6752227-1967_32_09.jpg
Digital In Arbeit

Statt neun nur mehr zwei Stunden

Werbung
Werbung
Werbung

Die ganz formlos in Betrieb genommene Brennerbahn hat ihre Notwendigkeit durch die Leistung seitdem bewiesen. Zwar als eingleisige Bahn 1867 eröffnet, doch bereits auf Zweigleisigkeit angelegt und bis 1908 mit den letzten zweigleisigen Abschnitten Bozen—Atzwang und Brixen—Franzensfeste voll ausgebaut, ist sie so vorausschauend von Ing. Etzel und Thommen geplant und angelegt worden, daß Verkehrsfachleute unserer Zeit erklären, eine glücklichere und zweckmäßigere Wahl der Trasse wäre nicht möglich gewesen. Freilich ist die Anfälligkeit gegen Naturunbilden, welche schon durch Überschwemmungen, Felsstürze, Vermurungen und Lawinen den Bau erschwerten, ein Problem für sich geblieben.

Bereits 1868 war im Oktober die Strecke Klausen—Bozen acht Tage, die Strecke Bozen—Trient 28 Tage und im Abschnitt Auer—Salurn durch Hochwasserfolgen 49 Tage unterbrochen. Daran sei erinnert, wenn auch 1966 längere Verkehrsunterbrechungen und Buletzt dm Juli dieses Jahres eine mehrtägige „Pause“ durch eine Vermurung bei Mittenwald erfolgt ist.

Mit dem technischen Fortschritt wurde die Brennerbahn laufend modernisiert. So wurden etwa die Zugsgeschwindigkeiten in einem Jahrhundert von neun Stunden für einen Güter-, sechs für einen Personen- und vier für einen Schnellzug auf 2V« Stunden für einen Eilgüterzug und zwei Stunden für einen TEE wie den Expreßzug Mediolanum verringert; wobei die seit 1918 bestehende Grenze am Brenner mit ihren Formalitäten noch einzurechnen ist.

War die Höchstbelastung für einen Schnellzug 70 Tonnen, für einen Personenzug 110 Tonnen und für einen Güterzug theoretisch 300 Tonnen (bei Zügen mit zwei Lokomotiven 350 Tonnen), tatsächlich aber meist bei Güterzügen nur 178 (beziehungsweise 278 Tonnen), so wurden die Leistungen bis heute verdoppelt, ja noch mehr erhöht, und seit 1956 führt eine Lokomotive Schnellzüge mit 500 Tonnen und Lastzüge mit 550 Tonnen (mit zwei Lokomotiven mit 1000 Tonnen). Fuhren 1867 täglich zwei Zugspaare im Personen-und einige Zugspaare im Lastverkehr, rund ein Dutzend Züge, so verkehren in diesem Jahr im Sommerfahrplan elf Expreß-, zwölf Personen- und zwölf Güterzugspaare regelmäßig und einige weitere gelegentlich, täglich über 70 Züge. Das bisherige Höchstleistungsaufkommen in 24 Stunden waren 288 über den Brenner geführte Züge.

Der Lastgüterteilverkehr mit einer Dauer von acht Stunden von der Beladung in Verona bis zur Entladung in der G^roßmarkthalle München beziehungsweise Weiterleitung nach Hamburg und anderen deutschen Zielstationen ist konkurrenzlos schnell im Vergleich mit der Dauer des Lastkraftwagenverkehrs über die Brennerstraße mit häufig ebenso langen Wartezeiten. Eine

Jahresleistung von 374.000 Waggons über die Brennerstrecke — derzeit 315.000 Waggons — war im zweiten Weltkrieg der Höhepunkt der Verkehrsleistung.

Die Konkurrenz — Straße

Ließ die Eröffnung der Bahn 1867 die Brennersstraße veröden, so ist seitdem insbesondere seit 1945 die Straße wieder stark frequentiert und zu, einer ernsten Konkurrenz für die Eisenbahn geworden. Die Eisenbahn beförderte im ersten vollen Betriebs-jahr 1868 200.000 Fahrgäste, 1960 aber 2,3 Millionen. 1966 wurden am Brenner 2,556.525 Reisende in beiden Fahrtrichtungen gezahlt, außerdem im Korridorverkehr Innsbruck— Lieniz 88.425 Reisende. So erreichte der Güterverkehr über den Brenner 1959 rund 2,44 Millionen Tonnen, von denen fast zwei Millionen Tonnen auf den Transit durch Österreich, 250.000 Tonnen auf die Einfuhr nach Österreich und 214.000 auf die Ausfuhr nach Italien entfielen. Im gleichen Jahr betrug der Güterverkehr auf der Brennerstraße 332.000 Tonnen und äst seitdem sprunghaft bis 1966 auf 2,752.654 Tonnen gestiegen und scheint die Bahn zu überflügeln, obwohl diese vielfach schneller transportieren kann. Im “Vergleich zum Bahngüterverkehr stieg der Straßengüterverkehr von 1955 erst ein Prozent, 1957 vier Prozent, 1959 zwölf Prozent bis 1966 auf gleiche Höhe!

Zwischen den beiden Weltkriegen erfolgte der Übergang vom Dampfbetrieb zur Elektrizität. Am 5. Oktober 1928 wurde der elektrische Betrieb Innsbruck—Brenner, 1929 der Strecke Bozen—Brenner, 1934 Bozen —Trient und 1941 Trient—Verona eröffnet. In Übereinstimmung mit Deutschland und der Schweiz führte Österreich Einphasenwechselstrom, Italien hingegen für die Strecke Brenne:'—Bozen hochgespannten Drehstrom und für die Strecke von Bozen südwärts Gleichstrom ein. Das bedeutete im internationalen Verkehr zweimaligen Lokomotivwechsel.

Das Gespenst der Umfahrung Tirols, das heute bei den Projekten zu neuen Durchgangsschnellstraßen an die Wand gemalt wird, das eine Triebkraift beim Ausbau der Brenner-, Inntal-, Zillertal-, Fernpaß-Reschen-Stfflfserjoch-Schnellstraße, Felbertauemtunnel, der unvollendeten Timmeljoch- und Pfitscherjoch-straße ist, wurde auch beim Kampf um die Erbauung der Brennereisenbahn ins Gespräch gebracht, und heute beflügelt es die Forderung nach Modernisierung der Bahn.

Auch die Straßenkonkurrenz fordert gebieterisch Maßnahmen. Im Personenverkehr hat die Brennerbahn gegenüber allen anderen alpen-überqueremden Bahnen die erste Stelle, im Güterverkehr wurde sie von der Gotthardbaho überflügelt.

So kann man der Brennerbahn zum 100. Geburtstag Modernisierung der Strecke zwischen Innsbruck und Bozen und Reduzierung der Grenz-, Zoll- und Finanzformalitäten auf ein Mindestmaß und Durchführung in kürzester Zeit wünschen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung