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Staatshaushalt—Geheim Wissenschaft?

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Man muß dem Finanzministerium Anerkennung dafür zollen, daß es sich in den letzten Jahren in verstärktem Maße bemüht, das Bun-r desbudget nach den verschiedensten Gesichtspunkten aufzugliedern. Dadurch wird es möglich, den Staatshaushalt besser zu durchleuchten und auch seine bedeutenden Auswirkungen auf die gesamte Volkswirtschaft immer schärfer zu erfassen.

Seit jeher unterschied das Bundesfinanzgesetz — wie das Budget eigentlich richtig heißt — zwischen einer ordentlichen und einer außerordentlichen Gebarung. Die „ordentliche Gebarung“ enthält jene Einnahmen und Ausgaben, die mit der gewöhnlichen Tätigkeit des Staates Zusammenhängen. Hingegen werden die gewaltigen Ausgaben für den Wiederaufbau nach den großen Zerstörungen des Krieges sowie besonders umfangreiche Investitionsvorhaben, die nicht zur laufenden Staatstätigkeit gehören — wie zum Beispiel der Autobahnbau, die Elektrifizierung der Bundesbahnen usw. —, in der sogenannten „a u ß e r- ordentlichen Gebarung“ veranschlagt. Während die ordentliche Gebarung nach Möglichkeit ausgeglichen sein soll, müssen die Ausgaben der außerordentlichen Gebarung vielfach durch Kreditoperationen bedeckt werden. Da die Rückzahlung dieser Kredite erst in

Aus obiger Zusammenstellung ersieht man deutlich, daß im Jahre 1957 die ordentliche Gebarung mit einem Ueberschuß von 300 Millionen Schilling abschloß. Im folgenden Jahr hatte die “ bekannte Konjunkturabschwächung zur Folge, daß die Einnahmen nicht, annähernd die erwartete Höhe erreichten, so daß schon die ordentliche Gebarung mit einem Defizit von mehr als drei Milliarden Schilling schloß. Daraufhin wurden die Ausgaben der ordentlichen Gebarung für das Jahr 1959 wieder etwas eingeschränkt, so daß sich der Abgang in der ordentlichen Gebarung erträglicher gestalten dürfte; aus konjunkturpolitischen Gründen wurden jedoch die Ausgaben der außerordentlichen Gebarung verhältnismäßig hoch angesetzt, weshalb die Finanzjahre 1958 und 1959 in der Gesamtgebarung beträchtliche Abgänge aufweisen. Inzwischen hat sich wieder ein allgemeiner Konjunkturaufschwung eingestellt; das Budget für das Jahr 1960 rechnet daher mit einer Ausgeglichenheit der ordentlichen Gebarung bei Ausgaben und Einnahmen von etwas mehr als 41 Milliarden Schilling. Da auch von der außerordentlichen Gebarung keine zu starken Impulse ausgehen sollen, wurde sie auf weniger als die Hälfte des laufenden Finanzjahres und auch des Jahres 1958 gekürzt. Immerhin veranschlagt der Bundeshaushalt auch für das Jahr 1960 trotz der enormen Konjunktur einen Gesamtgebarungsabgang von mehr als einer Milliarde Schilling.

Die von den Staatsbürgern am häufigsten gestellte Frage ist natürlich die, wofür der St„at das viele Geld eigentlich äusgibt. Da ist zunächst einmal zu unterscheiden zwischen den persönlichen Ausgaben und den sachlichen Ausgaben. Im kommenden Jahr werden die persön-

späteren Jahren und auf einen längeren Zeitraum verteilt erfolgt, muß die derzeit lebende Generation nicht allein die Lasten des Wiederaufbaues tragen.

Die außerordentliche Gebarung hat außerdem eine große konjunkturpolitische Bedeutung; Während sich die Einnahmen und Ausgaben der ordentlichen Gebarung durch die Staatstätigkeit sozusagen zwangsläufig ergeben, können die großen Investitionsvorhaben entweder forciert oder für spätere Zeiten zurückgestellt werden; durch die Forcierung der staatlichen Investitionsvorhaben — also durch eine Vergrößerung der außerordentlichen Gebarung — fließen vom Staat Aufträge in die Wirtschaft, die dort belebend wirken. Dies ist also ein Mittel, in Zeiten abnehmender Konjunktur eine plötzliche Verringerung der Wirtschaftstätigkeit hintanzuhalten. Hingegen soll in Zeiten aufsteigender Wirtschaftsentwicklung der Staat die außerordentliche Gebarung eher kürzen oder zumindest trachten, den Rahmen der Gesamtausgaben so zu halten, daß der größere Teil des außerordentlichen Budgets durch Einnahmenüberschüsse der ordentlichen Gebarung abgedeckt werden kann.

