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Scheidungsgrund—Hintergrund

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Die Familie, die auf der Ehe aufruht, die selbstverständlich frei geschlossen, eins und unauflöslich ist, muß als erste und natürliche Keimzelle der menschlichen Gesellschaft angesehen werden.

Enzyklika Johannes' XXIU.

Gründonnerstag, 11. April 1963 Als vor einigen Jahren vom Östet-reichischen Statistischen Zentralamt eine Studie über die Ehescheidungen der Jahre 1946 bis 1957 in Österreich veröffentlicht wurde, schien es — Statistik bedeutet ja keineswegs Zukunftsdeutung — fast etwas gewagt, in einer Art Vorschau auf die kommenden Jahre die vorsichtige Vermutung auszusprechen, daß Österreich von einer neuen Scheidungswelle, ähnlich der des Jahres 1939, verschont bleiben werde, ja, daß sogar eine Abnahme der Scheidungen zu erwarten sei.

Unter dem „Achttausender“

Die Entwicklung der darauffolgenden Jahre bis zum Jahr 1962 hat diese Prognose bestätigt. Erstmals im Verlauf von sechzehn Jahren wurde die Achttausendergrenze unterschritten, und es gab „nur“ mehr 7990 Ehescheidungen. Keine sensationelle Verringerung also (im Vergleich zu 1961 nur ein Prozent), aber immerhin eine rückläufige Tendenz.

Interessant sind aber gewisse Strukturänderungen innerhalb der Gesamtmasse während der beiden letzten Jahre. Die Scheidungen, die aus dem Verschulden der Partner (47—49 E. G.) erfolgten, haben sich seit 1961 anteilmäßig auf 93 Prozent erhöht (1960: 92 Prozent). Ihre absolute Höhe ist 7440, und mehr als früher überwiegen dabei die für schuldig erkannten Männer — 4638, während in nur 897 Fällen die Frau der allein schuldige Teil war und in 1905 beide Ehepartner die Scheidung verschuldeten. Die ohne Schuldausspruch geschiedenen Ehen (50-55 E. G.) machen jetzt nur mehr sieben Prozent oder 529 Fälle aus, von denen allein 500 wegen „Auflösung der häuslichen Gemeinschaft“ gerichtlich gelöst wurden. Während aber noch vor zwei Jahren hier die Flüchtlingsschicksale eine nicht unerhebliche Rolle spielten, sind dies heute — wie aus den Angaben über den letzten gemeinsamen Aufenthalt der Ehegatten ersichtlich ist — vermutlich die Schicksale österreichischer Auswanderer, die sich nach dem zweiten Weltkrieg in den verschiedensten Teilen der Erde eine neue Existenz aufbauen wollten und über deren Daseinskampf ihre Ehen in Brüche gingen. Vereinzelt scheint es sich auch noch um Scheidungen von Angehörigen der ehemaligen Besatzungsmächte zu handeln, deren Frauen es vorzogen, wieder in ihre Heimat zurückzukehren.

Vor zwei Jahren hatten die geschiedenen Ehen noch eine durchschnittliche Ehedauer von 9,3 Jahren, 1961 und 1962 bestanden sie zwar im Durchschnitt nur mehr 8,9 Jahre, das berüchtigte kritische siebente Ehejahr kann aber von der Scheidungsstatistik auch jetzt nicht bestätigt werden. Im einzelnen gesehen, haben die Ehen natürlich einen sehr unterschiedlich langen Bestand, und es ergibt sich ein weitgespannter Bogen von knapp einem Monat bis zu fast 53 Jahren.

19- und 83jährige begehren die

Scheidung!

Wenn der Soziologe H. Schoeck feststellt, der Mensch sei ein zoon politikon, ein geselliges Lebewesen, und ein Mindestmaß an Gemeinschaftsleben gehöre notwendig zur menschlichen Existenz, so scheint der mit allen Mitteln seine Scheidung betreibende Mensch, zumindest in dieser Phase seines Lebens, die berühmte Ausnahme zur Regel zu bilden, und dem Wegstreben aus der ehelichen Gemeinschaft sind, zumindest was das Lebensalter betrifft, keinerlei Grenzen gesetzt.

