Spiritualität Meditation - © Bild von Benjamin Balazs auf Pixabay

Kunst des Atmens: Tiefgehende Inspiration

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Im Zeitalter der Globalisierung werden nun östliche ebenso wie westliche Konzepte herangezogen, um das Mysterium des Atmens zu ergründen.

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Im Zeitalter der Globalisierung werden nun östliche ebenso wie westliche Konzepte herangezogen, um das Mysterium des Atmens zu ergründen.

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Am Anfang des Lebens ist -der Atem. Das gilt nicht nur für jedes Baby, das den Mutterleib verlässt und erstmals seine Lungen füllt. Im christlichen Schöpfungsglauben ist das noch viel grundsätzlicher gedacht: Denn im biblischen Wortlaut schenkt Gott dem Menschen das Leben, indem er ihm "den Atem einbläst." Der hebräische Begriff "Ruah" und das griechische "Pneuma" bezeichnen sowohl den Lufthauch, der durch den Körper strömt, als auch den Geist Gottes. Auch die romanischen Sprachen verbinden den Prozess der Atmung (Respiration) mit der Sphäre des Spirituellen; in beiden steckt das lateinische Wort "spiritus".

Dass der Mensch über den Atem einen Zugang zur Transzendenz erlangen kann, ist in östlichen Kulturen ebenfalls sehr früh bezeugt. Bereits um das erste Millenium vor Christus gingen Taoisten und Hinduisten davon aus, dass sich im Atem eine allumfassende Lebensenergie offenbart, die den menschlichen Körper durchfließt. Die Chinesen bezeichneten sie als "Qi", die Hindus als "Prana". Das "Pranayama", die gezielte Beeinflussung des Atems, ist eine der Säulen des altindischen Yoga-Systems. Es gründet auf der wohl ältesten Theorie, wie man geistige Prozesse durch spezielle Atemtechniken beeinflussen kann. Die beschriebenen Wirkungen sind eindrucksvoll: heilsame Bewusstseinsverfassungen, Gesundheit und Langlebigkeit. In der buddhistischen Tradition, die auf dem fruchtbaren Nährboden der indischen Yoga-Praktiken entstanden ist, spielt das bewusste Atmen ebenso eine wichtige Rolle. Eine der zentralen Meditationsanleitungen, die dem Buddha zugeschrieben werden, lautet "Anapanasati" - zu deutsch "Achtsamkeit während des Ein-und des Ausatmens".

Globalisierung der Konzepte

Im 20. Jahrhundert wurde der Atem auch für westliche Wissenschaftler und Therapeuten interessant: Der deutsche Psychiater Johannes Heinrich Schultz begründete in den 1920er-Jahren das Entspannungsprogramm des "autogenen Trainings", das u. a. auf tiefen, langen Atemzügen beruht. Sein tschechischer Kollege Stanislav Grof hingegen erforschte Jahrzehnte später die Hyperventilation durch beschleunigte Atmung: Er wollte seine Patienten auch nicht beruhigen, sondern in außergewöhnliche Bewusstseinszustände versetzen. Nachdem ihm die umstrittene Arbeit mit halluzinogenen Drogen wie LSD Schwierigkeiten eingebracht hatte, sah er im "Holotropen Atmen" eine viel einfachere Methode, um bislang verborgene Persönlichkeitsanteile ans Licht zu bringen. Einen anderen Ansatz verfolgt die Atemtherapie und Atempädagogik, die vom deutschen Arzt Johannes Ludwig Schmitt inspiriert wurde: Hier geht es darum, den ganz natürlichen Atemfluss zu fördern, denn der Atem "verträgt es nicht, in Schemata und Konzepte eingespannt zu werden: Er ist das Freieste auf der Welt." (Herta Richter)

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