Tim Parks - © Basso Cannarsa

Tim Parks: „Es gibt nur scheinheilige Rhetorik“

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Tim Parks hat 35 Jahre an einer Mailänder Hochschule gelehrt. Der englische Schriftsteller über die grassierende „Copy-­paste“-Mentalität und seinen tiefsitzenden Uni-Frust.

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Tim Parks hat 35 Jahre an einer Mailänder Hochschule gelehrt. Der englische Schriftsteller über die grassierende „Copy-­paste“-Mentalität und seinen tiefsitzenden Uni-Frust.

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Bekannt ist Tim Parks vor allem als Schriftsteller und Übersetzer, als Autor von mehrfach übersetzten Romanen wie „Stille“ (2006), „Träume von Flüssen und Meeren“ (2009) oder „Thomas und Mary“ (2017). Doch der 66-jährige Brite, der seit 1981 in Italien lebt, hat auch langjährige Erfahrung als Hochschullehrer. An der IULM-Universität in Mailand war er von 1984 bis 2019 Dozent für literarische Übersetzung. Sein jüngster Roman „Italian Life“ (2020, noch nicht ins Deutsche übersetzt) spielt nicht zufällig in der „unglücklichen Atmosphäre“ einer italienischen Universität. Im schriftlich geführten FURCHE-Interview übt Parks scharfe Kritik an den jüngsten Entwicklungen im Hochschulbereich.

DIE FURCHE: Herr Parks, Sie haben 2019 Ihre Tätigkeit als Uni-Lehrer vorzeitig an den Nagel gehängt und sprachen vom „Ende einer Kultur, in der Lernen eine kollektive soziale Erfahrung war“. Was hat Sie so resigniert gemacht?

Tim Parks: Mir erschien mein Job zunehmend sinnlos. Positiv war natürlich immer die Erfahrung mit teils sehr intelligenten Studierenden. Aber die Tatsache, dass ein Uni-Abschluss heute für fast jeden aus der Mittelschicht als wesentlich gilt, bedeutet, dass man immer mehr Leute unterrichtet, die nur Zeugnisse sammeln, um ihr „Ticket zu lösen“. Es gibt eine wachsende Kluft zwischen jenen, die ernsthaft studieren, und einer Mehrheit, die das nicht mehr tut. Nachdem Handys und Laptops Einzug an den Unis gehalten hatten, hat sich die Situation verschlimmert – denn jetzt gibt es unendliche Ablenkung. Der positive „Spirit“, der entstehen kann, wenn man zum Lernen zusammenkommt, wird zerstreut und geschwächt. Es gab Zeiten, in denen mich das Gefühl beschlich, dass sich der Unterricht gar nicht mehr lohnte. In Kombination mit einer miserablen Politik und Finanzierung, die ja typisch für das akademische Leben sind, brachte mich das dazu, zu gehen.

DIE FURCHE: Apropos Ablenkung: Was bedeuten Computer, Internet und Smartphone für die Entwicklung von kognitiven „Skills“ und Fähigkeiten?

Parks: Wir wissen wohl alle, wie schwierig es ist, sich vor einem Computer zu konzentrieren, der einen ständig mit Nachrichten bombardiert und zum Medienkonsum animiert. Es war völlig verrückt, diese Geräte im Unterricht zuzulassen. Genauso gut könnte man Fußballspielern erlauben, ihre Handys mit aufs Spielfeld zu nehmen.

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