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Unfälle lassen sich vermeiden

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Die Automobilindustrie hat sehr viel geleistet, um trotz stärkerer Motoren und höherer Spitzengeschwindigkeiten gegen den vorzeitigen Tod ihrer Kunden anzukämpfen. Trotz des wesentlich höheren Verkehrsaufkommens starben im Vorjahr im Straßenverkehr nur etwa halb soviele Menschen wie etwa 1972. Seit damals haben Schlagworte wie „aktive” und „passive Verkehrssicherheit” nicht nur in der Auto-Werbung erheblich an Bedeutung gewonnen.

Unter „aktiver Verkehrssicherheit” verstehen die Autohersteller Einrichtungen, die von vornherein einen Unfall vermeiden sollen. Den meisten Lenkern ist ja durchaus die Wichtigkeit guter Bremsen oder Reifen bewußt, vielen ist auch ABS (Anti-Blockier-System) noch ein Begriff. Was sich hinter Kürzeln wie ESP („Electronic Stability Program”, Mercedes) oder ASC („Automatic Stability Control”, BMW) verbirgt, wissen nur wenige - vermutlich eher finanzkräftige - Autofahrer. Denn revolutionäre Innovationen auf dem Gebiet der Verkehrssicherheit sind üblicherweise vorerst Fahrzeugen der gehobenen Preisklassen vorbehalten.

Risikofaktor Mensch

Im Interesse der Sicherheit werden verstärkt Mediziner und Psychologen in die Autoentwicklung einge-

Moderne Automobile

sind weit sicherer als ihre Vorgänger noch vor zwei bis drei Jahrzehnten. Das läßt sich generell und stark vereinfacht sagen.

bunden. Das Armaturenbrett soll übersichtlich sein, Schalter müssen leicht bedient werden können, die Aufmerksamkeit des Fahrers darf möglichst nur dem Verkehr gewidmet sein. Selbst in die Entwicklung von Autositzen, die die Ermüdung des Fahrers auf langen Strecken gering halten sollen, wird mitunter jahrelange Forschung investiert.

Eines naben Medizin, Psychologie und Biologie nämlich bewiesen: Prinzipiell ist der Mensch denkbar ungeeignet für eine schnellere Fortbewegung als die auf zwei Füßen möglich ist. Sowohl durch seinen Körperbau wie auch die Funktionsweise von Wahrnehmung und Gehirn.

- Mercedes Benz steckt daher viele Millionen DM in die Erforschung und Analyse des menschlichen Handelns hinter dem Volant. So konnte zum Beispiel nachgewiesen werden, daß bestimmte Wetterlagen unmittelbaren Einfluß auf Unfallzahlen haben. Gemeint ist damit nicht etwa Glatteis auf der Straße sondern die Wetterfühligkeit vieler Autofahrer. Zwar kann Mercedes nicht das Wetter beeinflussen, wohl aber das Klima im Fahrzeuginneren. Daher versuchen die Konstrukteure in Stuttgart, auch in diesem Bereich im Sinne verbesserter Sicherheit ideale Bedingungen für den Lenker zu schaffen.

Ähnliche Überlegungen führten bei BMW zur Entwicklung eines Systems (AUC), das automatisch die Luftzufuhr von außen stoppt, wenn im Smog des Staus eine bestimmte Schadstoffgrenze überschritten wird. So nach dem Motto: Was nützt das

übersichtlichste Armaturenbrett, wenn der Fahrer schon benebelt ist...

Die Zielvorgabe ist klar: Das Auto soll möglichst immer in jene Bich-tung fahren, in die der Lenker gerne will. Um das bei möglichst jeder Witterung zu erreichen, haben sich die Fahrzeugtechniker in aller Welt so manches einfallen lassen.