Vergleicht man die Zahlen der Bundesrechnungsabschlüsse 1957 und 1958 sowie der Bundesvoranschläge für 1959 und 1960, so ergibt sich folgendes Bild:

liehen Ausgaben des Bundes die Höhe von rund 16 Milliarden Schilling erreichen, gegenüber 14,6 Milliarden Schilling im laufenden Finanzjahr und 14,4 Milliarden Schilling im Jahre 195 8. Während also der Unterschied, zwischen den Jahren 1958 und 1959 nicht allzu bedeutend ist, muß der Bund mit Rücksicht auf die Gewährung eines 14. Monatsgehaltes im kommenden Jahr mit einer ansehnlichen Steigerung der persönlichen Ausgaben rechnen.

Viel instruktiver als die Unterscheidung zwischen persönlichen Ausgaben und sachlichen Ausgaben ist jedoch die Gliederung der Bundesausgaben nach Aufgabenbereichen; und zwar werden derzeit im Staatshaushalt folgende Aufgabenbereiche unterschieden: „Erziehung und K u 11 u r“, „W o h 1 f a h r t“, „W i r t- schaft“ und „Uebrige Gebarun g“. Während der Aufgabenbereich „Erziehung und Kultur“ nicht weiter unterteilt ist, werden in den Aufgabenbereichen „Wohlfahrt“, „Wirtschaft“ und „Uebrige Gebarung" dankenswerterweise noch genauere Detaillierungen vorgenommen, wie die folgende Zusammenstellung zeigt:

Um allerdings die wirtschaftlichen Auswirkungen des Bundeshaushaltes im vollen Umfang zu erfassen, genügt auch diese Aufgliederung der Staatsausgaben nach Aufgabengebieten nicht. Der wirtschaftliche Effekt einer Staatsausgabe hängt nämlich nicht so sehr davon ab, ob eine Schule oder ein Amtsgebäude gebaut wird, sondern vielmehr davon, wieviel der Staat überhaupt an Bauaufträgen vergibt, wieviel er anderseits für die eigentliche Verwaltung, also für die Bezahlung der Verwaltungsbeamten, für die notwendigen Büroeinrichtungen und Büromaterialien usw., ausgibt, wieviel der Staat an Subventionen zur Förderung bestimmter Zwecke aufwenden kann und dergleichen mehr.

Zur Analysierung solcher wirtschaftlicher Auswirkungen des Bundeshaushaltes ist dieser darum auch nach ökonomischen Gesichtspunkten gegliedert’, und zwar in den V e r w a 11 ü n g s- a u f w a n d, die Aufwendungen für Anlagen, die Förderungsausgaben und Sonstige Aufwandskredite. Als „Verwaltungsaufwand" ist der Personal- und Amtssachaufwand veranschlagt. Als „Anlagen“ sind die Ausgaben des Zweckaufwandes (einschließlich der Ersatzanschaffungen) bezeichnet, durch die im Vermögen des Bundes eine Umschichtung von Geldwerten in Sachwerte eintritt. Unter „Förderungsausgaben" sind Darlehen und Zuschüsse an Dritte zur Erfüllung wirtschaftlicher, kultureller, sozialer und sportlicher Aufgaben veranschlagt. Als „Aufwandskredite“ sind die Kredite des Zweckaufwandes veranschlagt, soweit sie keine Kredite für Anlagen oder Förderungsausgaben darstellen.

Eine Kombination der Gliederung des Staatshaushaltes nach ökonomischen Gesichtspunkten einerseits und Aufgabenbereichen anderseits bietet folgende Vergleichsmöglichkeiten:

Diese Aufgliederung zeigt zum Beispiel deutlich die langsame, aber stetige Steigerung der Aufwendungen des Bundes für Erziehung und Kultur; gleichzeitig kann man aber auch feststellen, daß diese Steigerung weniger auf eine prozentuelle Erhöhung des Verwaltungsaufwandes als zum Beispiel auf eine Verdoppelung der Ausgaben für Anlagen zurückzuführen ist. Hier findet also der Bau von Schulen, Hochschulinstituten usw. seinen zahlenmäßigen Niederschlag.

Aber nicht nur, wofür der Staat das Geld ausgibt, sondern auch, woher er seine Einnahmen bezieht, weisen die verschiedenen Aufgliederungen des Bundesfinanzgesetzes durch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage deutlich nach. So zeigt eine Zusammenfassung der ordentlichen und außerordentlichen Gebarung des Bundesvoranschlages für 1960, daß die weitaus wichtigste Einnahmsquelle nach wie vor die Aufbringung der öffentlichen Abgaben ist. Die Gesamtgebarung der Hoheitsverwaltung, in welcher ja die Einnahmen den öffentlichen Abgaben veranschlagt werden, zeigt einen Ueber- schuß von 561 Millionen Schilling. Neben der Hoheitsverwaltung können nur noch die Monopole einen Ueberschuß, und zwar in Höhe von rund 84 Millionen Schilling, beisteuern. Hingegen rechnet der Bundesvoranschlag für das kommende Finanzjahr bei den Bundesbetrieben mit einem Abgang von 206 Millionen Schilling und bei den Bundesbahnen sogar mit einem Abgang von 1737 Millionen Schilling. Ob der Staat die veranschlagten Einnahmen bei den öffentlichen Abgaben erzielt, hängt freilich auch vom Gedeihen der gesamten Volkswirtschaft, von der Höhe der Einkommen und der Umsätze im kommenden Jahr ab.

