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Soll es Patente auf Lebewesen geben?

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Das Thema Gentechnik bewegt zunehmend die Gemüter, nicht zuletzt wegen des bevorstehenden Gentechnik-Volksbegehrens. Eine Konfrontation der Pro- und Kontra-Argumente liefert die nachstehende Debatte zwischen einer Ökologin und einem Genetiker.

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Das Thema Gentechnik bewegt zunehmend die Gemüter, nicht zuletzt wegen des bevorstehenden Gentechnik-Volksbegehrens. Eine Konfrontation der Pro- und Kontra-Argumente liefert die nachstehende Debatte zwischen einer Ökologin und einem Genetiker.

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DIEFURCHE: Werden Sie das Gentechnikvolksbegehren unterschreiben? Erwin Heherle-Bors: Nein. Ich finde es unnötig. Ich nehme an, daß es eine Zielrichtung des Volksbegehrens ist, das Gentechnik-Gesetz zu verschärfen. Die Rahmenbedingungen für die Gentechnik sind ausreichend. Ich bin prinzipiell gegen jede fundamentalistische Ablehnung der Gentechnik. Wenn man nicht mehr freisetzen kann, wenn man keine Patente mehr haben kann auf Gene oder auf transgene Pflanzen, dann wird das die Gentechnik praktisch verhindern. Dann wird es nur noch eine wissenschaftliche Disziplin bleiben. Ines Janssen: Ich werde das Volksbe-gehren unterzeichnen. Es wurde viel-zu rasch mit Freisetzungen und dem Inverkehrbringen gentechnisch veränderter Produkte begonnen. Dabei kann noch niemand wirklich abschätzen, welches Risiko durch den gentechnischen Eingriff in eine Pflanze oder in ein Tier wirklich eingegangen wird. Man soll jetzt nicht übereilt handeln, nur weil die Industrie drängt. Wir brauchen zuerst einmal eine Zeit des Nachdenkens und der Erforschung möglicher Folgen. Darauf soll das Volksbegehren Politiker und Wissenschafter aufmerksam machen.

DIkFlirche: Eine der Forderungen ist das Verbot der Patentierung von Lebewesen, also des Rechtes, die Erfindung eines Genprodukts über einen gewissen Zeitraum alleine kommerziell zu nützen,

Janssen: Es handelt sich bei Genen nicht um eine Erfindung, sondern um die Entdeckung bereits vorhandener Strukturen. Das kann nicht patentiert werden. Daher bin ich dagegen, daß sich hier jemand die Alleinverwer-tungsrechte sichert. HEISERLE-bors: Es geht ja auch nicht um die Patentierung von Genen als solche, sondern um spezifische Nutzanwendungen. Firmen investieren viel Geld, um diese Nutzanwendungen zu erforschen, diese Gene zu isolieren, zu konstruieren und dann für die bestimmte Anwendungen einzusetzen. Patentiert werden neue Kon-strukte. Ich finde es legitim, wenn man sich für diesen großen Forschungsaufwand ein zeitweiliges Monopol verschafft.

JANSSEN: Warum soll hier nicht der normale Sortenschutz ausreichen? Was das Patentrecht vom Sorten-schütz unterscheidet, ist, daß es sämtliche Nachkommen eines Gens oder einer Sorte auch gleich miteinschließt. Das heißt, die natürliche Vermehrungsfähigkeit von Leben samt den Fortpflanzungsprodukten wird dem Patentinhaber zugeschrieben und damit monopolisiert. Daß man etwas, das in der Natur vorkommt, nämlich die Vermehrung der DNA, als eigene Erfindung bezeichnet, kann nicht angehen. Hkberle-BorS: Die Frage ist, ist das Natur? Für mich ist es nicht Natur. Der Naturbegriff ist sehr ideologisch befrachtet. Die Natur, die uns umgibt, ist keine ursprüngliche wilde Natur mehr, sondern eine Kultur-Natur, eine vom Menschen gestaltete Natur. Die Nutzpflanzen, um die es geht, werden schon seit Jahrtausenden genetisch verändert. Sie - oder viele Tierzüchtungen - sind oft in der Natur nicht einmal mehr überlebensfähig. Menschliche Zivilisation heißt: Eingriff in die Natur. Die Gentechnik ist nichts anderes als ein Eingriff in die Natur, tiefer als jede andere genetische Manipulation vorher.

DIEFURCHE: Nach dieser Logik müßte man - wenn es das damals gegeben hätte - für alle Pflanzenzüchtungen wie Mais oder Apfel Lizenzgebühr zahlen.

Hkrerle-BorS: In den USA muß man das bei Äpfeln tatsächlich. Es geht um das Recht des Erfinders, aus seiner Erfindung Nutzen zu ziehen. JANSSEN: Ich würde sagen, es geht um das Recht von jemandem, der für die Gesellschaft etwas Nützliches geschaffen hat, diesen Nutzen honoriert zu bekommen. Das geschieht im Sortenschutz. Eine manipulierte Pflanze bleibt ein vermehrungsfähiges Lebewesen. Sie ist nicht ein reines Kon-strukt des Erfinders. Patentierbar wäre höchstens das technische Verfahren der Herstellung. Warum reicht der normale Sortenschutz plus Patent auf Verfahren nicht aus? Heberle-Bors: Der Aufwand für gentechnisches Arbeiten ist größer als die konventionelle Züchtung. Es ist eine Frage von Input und Output. Firmen verwenden eben diese Methoden, um gezielt zum Beispiel die „Fla-vr Savr” - Tomate oder Stärkekartoffeln herzustellen und investieren dafür sehr viel Geld.

