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Malaria - wörtlich: schlechte Luft - machte damals den Kolonialherren sehr zu schaffen. Heute gibt es eine Malaria-Seuche, die die Erste Welt nicht plagt.

In Österreich werden dieses Jahr ein bis zwei Menschen an Malaria sterben, weil sie die Symptome nicht richtig deuten. Weltweit wird es ein bis zwei Millionen Tote geben, weil vielen Menschen - und vor allem Kindern - der Zugang zu den lebensrettenden Medikamenten fehlt. Malaria ist damit eine der schrecklichsten Geißeln der Welt. Aber eben "nur" der armen Welt.

Teufelskreis: Arm & Malaria

Die hohe Sterberate allein würde das Sumpffieber zu einer der schlimmsten Krankheiten der Menschheit machen. Dabei wird oft vergessen, wie verheerend sich die hohen Infektionsraten - weltweit erkranken 300 bis 500 Millionen Menschen jährlich - auf die Wirtschaft der von Malaria betroffenen Länder auswirkt. Der US-Ökonom Jeffrey Sachs hat schon vor Jahren in einem viel beachteten Artikel (Nature, 07.02.2002; 415: 680) darauf hingewiesen, dass die ärmsten Länder, nämlich jene in den tropischen und subtropischen Zonen, gleichzeitig jene Regionen sind, die flächendeckend von Malaria heimgesucht werden. Malaria führt zu massiven Arbeitsausfällen. Ebenfalls schlimm sind die Auswirkungen auf das Schulsystem. Sachs zitiert eine Studie aus Kenia, wonach Volksschulkinder rund 11% ihrer Schultage aufgrund des Sumpffiebers verpassen. "Malaria ist der Hauptgrund für schlechte Schulbildung in der Welt", ist Heiner Schirmer, Medizinprofessor und Malaria-Experte von der Universität Heidelberg, überzeugt.

Schirmers wissenschaftliche Arbeit ist in gewisser Hinsicht typisch für die Malariaforschung insgesamt. Die zunehmende Resistenzbildung führt nicht dazu, dass an völlig neuartigen Stoffen geforscht wird.

Kombinieren probieren

Stattdessen werden verschiedene bereits bekannte Mittel kombiniert. Das ist mit den verfügbaren Geldern eher machbar. Schirmer verwendet für sein Kombi-Präparat drei Stoffe, einer davon ist Methylenblau. "Das wurde schon um 1900 von Paul Ehrlich gegen Malaria getestet, ist aber später in Vergessenheit geraten", erklärt der Mediziner. Doch obwohl alle drei Wirkstoffe bereits bekannt sind, müssen ausgiebige Tests gemacht werden. Zurzeit stehen die Heidelberger in der Klinischen Phase III, also kurz vor der Marktreife. Dazu Schirmer: "Die Entwicklungskosten sind irrsinnig hoch. Ich verstehe diese bürokratischen Auflagen nicht."

Weniger unzufrieden zeigt sich Ann-Marie Sevcsik von der in Genf ansässigen Drug for Neglected Diseases initative (kurz: DNDi). DNDi stellt einen Verbund von Ärzte ohne Grenzen und verschiedenen Forschungsinstituten auf der ganzen Welt dar. Das Ziel: Die Entwicklung von Medikamenten für vernachlässigte Krankheiten. Für Malaria ist das kürzlich gelungen. Dazu Sevcsik: "Wir haben zwei bekannte Wirkstoffe in einer Tablette verpackt. Die ersten Erfahrungen zeigen, dass die Therapie gut funktioniert." Auf eine kleine Novität sind die Entwickler besonders stolz: Die Pille lässt sich leicht zermahlen, so dass sie für jene, die die Therapie am meisten benötigen, einfach dosierbar ist - Kinder unter fünf sterben am häufigsten an Malaria.

Ähnlich pragmatisch agiert Harald Nödl, Malaria-Experte von der Medizinischen Universität Wien. In Bangladesch prüft er zurzeit ein bisher nicht in der Malaria-Therapie eingesetztes Antibiotikum in Kombination mit zwei bekannten Wirkstoffen. Sein Fazit: "Das ist günstig, gut verträglich und die Therapie dauert nur drei Tage. Dann nehmen es die Menschen auch."

Gleichzeitig arbeitet Hödl gerade an einem Bericht über die ersten Artemisinin-Resistenzen in Südostasien. "Es besteht kein Grund zur Panik. Es sind noch nicht allzu viele Fälle", beschwichtigt Nödl. Der Kampf gegen Malaria sei nun mal ein ständiges Wettrüsten zwischen Mensch und Natur.