Das durchschnittliche Scheidungsalter hat sich wohl im Verlauf der beiden letzten Jahre etwas verringert: von 38,8 auf 37,7 Jahre bei den Männern und von 34,8 auf 34,4 Jahre bei den Frauen, womit zwar bestätigt bleibt, daß die „scheidungsanfälligste“ Altersgruppe nach wie vor von den

30- bis 40-jährigen beider Geschlechter gebildet wird. Es gab aber wie immer Extremfälle: ein Mann mit 19 Jahren und sechs Frauen im 17. Lebensjahr waren die jüngsten, ein 83jähriger Mann und eine 84jährige Frau waren die ältesten Geschiedenen von 1962. Insgesamt waren 82 Männer und 499 Frauen im Zeitpunkt ihrer Ehescheidung noch nicht großjährig und 760 Männer und 2660 Frauen hatten ihre jetzt geschiedene Ehe noch vor Erreichung ihrer Großjährigkeit geschlossen. Das durchschnittliche Heiratsalter der Geschiedenen beträgt derzeit für die Männer 28,8 und für die Frauen 25,5 Jahre.

Die gegenwärtige wirtschaftliche Situation erlaubt wohl den jungen Menschen, in einem sehr frühen Alter eine Familie zu gründen, die nicht vom Gespenst der Arbeitslosigkeit bedroht ist. Dagegen scheitert, von der geistigen Unreife der Partner abgesehen, die Ehe heutzutage nicht selten im Zeichen des Sozialprestiges an der

Jagd nach Geld, nach dem oft zitierten höheren Lebensstandard und an den übersteigerten Lebensansprüchen.

Fast 8000 „Scheidungswaisen“

Zu großer Altersunterschied spielt wohl bei den Scheidungen eine gewisse, doch nicht die ausschlaggebende Rolle, wie meist angenommen wird, nicht einmal dann, wenn die Frau wesentlich älter ist als der Mann. In zehn Ehen war wohl der Mann, in einer die Frau um mehr als 30 Jahre älter, und. es gab 885 Fälle, in denen der Mann, 132, in denen die Frau zwischen zehn bis zu dreißig Jahren älter war, aber insgesamt wurden nur 24 Prozent Ehen geschieden, in denen sich der

Cooper berichtet seine Erlebnisse. Mehr Ober den bemannten Raumflug

aus den Büchern des bekannten Weltraumforschers Erich Dolezal:

PLANET IM NEBEL RAUMFAHRT — TRAUMFAHRT DIE ASTRONAUTEN NEUES LAND IM WELTALL u. v. a. Oolezal Weltraumbücher — erschienen im Österreichischen Bundesverlag, in allen Buchhandlungen

Mann eine seinem Alter nicht entsprechende Partnerin gewählt hatte.

Kinderlose und Einkindehen halten sich mit 39 und 36 Prozent der geschiedenen Ehen fast die Waage, während 16 Prozent der geschiedenen Eheleute zwei, fünf Prozent drei Kinder hatten und je zwei Prozent die eheliche Gemeinschaft trotz der Existenz von vier und fünf und mehr Kindern nicht mehr aufrechthalten konnten oder wollten. Als „Scheidungswaisen“ blieben 7953 Kinder zurück.

Daß der Großteil der geschiedenen Ehen in allen Jahren römisch-katholische waren, hat nichts mit ein etwaigen Erschütterung der religiöser Moral zu tun; die Anteile (83 Prozent bei den Männern, 86 Prozent bei den Frauen und 76 Prozent beiderseits römisch-katholische Ehen) entsprechen ungefähr den Anteilen dei Katholiken innerhalb der Bevölkerung Die beiderseits evangelischen Eher machten drei Prozent, und nur zwei Prozent jene Ehen aus, in denen beid< Partner ohne religiöses Bekenntnis waren.

49 Prozent der geschiedenen Männei sind Arbeitert

Das in unserer Gegenwart meisi außerhäusliche Berufsleben oft beidei Ehepartner bringt gewiß Gefahren fü den Bestand der Ehe mit sich, zuma wenn es sich um Berufe handelt, di<

entweder eine längere Abwesenheit vom Wohnort oder den Umgang mit vielen fremden Menschen, manchmal beides zusammen erforderlich machen, so daß die Eindrücke des Berufslebens, eine gewisse Ungebundenheit der Lebensführung und verstärkte Selbst-bezogenheit das Einfügen in eine Ehe oder Familie erschweren, wenn nicht gar unmöglich machen.

Was die Frauen betrifft, ist einerseits die Ehe kein Hindernis für eine Berufsausübung, anderseits die Berufstätigkeit der Frau allein aber keineswegs für die Zerrüttung der Ehen verantwortlich zu machen. Immerhin gibt es unter den geschiedenen Frauen 36 Prozent Hausfrauen und zwei Prozent Pensionistinnen oder Frauen, die keiner Arbeit nachgehen. Die in der Landwirtschaft tätigen Frauen sind nach wie vor mit zwei Prozent weniger zahlreich vertreten, 60 Prozent üben Berufe in den sonstigen Wirtschaftszweigen aus.

Wie schon vor längerer Zeit erwähnt, haben sich die Ehescheidungen vor allem in das Arbeitermilieu verlagert: 49 Prozent der Männer sind als Arbeiter in verschiedenen Wirtschaftszweigen und ein Prozent als landwirtschaftliche Arbeiter tätig, dagegen gaben nur 34 Prozent als Beruf Angestellter oder Beamter an, zwei Prozent waren selbständige Landwirte und zehn Prozent sonstige Selbständige. Nicht oder nicht mehr im Berufsleben standen vier Prozent der geschiedenen Männer.

Fünfmal und öfter verheiratet!

Der Großteil aller geschiedenen Ehen waren beiderseits Erstehen: 73 Prozent; nach dem Geschlecht getrennt, ergibt sich für die Männer ein Anteil von 81 Prozent, für die Frauen von 83 Prozent. Immerhin verbleibt noch eine relativ große Anzahl Geschiedener, von denen der überwiegende Teil bereits die Vorehen durch gerichtliche Scheidung auflöste und nur zum geringen Teil nach dem Tod eines Ehepartners eine neue Ehe eingegangen war. Es gab 40 Männer und 14 Frauen, deren im Jahr 1962 geschiedene Ehe bereits die vierte war, und drei Männer und eine Frau, die bereits fünfmal und öfter verheiratet gewesen waren. Der langsam steigende Anteil der mehrmals verheiratet gewesenen Geschiedenen hat bereits — anläßlich ihrer Wiederverheiratungen nach der Scheidung — einen gewissen Niederschlag in der Statstik der Eheschließungen gefunden.

Die Bundeshauptstadt nimmt wohl nach wie vor den traurigen Ruhm für sich in Anspruch, das „scheidungsfreudigste“ Bundesland zu sein, jedoch ist seit einigen Jahren auch hier ein langsames Sinken der Zahl der Ehescheidungen zu bemerken. Der Anteil Wiens macht im Jahre 1962 nur mehr 43 Prozent aus. Darnach folgen die Steiermark mit 16 und Niederösterreich mit 12 Prozent, Oberösterreich und Kärnten mit elf und sechs Prozent, Salzburg und Tirol mit fünf und vier Prozent; Vorarlberg mit zwei und das Burgenland mit nur einem Prozent stehen am Ende dieser Reihe.

Zwischen den Zeilen ...

Daß die Aussagen der Scheidungsstatistik noch manche Wünsche offen lassen, wurde zu verschiedenen Zeiten mehrmals erwähnt, ebenso, daß die Erfassung der Ehescheidungen nach den Paragraphen des Ehegesetzes niemals die ganze Tragik der tatsächlichen Hintergründe einer gescheiterten Ehe zu enthüllen vermag. Trotz allem — wenn wir uns auch zum Beispiel unter den „anderen Eheverfehlungen“ des 49 E. G., nach dem die meisten Ehen — 1962 waren es 7207 — nichts Konkretes zum Einzelfall vorstellen können und deshalb so mancher geneigt wäre, deshalb überhaupt darüber hinwegzusehen, wie über viele andere unerfreuliche Dinge, die einen nicht persönlich berühren; an der Tatsache, daß — wenn man nur die Geschiedenen und deren Kinder berücksichtigt — im • Verlauf eines Jahres jeweils rund 16.000 Menschen unmittelbar von einer Scheidung betroffen sind und deren Leben plötzlich in andere als die einst erwarteten Bahnen gelenkt wird, kann wohl niemand so leicht vorbeisehen.

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