Die Feststellung, daß der Staat seine Einnahmen dort erschließt, wo er als Hoheitsträger Zwangsabgaben einhebt, daß er jedoch aus dem Betriebe wirtschaftlicher Unternehmungen keinen Nutzen zieht, da ja die Gesamtgebarung der Bundesbetriebe und Bundesbahnen passiv ist, führt weiter zu der Frage, ob vielleicht diè verstaatlichten Betriebe dem Bundesbudget irgendwelche Geldmittel zuschießen. Leider findet aber der Sektor der verstaatlichten Wirtschaft sowohl im Bundesvoranschlag als auch im Bundesrechnungsabschluß nur einen sehr unzulänglichen Niederschlag. Die Monopole, Bundesbetriebe und Bundesbahnen, sind keine eigenen Wirtschaftskörper und scheinen daher mit ihren Bruttoausgaben und Bruttoeinnahmen in der Staatsrechnung auf. Hingegen sind die verstaatlichten Unternehmungen eine selbständige Kapitalgesellschaft, so daß ihre Gebarung im Bundeshaushalt nicht inbegriffen ist. Lediglich bei Kapitel 18, „Kassenverwaltung“, wurden Einnahmen aus den Erträgen der Anteilsrechte des Bundes sowie aus Veräußerungen von Anteilsrechten und Liquidationserlösen in Höhe von 335 Millionen Schilling veranschlagt, denen aber Ausgaben für Kapitalsbeteiligungen und Barentschädigungen, für Kosten aus der Verwaltung und Veräußerung von Anteilsrechten sowie aus den Ueberweisungen an den Investitionsfonds in Höhe von 354,4 Millionen Schilling gegenüberstehen.

Außer diesen wenigen Zahlen geben weder das Bundesfinanzgesetz bzw. der Bundesvor anschlag selbst noch deren Erläuterungen Aufschlüsse über den so bedeutenden Sektor der verstaatlichten Betriebe. Dieser Mangel fällt um so mehr ins Gewicht, als der Gesamtrahmen der Gebarung der verstaatlichten Betriebe bei 20 Milliarden Schilling im Jahr liegen dürfte, also ungefähr die Hälfte des derzeit genau nachgewiesenen und zergliederten Bundesvoranschlages ausmacht. Die Zahl der jn den verstaatlichten Betrieben beschäftigten Arbeitnehmer beträgt derzeit ungefähr 120.000.

Um nicht mißverstanden zu werden: Nicht das Problem, ob die Verstaatlichung befürwortet oder abgelehnt werden soll, steht hier zur Diskussion, sondern nur die Tatsache, daß sich der Bereich der verstaatlichten Betriebe einer demokratischen Kontrolle entzieht. Ja, man könnte fast sagen, daß bisher in Oesterreich überhaupt nur Betriebe entprivatisiert, nicht aber verstaatlicht bzw. in den Besitz der Allgemeinheit übergeführt worden sind! Denn weder erspart sich die Allgemeinheit etwas an öffentlichen Abgaben — da die Führung und

Verwaltung der verstaatlichten Betriebe ja keine Ueberschüsse im Bundeshaushalt aufweist — noch hat die Allgemeinheit irgendeinen Einfluß auf den Sektor der verstaatlichten Wirtschaft. Nicht einmal die vom Volk gewählten Vertreter, also die Abgeordneten zum Nationalrat, haben im Rahmen der Budgethoheit irgendeine Möglichkeit der Einflußnahme auf die Lenkung und Leitung der verstaatlichten Wirtschaft. Sosehr man es begrüßen kann, daß immer mehr getan wird, um die demokratische Kontrolle des Staatshaushaltes im Rahmen der Hoheitsverwaltung und der eigentlichen Staatsbetriebe zu ermöglichen, ebensosehr muß man auch fordern, daß ähnliche Möglichkeiten auch für den Sektor ‘ der verstaatlichten Betriebe geschaffen werden. Denn die Staatsführung soll in einer Demokratie zweifellos nicht nur hinsichtlich der Hoheitsverwaltung und der Staatsbetriebe einer genauen Kontrolle durch die Volksvertretung und die Allgemeinheit unterliegen, sondern mindestens ebenso auch dort, wo sie als mächtiger Wirtschaftsunternehmer in Erscheinung tritt!

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