Drei Dollar sind zu teuer

Dabei gelten Artemisinin-Präparate zurzeit als die wichtigsten und besten Anti-Malaria-Mittel. Nachdem sich in Afrika vielerorts ältere Wirkstoffe - wie etwa Chloroquin - als unwirksam erwiesen haben, hat die WHO die Artemisinin-Kombinationstherapie (kurz: ACT) als erste Wahl propagiert. Zahlreiche Länder im sub-saharischen Afrika haben die neue WHO-Empfehlung auch übernommen - zumindest auf Papier. Das Problem: Die alten Therapien kosteten 20 bis 40 Cent; die ACT-Therapie hingegen schlägt mit drei bis vier Dollar zu Buche. Die zehnmal teureren Pillen stellen viele Länder vor große Schwierigkeiten.

Am Beispiel von Burkina Faso wurden die Probleme in einer kürzlich erschienene Publikation (PLoS Medicine 2007 4(6); e127) dargelegt. Nachdem das Land vom Global Fund (einer UNO-nahen Organisation und Medikamenten-Hauptsponsor vieler sub-saharischer Länder) keine Mittel erhalten hatte, wollte Burkina Faso aus einem Kredit der Weltbank andere, günstigere und ebenfalls noch wirksame Pillen kaufen. Die Weltbank wies die Umwidmung der Gelder mit der Begründung zurück, dass die WHO nur ACT empfehle. Das Resultat: In Burkina Faso ist (unwirksames) Chloroquin heute de facto das Anti-Malaria-Medikament. Die Autoren ziehen deshalb den wenig schmeichelhaften Schluss: "Subsaharische Länder bleiben so Opfer von Ignoranz und mangelnder Kooperation zwischen fremden Geldgebern und internationalen Organisationen."

Die teureren ACT-Präparate zeigen mittlerweile auch eine weitere unerwünschte Nebenwirkung. Sie sind zum lukrativen Geschäft für Fälscher geworden. Eine Studie (PLoS Medicine 2006; 3(6); e197) fand, dass in Südostasien jede zweite oder dritte Packung keinen oder viel zu wenig Wirkstoff enthält. Für Afrika existieren keine vergleichbaren Untersuchungen. Die Studienautoren befürchten aber, dass mit dem Kauf von teureren Pillen die Zahl der Fälschungen auf ein ähnlich hohes Niveau ansteigen wird.

Träume und …

Wer angesichts dieser Tatsachen den Kampf gegen Malaria weiterkämpft, muss wohl ein Idealist sein. Der Mediziner Schirmer outet sich gar als Träumer. Er träumt vom E-Day. E steht für eradication - Ausrottung. Schirmer dazu: "Wegen der zwei Weltkriege war ein globaler Feldzug gegen Malaria im 20. Jahrhundert nicht möglich. Heute leben wir jedoch in einem Zeitfenster, wo ein solches Unternehmen durchführbar wäre; in zehn Jahren vielleicht schon nicht mehr." Und Epidemologen, die den E-Day als bloße Spinnerei abtun, hält Schirmer entgegen: "Ich glaube, dass noch niemand ernsthaft darüber nachgedacht hat. Präsident Bush meinte, heute lässt sich in zwei Stunden jeder Terrorist fangen. Der Malaria-Erreger ist ein molekularer Terrorist. Er kann nur im Menschen überleben. Wenn man konsequent vom Tag E an für drei bis sechs Monate jeden Menschen behandeln würde, dann müsste die Krankheit verschwunden sein."

… die harte Wirklichkeit

An eine "historische, aber flüchtige Gelegenheit" der globalen Malaria-Kontrolle glauben auch Richard Feachem und Oliver Sabot. In einem aktuellen Fachaufsatz (JAMA, 23.5.07; 297(20); 2281) streichen die zwei Global Fund-Mitarbeiter hervor, woran es - neben Geld und medizinischer Infrastruktur - mangelt: "Mutigen, gemeinsam agierenden Führern."

Kein großer Malaria-Feldherr ruft heute zum weltweiten Angriff auf. Damit bleibt das Sumpffieber eine der großen Seuchen des 21. Jahrhunderts, das viele Länder in Armut gefangen hält. Besonders hart treffen wird es weiterhin die (Klein-)Kinder: In den fünfzehn Minuten, die Sie für die Lektüre dieses Textes benötigt haben, ist auf der Welt eine Schulklasse von 22 Kindern an Malaria gestorben.

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