DIEFURCHE: Welchen Nutzen hat die Menschheit von einer Anti-Matsch-Tomate?

IlEBEKl.E-BoRs: Sie kann an der Pflanze ausreifen und damit rot geerntet werden. Sie sollte besser schmecken. JANSSEN: Da stellt sich aber eine ganz andere Frage. Warum müssen heute Tomaten grün geerntet werden? Weil sie tausende Kilometer transportiert werden, bis sie endlich zum Konsumenten kommen. Die Frage ist, wollen wir das überhaupt noch? Die Ant-

„Ich brauche eben im Dezember keine Erdbeeren ...”

wort: Wir brauchen wieder eine Re-gionalisierung der Landwirschaft, Transportwege sollen kürzer werden. Dann können wir die Tomaten trotzdem rot pflücken, weil sie nur über kurze Strecken transportiert werden müssen. Dafür reichen auch die herkömmlichen Züchtungen aus. HEBERLE-bors: Aber dann haben Sie nur von August bis Oktober Tomaten. JANSSEN: Da kommen wir zu einem grundsätzlichen Punkt. Wir müssen nicht auf der ganzen Welt zu jeder Zeit alles konsumieren. Ich brauche eben im Dezember keine Erdbeeren. HEBERLE-BORS: Ich auch nicht. Aber wenn Sie diese Position konsequent durchziehen, dürfen sie auch keine Zitronen und Orangen anbieten. Sie schmeißen unsere Zivilisation ins Mittelalter zurück, wo man im Winter nur noch Sauerkraut gehabt hat.

DIEFURCHE: Wir leben doch auch ohne Gentechnik nicht im Mittelalter. Was würde sieh also verbessern?

Heberi.E-B0RS: Die Gentechnik ist für mich eine grüne Technologie. ImPrinzip haben ökologischer Landbau und Gentechnik dasselbe Ziel. Es geht um gesündere Pflanzen und um den Schutz der Umwelt. Ich finde, beide können nebeneinander existieren. janssen: Ökologischer Landbau und Gentechnik schließen einander aus. Ökologischer Landbau orientiert sich an der Natur und versucht, diese möglichst nachhaltig zu nutzen. Die Gentechnik ist ein sehr massiver, tiefer Eingriff in die Natur. Heberle-Bors: Sie können auch gen-technisch veränderte Pflanzen nach ökologischen Prinzipien anbauen, das ist für mich kein Widerspruch. Janssen: Natürlich kann man das. Nur: Die gentechnisch veränderte Pflanze ist schon durch die Art der Züchtung sehr verschieden von einerherkömmlich gezüchteten Pflanze. Hier geht es um die Risikobeurteilung. Wenn ich gänzlich neue Gene in die Pflanze einbringe, muß ich damit rechnen, daß sich die Pflanze auch gänzlich neu verhält. Bei der Risikobeurteilung wurde bisher immer der Vergleich von transgenen zu normal gezüchteten Pflanzen gezogen. Man hat sich aber noch nicht einmal bei konventionellen Züchtungen deren tatsächliches ökologisches Verhalten angeschaut. Es ist ja auch hier zu ökologischen Auswirkungen gekommen. Sie haben sich aber in dem Rahmen bewegt, der von der Natur vorgegeben war.

Heberle-BorS: Es gab in den letzten zehn Jahren über tausend Freisetzungen. Die haben alle gezeigt, daß es hinsichtlich der Stabilität der Pflanzen kein Problem gegeben hat. janssen: Zehn Jahre sind in der Evolution äußerst wenig. Gene, die in eine andere Pflanze eingebracht werden, verändern sich bei ihrer Vermehrung weiter. Wer sagt mir, daß sie auch weiterhin nur nützlich sind. Wer sagt mir, daß dieses neue Nützliche nicht in 50 Jahren mutiert und zu etwas Schädlichem wird. Und wenn das der Fall ist: wer übernimmt dann die Verantwortung?

Heberle-BorS: Jene Firmen, die diese Pflanzen vertreiben, haben auch bisher Verantwortungen übernommen. Dafür haben wir ein Gentechnikgesetz, das ja eine Kontrolle bei der Freisetzung vorsieht. janssen: Sie wissen selbst, wie standortspezifisch sich bestimmte Pflanzen verhalten. Die Risikoabschätzungen werden nur für einen Standort gemacht. Es ist ja nicht einmal gefordert, an verschiedenen Orten zu testen.

DIEFURCHE: Abschließend an beide Gesprächsteilnehmer die Frage: Gibt es nach diesem Gespräch etwas, wo Sie sagen würden, aha, so habe ich mir das noch nicht überlegt janssen: Ich merke, daß Diskussionen dieser Art vermehrt notwendig sind, weil es sehr schwierig ist, bei diesem vielschichtigen Thema auf den Punkt zu kommen. Daher plädiere ich dafür, nichts zu übereilen, sondern erst Klarheit über die Risiken dieser Technologie zu schaffen, bevor man sich ihr ausliefert.

Heberle-BorS: Mir hat das Gespräch gefallen, weil es sachlich war, trotz aller Emotionalitäten. Letztendlich geht es um eine Technologie und nicht um eine Religion. Ich finde es wichtig, daß sich Wissenschafter dieser Diskussion stellen und daß Ökologie und Gentechnik aufeinander zugehen.

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