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,Schwester Sorge' am Krankenbett

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Oberösterreich ist vielleicht das interessanteste Exerzierfeld, was die Situation unserer Krankenhäuser, vor allem ihrer neuralgischen Punkte, betrifft: die Nachwuchsfrage, das finanzielle Problem und die Modernisierung der Krankenhäuser. In Oberösterreich liegen nicht nur die meisten und größten, von geistlichen Orden geführten katholischen Krankenanstalten Österreichs (durchweg mit Öffentlichkeitsrecht), hier haben wir auch ideale Vergleichsmöglichkeiten zwischen diesen Krankenhäusern und denen des Landes und der Gemeinden.

Betriebsabgänge um 220 Prozent erhöht

Die Betriebsabgänge aller in Österreich liegenden Krankenhäuser stiegen von 55,4 Millionen (oder 100 Prozent) tragen im Jahre 1959 auf 63,6 Millionen Schilling (oder 114 Prozent) im Jahre 1960, 80,6 Millionen Schilling (145 Prozent) im Jahre 1961, schließlich auf vermutlich 105,7 Millionen Schilling (190 Prozent) im Jahre 1962 und 122,1 Millionen Schilling oder 220 Prozent im Jahre 1963.

Diese Betriebsabgänge, die früher die Krankenhausträger allein zu tragen hatten, verteilen sich nunmehr nach dem Krankenanstaltengesetz auf vier „Leidtragende“: Zumindest zehn Prozent hat der Krankenhausträger zu tragen; der Bund zahlt im günstigsten Fall 18,75 Prozent des Betriebsabganges, pro Tag zehn Prozent der amtlich festgesetzten Verpflegsgebühr der niedrigsten Gebührenklasse. Je 30 Prozent haben Land und Gemeinden zu

Die Wurzeln des Defizits ...

Obwohl in den katholischen Krankenhäusern rund ein Drittel aller vorhandenen Spitalsbetten stehen, liegt der Abgang dieser Krankenhäuser in sämtlichen Jahren unter einem Viertel des Gesamtabganges aller Kratttenhtti-ser. Er betrug 1959 9,6 von insgesamt 5 5,4 Millionen Schillinge erhöhte sich dann auf 10,8 Millionen im Jahre“i960, auf 14,6 Millionen im Jahre 1961, auf 21,6 im vergangenen Jahr und dürfte 1963 23 Millionen (von insgesamt 122,1 Millionen) erreichen. Auch hier sieht man — rein vom Finanziellen her —, welch gewaltige Leistungen für die Gesamtheit von den katholischen Orden in der Krankenpflege erbracht werden. Die Gemeindekrankenhäuser, die einen ähnlichen Bettenstand wie die katholischen Spitäler haben, hatten in den Jahren zwischen 1959 und 1963 Abgänge, die doppelt, zum Teil sogar dreimal so groß waren — ohne daß man diesen Krankenhäusern vorwerfen dürfte, nicht sorgsam gewirtschaftet zu haben.

Die Krankenhäuser ihrerseits — und keineswegs nur die katholischen — erklären, daß dieses Krankenhaus-Defizit eigentlich ein Defizit der Krankenkassen verschleiere. Es habe von Anfang an einen Kampf um echte Verpflegs-sätze gegeben, doch habe man bei den zuständigen Stellen nur beschränkt Verständnis gefunden. Heute sind etwa in Oberösterreich die Verpflegsgebüh-ren in den großen Krankenanstalten für die dritte Klasse mit hundert Schilling festgesetzt, wovon die Krankenkassen nur 80 Schilling bezahlen. Weil sich seinerzeit das Finanzministerium strikte geweigert habe, für die Krankenkassendefizite mit öffentlichen Mitteln einzuspringen, scheint heute das Defizit anderswo auf, als es sein müßte: bei den Krankenanstalten.

Nicht die einzige Sorge!

