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Schwimmende Wegweiser

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Der fortschreitende Flugverkehr über die Ozeane machte es erforderlich, aus bestimmten für die Wetterentwicklung bedeutungsvollen Gebieten fortlaufende Wettermeldungen zu erhalten. Bis zum Jahre 1946 wurden Wetterbeobachtungen auf See ausschließlich von Beobachtern auf Handelsschiffen angestellt und durch Schiffsfunk verbreitet. Der Seeverkehr folgt bestimmten, genau umschriebenen Straßen, und dies bedeutet, daß sich der Wetterdienst im Atlantik auf diese Straßen beschränkte. Es gab große Lücken im Beobachtungsnetz, oft gerade dort, wo das Wettergeschehen von Bedeutung für die allgemeine Entwicklung ist. Die Wetterdienststellen konnten sich beispielsweise nie darauf verlassen, Meldungen aus nördlichen Breiten zu erhalten. Zu diesen Schwierigkeiten kam noch der Umstand, daß durch die andauernde Positionsänderung der Schiffe sich das Beobachtungsnetz auf dem Nordatlantik bis zum Jahre 1946 von Tag zu Tag stark änderte. Der Hauptnachteil des früheren Beobachtungssystems war aber, daß das einzige zuverlässige Mittel zur Erkundung der Luftmassen, die Sondie- rungderhöherenLuftschichten, auf Handelsschiffen niemals ausgeführt werden konnte. Heute nehmen eigene Wetterschiffe diese Messungen vor. Denn die Kenntnis der Luftströmung in verschiedenen Höhenstufen und ihre navigatorische Ausnützung ermöglichen es den Flugzeugen des Nordatlantik-Flugverkehrs, weniger Kraftstoffreserven und dafür mehr Passagiere oder mehr Post mitzuführen.

Nachdem die Fachleute der ICAO International Civil Aviation Organisation ermittelt hatten, daß für die Sicherung und Regelmäßigkeit der Nordatlantikflüge mindestens 13 Wetterstationen auf hoher See erforderlich seien, berief die ICAO im September 1946 eine Konferenz ihrer Mitgliederstaaten nach London ein. Das Ergebnis dieser Sondersitzung war ein Abkommen zwischen den am atlantischen Luftverkehr beteiligten Staaten, das folgende Bestimmungen enthielt: Die Vereinigten Staaten von Amerika verpflichteten sich, den Wetterschiffsdienst von sieben Stationen auf dem Nordatlantik aufrechtzuerhalten. Großbritannien übernahm den Betrieb von zwei ozeanischen Stationen, Kanada von einer Station, Frankreich ebenfalls von einer Station. Belgien und Holland verpflichteten sich zum gemeinsamen Betrieb von einer nordatlantischen Station. Irland und Portugal stellen Geldbeträge für diesen Dienst zur Verfügung. Nach weiteren Bestimmungen des Übereinkommens verbringen die Wetterschiffe jeweils 21 Tage im Dienst an der zugewiesenen Station. Drei Tage werden für die Hinfahrt und ebenso viele Tage für die Rückfahrt gerechnet. Eine vollständige Reise dauert demnach 27 Tage. 15 Tage verbringt das Schiff zwischen jeder Reise im Hafen. Während dieser Zeit von 21 Tagen, die das Schiff im Hafen und auf der Fahrt verbringt, versieht ein anderes Wetterschiff den Dienst an der Station. Zur Arbeit an einer nordatlantischen Wetterstation sind also zwei Schiffe erforderlich.

Die Aufgaben der Wetterschiffe sind vielfältig und gehen über das rein meteorologische Gebiet weit hinaus. Sie bestehen zunächst einmal darin, daß regelmäßig Wetter- beobachtungen im Abstand von drei Stunden angestellt werden. Für diese Beobachtungen stehen modernste meteorologische Instrumente zur Verfügung. Zur genauen Luftdruckbestimmung dienen geeichte Quecksilberbarometer. Bei schwerer See ist allerdings eine Ablesung am Quecksilberbarometer nicht möglich. Dann muß zur Luftdruckbestimmung ein Aneroid verwendet werden. Zur genauen Bestimmung der Wolkenhöhe dient das Radargerät an Bord. Mit diesem neuesten technischen Hilfsmittel werden auch Wetterfronten und Gewitter angepeilt. Alle Beobadttungsergebnisse, zu denen noch Beobachtungen von Handelsschiffen, die in der Nähe der Wetterstation navigieren, kommen, werden durch Funk dreistündlich an die zuständige Küstenstation übermittelt, die sie sofort an das zentrale Wetterdienstbüro für den europäischen Teil des Nordatlantiks: Dunstable in England weiterleitet. Von dort gehen die Meldungen in das nationale Funk- und Fernschreibnetz und weiter zu den Flugplätzen und Wirtschaftwetterwarten.

Alle sechs Stunden verbreitet der Schiffssender Meldungen von Beobachtungen aus höheren Luftschichten. Von großer Bedeutung für den transatlantischen Flugverkehr sind Höhenwindmessungen. Bis zum Wolkenniveau wird der Höhenwind mit Freiballonen bestimmt, die mit dem Theodoliten verfolgt werden. Dadurch erhält man ziemlich genaue Höhenwindangaben von den unteren Schichten der Atmosphäre. Zur Bestimmung höherer Luftströmungen und der stratosphärischen Luftversetzung werden Radiosondenballone benützt, die mit dem Radargerät verfolgt werden. So erhält man Geschwindigkeit und Richtung der Höhenströmung. Der Neoprenballon, an den die Radiosonde angehängt wird, wird im großen Arbeitsraum des Schiffes mit Helium aus einem Druckbehälter gefüllt. Unterhalb der Radiosonde, die in eine Kartonbüchse eingeführt wird, ist ein kreuzförmiges Gebilde aus Metallfolie, die Zielscheibe für den Radarstrahler, befestigt. Die Verfolgung des Ballon ist mit der Radareinrichtung bis 25 Kilometer Höhe und 150 Kilometer Entfernung möglich. Zumeist platzt jedoch der Ballon bei 18 Kilometer Höhe.

Das Radargerät wird aber nicht nur für meteorologische Zwecke benützt. Es ist auch eine wertvolle Hilfe für die Navigation, die sowohl für die normale Schiffsnavigation als auch für Zwecke des transatlantischen Luftverkehrs ausgenützt wird. Die Wetterschiffe sind also mit ihrer Radarausrüstung und ihrer Funksignalanlage nichts anderes als schwimmende Wegweiser für die Flugzeuge des transatlantischen Luftverkehrs.

Um vollständigen Gebrauch von diesem navigatorischen Hilfsmittel zu machen, ist es notwendig, daß die Position des Wetterschiffes möglichst unverändert bleibt. Es gibt verschiedene Methoden, um das Schiff in gleicher Position zu halten. Am gebräuchlichsten ist es, die Position des Schiffes mit dem Sextanten zu bestimmen und dann die Messungen im Intervall von einer Stunde genau zu kontrollieren. Bei halbwegs günstigen Wetterbedingungen ist es dann kein großes Problem, das Schiff in gleicher Position zu halten. Bei sehr schlechtem Wetter hat der Navigationsoffizier des Schiffes strengstens dafür zu sorgen, daß das Schiff trotz Sturm und schwerer See auf dem angewiesenen Platz bleibt. Das Wetterschiff erhält in diesem Fall Signale von ortsfesten Funkfeuern, damit es auch bei schlechtem Wetter seinen Standort einhalren kann. Sonst würde sich das ganze Netz der Wetterechiffe verzerren.

Eine wichtige Aufgabe der Wetterschiffe ist der Luftaeerettungsdienst für Flugzeuge und Schiffe in Not. Das Schiff ist mit verschiedenen Rettungsgeräten ausgerüstet, wie Ruderbooten, Schlauchbooten, mit Funk ausgerüsteten Motorrettungsbooten, schwimmfähigen Gummianzügen für die Rettungsmannschaft und Einrichtungen zum Abschießen von Raketen und Rettungsleinen.

Die Wetterschiffe werden auch für verschiedene wissenschaftliche Studien verwendet. Gegenwärtig sind zwei Schiffe mit Apparaten versehen, mit welchen ozeanographische Untersuchungen gemacht werden und die ständig das Leben in jenem Teil des Nordatlantiks beobachten, in welchem das Schiff stationiert ist. Das Programm der Forschung wird nach internationalen Gesichtspunkten zusammengestellt.

Die Einrichtung des Wetterschiffsdienstes hat sich in den wenigen Jahren seines Bestandes außerordentlich gut bewährt. Vor allem ist durch die Tätigkeit der Wetterschiffe die Sicherheit der zivilen Luftfahrt auf dem Nordatlantik größer geworden.

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