den genannten Hochschulen, einen weiteren Rückgang der Frequenz an, falls nicht die größere Zahl der Abgänge durch Erhöhung der Ausländeranteile kompensiert werden sollte.

Dieses Uebergewicht der höheren Semester ist jedoch nicht allein auf die höhere Frequenz der 5.bis 10. Semester zurückzuführen, sondern auch auf manchmal beträchtliche Ueberschteitungen der Studiendauer. So wurden vereinzelt bis über 20 Semester ohne dazwischenliegenden Studienabschluß oder -wechsel angegeben.

Da heute dem Wunsch eines Absolventen einer österreichischen Mittelschule, ein Hochschulstudium zu ergreifen, nichts Arbeitsdienst, Wehrdienst im Wege steht, so kann für den Normalfall ein Alter von 18 Jahren für den Studienbeginn, ein Alter von 22 Jahren nach Absolvierung von acht bzw. von 23 Jahren nach Absolvierung von zehn Semestern angenommen werden. Die Untersuchung hat jedoch ergeben, daß dieser „Normalfall" nicht so häufig ist, wie man annehmen könnte. Schon die Verteilung nach Semestern läßt darauf schließen, daß ein erheblicher Teil der Studierenden älteren Jahrgängen angehört und für welche Hochschulen dies in erhöhtem Ausmaß zutrifft.

Der Vorteil des höheren Alters liegt in der größeren Reife, in der besseren Urteilsfähigkeit, die durch zielstrebige Auswahl und souveräne Beherrschung des Stoffes dem Bildungsprozeß förderlich ist, den Studieranden jedoch den Nachteil eines späteren Berufseintrittes mit allen seinen Folgen einbringt. Außerdem muß auch mit einem Nachlassen der geistigen Bildsamkeit-gerechnet werden.

An den wissenschaftlichen Hochschulen ist fast die Hälfte, an den Kunsthochschulen sind zwei Fünftel der Studierenden älter als 23 Jahre, bei den letztgenannten Hochschulen zum Teil deshalb, weil an ihnen auch Studierende unter 18 Jahren zum Studium zugelassen sind und überdies der Anteil der Frauen ungefähr doppelt so groß ist. — Daß das Alter der weiblichen Studierenden im Durchschnitt geringer ist, erweist die Darstellung auf Schaubild 5.

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