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Vagabunden am Firmament

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Der Komet Hale-Bopp gibt ein kurzes Gastspiel für die Erdenbewohner und begeistert durch seine spektakuläre Erscheinung nicht nur Wissenschafter.

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Der Komet Hale-Bopp gibt ein kurzes Gastspiel für die Erdenbewohner und begeistert durch seine spektakuläre Erscheinung nicht nur Wissenschafter.

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Kometenfieber ist ausgebrochen. Wissenschafter, Hobbyastronomen und Schaulustige beobachten dieser Tage mit gespannter Aufmerksamkeit den mit freiem Auge gut sichtbaren Kometen Hale-Bopp. Am frühen Abend bietet er im Nordwesten und vor Einbruch der Morgendämmerung im Nordosten über dem Horizont ein spektakuläres Schauspiel, vorausgesetzt, das Wetter spielt mit. In ganz Osterreich wurden bereits Beobachtungsstationen errichtet.

Der außergewöhnlich helle Komet Hale-Bopp wurde bereits in der Nacht zum 23. Juli 1995 von den beiden Amateur-Astronomen Alan Haie und Thomas Bopp aus Arizona entdeckt. Damals war er noch mehr als eine Milliarde Kilometer von der Sonne entfernt.

Am 23. März kommt Hale-Bopp mit einer Entfernung von 200 Millionen Kilometer der Erde am nächsten und wird dadurch am besten sichtbar sein. Wenige Tage später, am 1. April, erreicht der Komet seinen sonnennächsten Punkt und ist dann, so vermutet das ' Fachblatt „Spektrum der Wissenschaft”, 100-fach heller als die hellsten Sterne im Sternbild And-romeda, in dem er sich zu diesem Zeitpunkt befindet. Danach macht Hale-Bopp eine Kehrtwende und verschwindet wieder in den Weiten des Weltalls.

Kometen sind locker aus Wassereis, gefrorenen Gasen und Staub zusammengeballt - vergleichbar mit überdimensionalen, schmutzigen Schneebällen. Je näher Kometen der Sonne kommen, desto mehr Eis verdampft. Der typische „Schweif” entsteht.

Hale-Bopp ist ein sogenannter langperiodischer Komet- seine Besuche sind selten. Das letzte Mal zog er um das Jahr 2200 vor Christus an der Erde vorbei. Erst in 2500 Jahren wird er erneut ein kurzes Gastspiel am Firmament geben.

Daß Kometen nicht nur ein wunderschönes Naturschauspiel sind, sondern auch Planeten wie der Erde gefährlich nahe kommen können, bewies das jähe Ende des Kometen Shoemaker-Levy (siehe „Besucher aus fernen Regionen”) - er kam Jupiter zu nahe und wurde durch dessen Gezeitenkraft auseinandergerissen. Die Trümmer stürzten auf den Planeten.

Warum üben diese schmutzigen Schneebälle aber auf Wissenschafter eine derart unwiderstehliche Anziehungskraft aus?

„Kometen sind zum größten Teil nichts anderes als unverfälschte Überbleibsel aus jenem Stadium, in dem unser Sonnensystem entstanden ist,” erklärt Siegfried J. Bauer, Vorstand des Institutes für Meteorologie und Geophysik an der Universität Graz und Abteilungsleiter des Institutes für Weltraumforschung der Akademie der Wissenschaften in Graz.

Vor schätzungsweise 4,5 Milliarden Jahre hat sich unser Sonnensystem gebildet. Seit diesem Zeitraum hat sich auf der Erde und auf anderen Planeten viel verändert. Nicht jedoch, so'vermuten Wissenschafter, auf Kometen, da sie sich die meiste Zeit sehr weit außerhalb unseres Sonnensystems aufhalten. „Das ist so, als ob man etwas in einer Gefriertruhe aufbewahrt”, zieht Rauer einen Vergleich. Ein winziges Fenster um der Beantwortung der Frage näherzukommen: „Wie ist das Weltall und unsere Erde entstanden?”

Kometen und Meteoriten sind in letzter Zeit aber auch deshalb auf Interesse gestoßen, weil Wissenschafter vermuten, daß sie organische Substanzen, also die Bausteine des Lebens, auf die Erde gebracht haben könnten und damit so etwas wie kosmische Geburtshelfer für irdisches Leben wären. „Ich wäre nicht überrascht, wenn sich diese Theorie bestätigen würde. Organische Substanzen könnten sehr wohl von außen geliefert worden sein”, bestätigt auch Bauer. In der ersten Milliarde von Jahren ist die Erde regelrecht von Meteoriten und Kometen bombardiert worden. Wahrscheinlicher ist, so die heute gängige Lehrmeinung, daß die Bausteine des Lebens von außen gekommen und nicht auf der Erde entstanden sind. Damit wäre es aber theoretisch möglich, daß auf anderen Planeten Ereignisse stattgefunden haben, die mit denen auf der Erde vergleichbar wären.

Auch beim Kometen Hale-Bopp fanden die Astronomen organische Moleküle, erklärte kürzlich Richard

Koro Reuter

West (Entdecker des nach ihm benannten Kometen „West”), Kometen-Spezialist bei der Europäischen Südsternwarte in einer wissenschaftlichen Zeitschrift. „Die Wahrscheinlichkeit, daß Kometen die Bausteine für das Leben auf die Erde gebracht haben, ist recht groß - Bausteine, aus denen sich unter günstigen Bedingungen auf der Erde die ersten Keime für Leben entwickeln konnten. Durch die Helligkeit von Hale-Bopp wird es auch möglich sein, noch einige neue Moleküle auf ihm zu entdecken.”

Forscherdrang kennt bekanntlich keine Grenzen und so haben Wissenschafter der Europäischen Weltraumorganisation • (ESA) ein ehrgeiziges und gewagtes Projekt entwickelt. Im Jahre 2003 soll sich der Satellit Roset-ta auf den Weg zum Kometen Wirta-nen machen. Im Jahre 2011 wird Ro-setta beim Kometen ankommen, eine Landekapsel soll auf Wirtanen landen und ihn vor Ort untersuchen. Bauer, der bereits viele Jahre für die ESA arbeitet, war in die Planung eingebunden. Das Projekt ist bereits genehmigt, die Experimente ausgewählt. Zwar wissen die Forscher noch nicht so genau, wie fest die Kometenoberfläche sein wird, doch Bauer vermutet: „Das wird so ähnlich sein, als ob man auf einen Gletscher herumsteigen würde, wie Firn.” Ob diese Mission von Erfolg gekrönt sein wird, ist ungewiß, denn Kometen sind unter den Wissenschaftern als die „en-fants terribles” des Sonnensystems verschrieen. Sie passen wegen ihrer Unberechenbarkeit nicht so recht in die mathematische Ordnung unseres Sonnensystems hinein.

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