Strassenlage

In Frankreich entwickelten die Konstrukteure von Citroen schon vor 30 Jahren ein hydraulisches Federungssystem; es sollte sowohl den Kontakt des Autos zur Straße optimieren wie auch für besonderen Komfort sorgen. Die bereits bewährte Citroen-„Hydropneumatik” wurde nun durch moderne Elektronik zur „hydraktiven Federung” beziehungsweise zum System „Aktive Fahr-werkStabilisierung” ergänzt. Sie ermöglicht, daß die Abstimmung der Federung blitzschnell der momentanen Straßenlage und Geschwindigkeit angepaßt wird. Das Auto neigt sich in Kurven kaum zur Seite, bleibt ruhig auf der Straße und fährt sich, ob beladen oder unbeladen, immer gleich. Bei Nissan ist man auf die „Multi-Link-Beam-Hinterrad-aufhängung” des neuen Maxima QX stolz, eine Weiterentwicklung im konventionellen Bereich.

Elektronik spielt beim jüngst präsentierten „Electronic Stability Program” (ESP) von Mercedes und Bosch die wesentlicher Rolle. Dieses neue Regelsystem soll die Schleudergefahr von PKW in Kurven drastisch verringern. Ein Computer

analysiert über Sensoren jede Bewe-gung des Fahrzeuges, Raddrehzahlen, Bremsdruck und Lenkwinkel. Refindet sich das Fahrzeug in einem kritischen Fahrzustand, kann der Computer genau dosiert bremsen -nur ein Rad oder auch mehrere -und die Motordrehzahl senken. Auf diese Art ist er in der Lage, Fahrfehler seines „menschlichen Kollegen” zu korrigieren. Der Erfolg im Fahrsimulator-Test war beeindruckend: Es wurden fast 80 Prozent Glatteisunfälle verhindert.

Auch die „Automatic Stability Control” (ASC) von RMW soll dem Auto durch blitzschnelle Elektronik quasi flinke Füße verleihen - damit sich der Lenker in einer zu schnell gefahrenen Kurve die eigenen nicht verstauche ...

Allradantrieb

Im Sinne besserer Straßenlage bieten etliche Hersteller auch vierrad-getriebene Modelle an. Subaru -Spezialist auf diesem Gebiet - stellt die unbestrittenen Vorteile dieser Antriebsvariante sogar in den Mittelpunkt seiner Sicherheits-Werbung: „Unfallvorbeugung durch Allradantrieb!” Wesentliche Unterschiede zwischen „quattro”, „4x4” oder „4WD” bestehen darin, ob alle vier Räder permanent angetrieben werden oder ob die Motorkraft durch - erraten! - Elektronik der Situation entsprechend verteilt wird.

Computertechnik scheint auf dem Gebiet der aktiven Sicherheit die unumstrittene Zukunft zu sein. In diesem ^ Zusammenhang sind Zu-

kunftsprojekte wie „ISIS” oder „PROMETHEUS” höchst interessant. „ISIS” ist ein Projekt der französischen PSA-Gruppe (Citroen, Peugeot), an der internationalen „PROMETHEUS”-Forschung sind elf europäische Autohersteller beteiligt. Ziele sind die Erhöhung der Sicherheit und eine allgemeine Optimierung des Verkehrs (auch was ökologische Ansprüche betrifft).

Elektronische Zukunft

Die mehreren hundert Forscher auf dem Gebiet der automobilen Zukunft erproben das Zusammenspiel intelligenter Systeme im Auto mit entsprechender elektronischer Infrastruktur auf der Straße. Verkehrszeichen sollen zum Beispiel an Autos Signale senden, die dort wieder dem Fahrer besonders zur Kenntnis gebracht werden; zum Beispiel akustisch: „Sie sind zu schnell!” oder durch eine Warnleuchte, wenn Geschwindigkeitsbeschränkungen nicht beachtet werden. Das System könnte ein Fahrzeug auch bremsen, wenn es etwa bei „Rot” in eine Kreuzung einfahren würde. Wesentliches Detail am Rande: Im Bedarfsfall sind solche automatischen Einrichtungen auch vom Fahrer auszuschalten.

Elektronische Co-Piloten könnten auch Auskunft über Staus und freie Parkplätze geben oder im Falle eines Unfalls sofort um Hilfe funken. Kennern der TV-Serie „Knight Ri-der” sind solche zukunftsträchtigen Dialoge mit dem eigenen Auto durch K.I.T.T. wohl schon heute geläufig ...

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