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So forschen, daß kein Schaden entsteht

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Fragen der Bioethik stehen im Zentrum heutiger Debatten. Der Genetiker Jeröme Lejeune hat, was den Umgang mit dem Leben anbelangt, stets eindeutig für dessen Schutz Position bezogen.

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Fragen der Bioethik stehen im Zentrum heutiger Debatten. Der Genetiker Jeröme Lejeune hat, was den Umgang mit dem Leben anbelangt, stets eindeutig für dessen Schutz Position bezogen.

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Die Wissenschaft ist wirklich der Baum des Guten und des Bösen: Er bringt gute oder schlechte Früchte hervor. - Unsere Verantwortung als Wissenschaftler besteht darin, die guten Früchte zu ernten und die schlechten weder unseren Zeitgenossen noch unseren Nachkommen anzubieten.” (Jeröme Lejeune, 1926-1994)

Wer in Lejeunes Publikationen liest, dem begegnet der Geist eines leidenschaftlichen und unermüdlichen Forschers. Und eines Mannes, der zu den großen Brückenbauern zwischen Naturwissenschaft und Ethik gehört: Jeröme Lejeune, französischer Arzt und Biologe, 1994 im Alter von 67 Jahren in Paris verstorben, zählt im Bereich der genetischen Forschung zu den großen Pionieren unseres Jahrhunderts. 1959 entdeckte er die Ursache des „Down-Syndroms”. Er bewies, daß diese Krankheit durch ein überzähliges Chromosom hervorgerufen wird, die sogenannte „Trisomie 21”. Eine genetische Forschungsarbeit, die sich auf Nobelpreis-Ebene bewegte. Warum er ihm doch nicht verliehen wurde, darüber kann man wohl nur spekulieren.

Tatsache ist, daß er mit seinem eindeutigen Engagement für den Schutz des menschlichen Lebens von der Empfängnis an als Wissenschaftler mit internationalem Prestige und als Mensch mit konsequent christlicher Überzeugung so manchem ein Dorn im Auge war. Polemik entsprach niemals der Art Lejeunes, wurde aber wohl zur Angriffswaffe jener, die den naturwissenschaftlich längst belegten Fakten nichts mehr zu entgegnen wußten: daß der Mensch „Mensch” ist von der Empfängnis an.

Lejeunes großes Verdienst als Naturwissenschaftler liegt in seinem unermüdlichen Streben, den reduktioni-stischen Leib-Seele-Dualismus zu überwinden. Nicht die Materie ist zuerst, zu der dann später der Geist hinzukommt. Vielmehr ist spezifisch menschliches Leben nur in der wesen-haften Einheit von Leib und Geist. Und das hat ethisch klare Konsequenzen. Die wichtigste Aufgabe des Biologen liege darin, so Lejeune, „unseren Zeitgenossen zu erklären, daß die Molekularbiologie den kartesianischen Dualismus, nach dem es auf der einen Seite den Geist und auf der anderen Seite den Leib gäbe, völlig ausschließt”.

Schon am Beginn seiner Karriere und auch später als Professor für Genetik an der Universität von Paris wußte Jeröme Lejeune nur zu gut, daß die rasanten Entwicklungen im Bereich der medizinischen Forschung dringend nach klaren moralischen Bichtlinien verlangten. Nicht, damit sie die Wissenschaft bevormunden, wie er sagte, sondern „um zu ergründen, welcher Platz der Wissenschaft zusteht und um zu entscheiden, für welche Zwecke wir unsere Kenntnisse anwenden können, so daß kein Schaden daraus entsteht”.

1965 wurde Lejeune Leiter des „Enfants

Malades”-Krankenhauses, in dem er bis zu seinem Tod in der Betreuung behinderter Kinder tätig war und nach neuen Therapiemöglichkeiten genetisch bedingter Krankheiten forschte. Er verteidigte öffentlich das Recht auf Leben für Behinderte, die seines Erachtens seit der Legalisierung der Abtreibung die „vom Gesetz am meisten Bedrohten” sind.

Gleichzeitig engagierte er sich als Präsident der Organisation „Hilfe für werdende Mütter” für schwangere Frauen in Not. Auch zu Gesetzesentwürfen jüngster Vergangenheit holten Begierungen die Stellungnahme des renommierten Genetikers ein.

Gegen die Nutzung von Embryonen

Die klare Verurteilung der experimentellen Nutzung von Embryonen, die er 1991 vor dem britischen Parlament abgab, war ein weiteres Zeugnis für sein unerschrockenes Bemühen, sein Wissen in den Dienst der menschlichen Person, auch der wehrlosesten, zu stellen. Lejeune erkrankte Ende 1993 an Lungenkrebs. Wenige Monate später ernannte ihn Johannes Paul II. zum Präsidenten der neuen „Päpstlichen Akademie für das Leben”, die ihr Entstehen nicht zuletzt Lejeune mitzuverdanken hat.

Das Gebet des Papstes an Lejeunes Grab anläßlich seines jüngsten Aufenthaltes in Paris würdigte auf besondere Weise jenen Katholiken, der als Top-Wissenschaftler für seine christlichen Überzeugungen einstand - ohne Bücksicht auf Verluste. Die Autorin ist freie Journalistin.

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