Immerhin hat das zweckmäßige und gute oberösterreichische Ausführungsgesetz zum Krankenanstaltengesetz, das nunmehr ziemlich genau fünf Jahre besteht, günstige Auswirkungen gezeigt: Während bis dahin die geistlichen Schwestern praktisch völlig kostenlos für die Krankenkassen und zur Vermeidung ines Krankenkassendefizits arbeiten mußten, besteht nunmehr, nach der Aufteilung des Defizits auf vier Stellen, eine gewisse Bewegungsfreiheit. Für die Schwesterngehälter, die dem Orden verbleiben, können nun dringend notwendige Modernisierungs- und Erweiterungsbauten in Angriff genommen werden, so daß die katholischen Krankenanstalten nicht ausgehungert und systematisch zu zweit- und drittklas-sigen Krankenanstalten gestempelt werden, sondern mit den Krankenhäusern der . öffentlichen Hand absolut

Schritt naiten können. fc3urumo& ido m lOiiüinjiit.ynü

Wenn“ ako in den letzten Jahrei sehr viel verbessert und modernisiert werden konnte, so ist der Nachholbedarf einfach gigantisch und wird zumindest in den nächsten zehn Jahren noch gewaltige Summen benötigen. Ein Blick auf die Ausnutzung der Spitalsbetten allein zeigt, daß noch keineswegs ein Idealzustand erreicht ist. So war etwa 1954 bei einer Einwohnerzahl von 1,1 Millionen und einem Bettenstand von 8093 in ganz Oberösterreich der durchschnittliche Bettenbelag 7529. 1959 war bei 9078 vorhandenen Spitalsbetten der

Bettenbelag 8403 und 1961 bei 9124 vorhandenen Betten der Belag 9095. Wir sehen also, daß der durchschnittliche Bettenbelag rascher ansteigt als die relativ langsame (weil eben sehr kostspielige) Zunahme an Spitalsbetten.

So hat das Land Oberösterreich erhoben, welche Summen die einzelnen Krankenanstalten für ihren dringenden Ausbau in den nächsten Jahren benötigen. Man hat dabei die beachtliche Summe von 539 Millionen Schilling errechnet (wobei der Bedarf des größten, des Allgemeinen Krankenhauses der Stadt Linz, noch gar nicht berücksichtigt ist!) — eine Summe, die natürlich auch angesichts des Ein-Mil-liarden-Budgets des Landes Oberösterreich keine Kleinigkeit darstellt. Die Spitze der Forderungsliste hält das Land selbst mit seinen Landeskrankenhäusern, die einen Bedarf von 213 Millionen haben, wovon bis Ende 1963 79 Millionen Schilling zur Verfügung gestellt werden. Die katholischen Krankenhäuser müssen dringende Investitionen in der Höhe von 179 Millionen und die Gemeindespitäler solche in der Höhe von 47,3 Millionen durchführen. So wird der Erweiterungsbau des Krankenhauses der Kreuzschwestern inWels (mW mefir als 900 Betten ist es das größte katholische Krankenhaus Österreichs!) 43 Millionen Schilling benötigen, der Bau eines Operationstraktes im Krankenhaus der Elisabethinen in Linz 40 Millionen, der Erweiterungsbau im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern in Linz 20 Millionen, Neubauten im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern in Ried 27 Millionen, bei den Barmherzigen Brüdern in Linz 18 Millionen, im Krankenhaus Braunau zwölf und im Krankenhaus Grieskirchen 4,5 Millionen. Der Neubau des

Diakonissen-Krankenhauses in Linz wird Kosten in der Höhe von 15 Millionen Schilling verursachen.

Radikales Umdenken l

Der Großteil der hier benötigten Summen wird wohl von den Orden selbst aufgebracht (wobei vor allem der Schwesternlohn Verwendung findet), aber selbstverständlich erwartet man sich, daß auch die öffentliche

Mangel an Schwestern

Während der Ärztemangel der letzten Jahre die katholischen Krankenanstalten kaum getroffen hat und im übrigen jetzt auch schon überwunden zu sein scheint, bleibt der Schwesternmangel eine der Hauptsorgen. Ober-Österreichs katholische Krankenanstalten verfügen insgesamt über drei Schwesternschulen. Die bei den Barmherzigen Schwestern in Linz haben in dem dreijährigen Jahrgang 50 Schülerinnen, die beim Krankenhaus der Kreuzschwestern in Wels 80 und die im Braunauer Krankenhaus (es ist die jüngste der drei Krankenpflegerinnenschulen!) 25 Schülerinnen. So erfreulich djese Zahlen jsind, so sind sie inj. Vergleich zur Bettenanzahl nicht allzu hoch. Mehr noch: die ausgelernten' Schwestern können nicht immer dort gehalten werden, wo sie ihre Ausbildung bekommen — und: sie werden allzu rasch weggeheiratet!

Ist also der Nachwuchs an weltlichen Pflegerinnenkräften in den katholischen Krankenhäusern ähnlich unbefriedigend wie bei den öffentlichen, so ist auch der Nachwuchs an geistlichen Schwestern ungenügend. Aufgeschlossene Schwestern machen sich über die Fehlerquellen keinerlei

Hand, die ja sonst hundertprozentig einspringen müßte, eine nenneswerte Summe zur Verfügung stellt.

Gerade hier erfolgte ja im Verlauf der letzten Jahre ein radikales Umdenken! Es ist noch keine zehn Jahre her, da führte der Verkauf des Städtischen Krankenhauses in Ried an die Barmherzigen Schwestern zu einem politischen Krach ersten Ranges, zu einer plötzlichen SPÖ-FPÖ-Koalition in der Gemeinde und zur Ausschreibung von Neuwahlen, die allerdings für die, die dieses Theater inszenierten, nicht gerade glücklich endete. Heute würden andere Gemeinden — vor allem Gmun-den, aber auch Freistadt — ihre Gemeindekrankenhäuser herschenken, wenn sich nur jemand fände, der sie übernehmen könnte.

In Oberösterreich denkt man nun daran, einen Spitalserrichtungsfonds zu schaffen, an dem sich Land und Gemeinden beteiligen müßten, und dessen Mittel den Spitalerhaltern, also dem Land, einigen Gemeinden und den katholischen Orden zufließen müßten.

Daß bei den Krankenhausneubauten in Oberösterreich Fehlinvestitionen so bald nicht zu befürchten sind, beweist die Tatsache, daß hier auf 100.000 Einwohner nur 820 Spitalsbetten entfallen. Oberösterreich, sonst in fast allen Statistiken in der Spitzengruppe, rangiert hier vor Burgenland an vorletzter Stelle. Nicht nur der Vergleich mit Wien, auch der mit Salzburg und der Steiermark — die in dieser Statistik an der Spitze stehen —, ist nicht allzu erfreulich.

Illusionen. Neben einer gewissen Modernisierung der Orden, über deren Ansätze, noch unter Papst Pius XII, man leider nicht hinausgekommen ist, scheint es für die Krankenpflegeorden vor allem entscheidend, daß die Ordensschwester „Dienst am Krankenbett“ macht. Alles andere, was bisher vielfach eine Schlüsselstellung war, wo gespart werden konnte, der Dienst in Apotheken, am Röntgenschirm, im Operationssaal, im Labor, soll tüchtigen weltlichen Kräften übertragen werden, die auch verantwortliche Stellungen einnehmen wollen. Ein ent; /Sejla&r Jpl?r sei aieis auch die, Auflassung sehr jpieler kleiner Kra kenstationen auf dem Lande gewesen, wo die geistliche Krankenschwester in aller Öffentlichkeit arbeitete, in schwierigsten Situationen sich zu bewähren hatte, aber durch diese Tätigkeit auf junge Menschen auch Eindruck machte.

So ist das Problem der Krankenpflege ein vielschichtiges und schweres, das des wachen Verständnisses aller bedarf, dann aber auch zu guten und zweckmäßigen Lösungen führen kann, wie dies in Oberösterreich bei allen Schwierigkeiten sichtbar ist.

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