7084813-1994_11_13.jpg
Digital In Arbeit

Uber die Fabrik von nebenan

Werbung
Werbung
Werbung

Von Betriebsanlagen ausgehende Gesundheitsund Umweltgefahren lassen sich zumeist räumlich nicht begrenzen; Akteneinsicht zur Beurteilung der Gefahren steht aber nach den verschiedenen umweltrechtlichen Vorschriften (Wasserrechtsgesetz, Gewerbeordnung et cetera) nur den Nachbarn als Verfahrensparteien zu.“ – Diese und ähnliche Kritiken mußte der Gesetzgeber in den letzten Jahren wiederholt einstecken.

Mit dem am 1. Juli 1993 in Kraft getretenen Umweltinformationsgesetz (UIG) besteht nunmehr ein generelles und umfassendes Recht auf Mitteilung von Umweltdaten, das jedermann Akteneinsicht sowie die Übermittlung von Abschriften, Ausdrucken und dergleichen gewährt. Die von den Behörden befürchtete Antragsflut ist bisher jedoch nicht eingetroffen.

Laut Hans Lopatta vom Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie kommt das nicht überraschend: „Die Informationsneigung der Bevölkerung hat unwesentlich zugenommen. Dies entspricht unseren Einschätzungen, da auch nach Inkrafttreten des Auskunftspflichtgesetzes der erwartete Ansturm ausgeblieben ist.“

Ganz einsichtig ist dieses bescheidene Interesse nicht. Das UIG räumt nämlich jedem, unabhängig davon, ob er in räumlicher Nähe zur betreffenden Anlage wohnt oder nicht, freien Zugang zu vorhandenen Umweltdaten ein. Dabei kennt das Gesetz sowohl passive Informationspflichten (Beantwortung einer Anrage durch die Behörde) als auch die eigeninitiative Bekanntmachung durch Veröffentlichung.

Der Gesetzgeber hat den Erfahrungen aus dem Umgang mit Industrieanlagen Rechnung getragen. Große Deponien, Verbrennungsanlagen und so fort haben nach heutigem Wissensstand ein großräumiges Emissionsverhalten. Mit dem UIG kann nunmehr auch ein Salzburger Informationen über eine Wiener Anlage einholen. Zur Auskunft verpflichtet sind alle Behörden, die mit Jmweltbelangen befaßt sind, also etwa die Bezirkshauptmannschaften, die zuständigen Landesbehörden, die Wiener Magistrate oder das Ümweltministerium.

Das UIG versteht den Begriff Umweltdaten sehr weiträumig. Zum einen sind davon Daten erfaßt, die sich auf den Zustand von Gewässern, der Luft, des Bodens, der Pflanzenund Tierwelt sowie der natürlichen Lebensräume beziehen (zum Beispiel Umweltberichte, Luftgütemessungen). Andererseits werden auch Einsichtsrechte in private und öffentliche Vorhaben, soweit sie Gefahren für die Gesundheit oder Umwelt auslösen können, umfaßt. Der einzelne kann daher bei potentiell umweltgefährdenden Betrieben in die bei den Behörden erliegenden Akten einsehen beziehungsweise Mitteilungen über derartige Umweltdaten verlangen. Nach Paragraph vier des Gesetzes ist der Nachweis eines Rechtsanspruchs oder rechtlichen Interesses nicht erforderlich.

TELEFONISCHE ANFRAGEN

Ein Informationsbegehren kann schriftlich beziehungsweise telegraphisch oder per Telefax eingebracht werden. Nur in jenen Fällen, in denen nur eine rasche Beantwortung sinnvoll ist (tagesaktuelle Ozonmeßwerte), haben die Behörden mündliche oder telefonische Anfragen entgegenzunehmen und zu beantworten.

Schriftliche Anfragen sollten zweckmäßigerweise ein genaues Begehren beinhalten (zum Beispiel welche Abfälle werden auf der Deponie XY abgelagert); andernfalls wird dem Informationssuchenden eine längstens zweiwöchige Frist zur Präzisierung eingeräumt.

Die Behörden haben den freien Zugang jedenfalls bei Daten über den allgemeinen Zustand eines Schutzgutes (zum Beispiel Luft), über den Verbrauch natürlicher Ressourcen sowie über das Emissionsverhalten hinsichtlich bestimmter Schadstoffangaben einer Anlage mitzuteilen. Bei anderen Umweltdaten haben sie eine Abwägung zwischen den Interessen des Anlagenbetreibers an deren Geheimhaltung und dem Informationsinteresse des Bürgers beispielsweise wegen Gesundheits- und Umweltgefahr vorzunehmen.

In der Praxis dürfte das größte Interesse der Bevölkerung im Bereich der Abfallbehandlung liegen. Zumindest die an das Bundesministerium gerichteten Anfragen würden primär Fragen der Abfallwirtschaft setreffen, hält Lopatta fest.

Das UIG verpflichtet die Behörde, über Anfragen spätestens innerhalb von acht Wochen ab deren Einbringung zu entscheiden. Diese Frist darf nur aus „besonderen Gründen“ verlängert werden, wovon der Anfragende zu verständigen ist. Zu einer Überschreitung der Frist komme es laut Lopatta in der Praxis aber so gut wie nie; die Behörden hätten die Anfragen gut im Griff. Die Beantwortung der Behörden kann eine schriftliche Auskunftserteilung, aber auch die bloße Übermittlung von Ausdrucken oder Fotokopien sein. Wird die Erledigung des Begehrens aufgrund der Interessenabwägung abgelehnt, hat die jeweilige Behörde dies zu begründen und auf Antrag einen Bescheid zu erlassen. Dagegen steht dem Informationssuchenden die Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat des betreffenden Bundeslandes offen.

Zumeist wird es für den Bürger schwierig abzuschätzen sein, welche Behörde über welche Informationen verfügt. Der Gesetzgeber hat auch dieses Problem berücksichtigt und die Behörden zur internen Übermittlung von Umweltdaten verpflichtet.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung