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Verkehrssicherheit und Sicherheit der Insassen

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Die Wiener Verkehrsenquetc war ehrlich bestrebt, unter Hinzuziehung ausländischer Experten vor allem auf wissenschaftlicher Basis Wege zu finden, die die Verkehrsmisere in Wien und in der Folge auch in den Bundesländern einem gedeihlichen Resultat zuführen. Zumindest ebenso wichtig wie eine Lösung der Verkehrsprobleme an sich ist natürlich, das Fahren so unfallsicher als möglich zu gestalten. Dazu gehört Auch, daß die Fahrzeuge möglichst unfallsicher gebaut werden, das heißt den Insassen maximalen Schlitz bieten. Was dafür zu geschehen hätte, weiß man seit einigen Jahren relativ genau. Interessanterweise machten die Firmen von diesen Kenntnissen keinen Gebrauch, obwohl, namentlich in den USA, riesige Beträge investiert wurden, um festzustellen, welcher Art die Gefährdung ist. Außerdem wurden Statistiken in allen Ländern der Welt ausgewertet, um zu erfahren, welche Sitze besonders gefährdet erscheinen. Hierbei stellte sich bekanntlich heraus, daß der gefährlichste Sitz jener neben dem Fahrer ist. Auf Grund von Versuchen mit Puppen wurden genaue Erkenntnisse über den Vorgang im Inneren des Fahrzeuges bei plötzlichen Fahrtverminderungen gewonnen. All diese Versuche. Statistiken und Erkenntnisse sind so lange umsonst, als man daraus nicht die praktischen

Konsequenzen zieht und entsprechend rigorose Schutzmaßnahmen ableitet. Die interessante Tatsache, daß man sich dieser Erkenntnisse nicht bedient, liegt in den Ueberlegungen der Automobilfabriken bezüglich der Käuferwünsche begründet. Man sollte es nicht für möglich halten, daß diese Schutzmaßnahmen vielfach nur deswegen nicht zur Anwendung gelangen, weil sie angeblich die Innenausstattung eines Fahrzeuges verunzieren würden und es seiner Eleganz berauben. Man hätte hier schon lange von der Fliegerei lernen können, denn hier wird einfach alles zugunsten der Flugsicherheit unternommen, egal, ob dies nun schön und bequem ist oder nicht.

Ford hat nun mit dieser Tradition des ängstlichen Zusehens und Zuwartens gebrochen, indem ,er in seinem neuen Mercury 1956 einfach alles das einbaute, was man heute als Unfallschutz für die Insassen eines Kraftfahrzeuges als zweckmäßig erkannt hat. Und zwar rüstete er dieses Modell mit einem Lenkrad aus, dessen Ring so gestaltet ist, daß das Lenksäulenende tiefer liegt als dieser, wodurch Brustverletzungen bei plötzlichem Aufprall weitestgehend vermieden werden, da der gesamte Ring den aufprallenden Körper aufnimmt. Weiter versah er das Fahrzeug mit Gurten, die den im Flugzeug

seit Jahrzehnten in Verwendung stehenden, bestens bewährten Sicherheitsgürteln gleichen. Wie immer wieder festgestellt werden kann, stören diese Gurten, die mit einem einzigen Griff geschlossen oder geöffnet werden können, die Bewegungsfreiheit überhaupt nicht und werden meist nicht einmal merkbar. Sie vermeiden aber wirkungsvoll, daß die Passagiere durch plötzliche Verzögerung des Fahrzeuges — gewaltsame oder beabsichtigte — von ihren Sitzen gerissen werden. Hiermit sind bereits zwei sehr wesentliche Unfallsursachen ausgeschaltet.

Die schwersten Verletzungen jedoch treten im allgemeinen durch Aufschlagen des Kopfes auf die Windschutzscheibe oder auf das Armaturenbrett auf und dies namentlich bei dem neben dem Fahrer sitzenden Fahrgast. Hier hat nun Ford ebenfalls Abhilfe geschaffen, indem er das gesamte Armaturenbrett mit einer 5 cm starken Schaumgummiauflage versah. Die Gürten in Verbindung mit dieser Schaumgummiauflage dürften in den meisten Fällen voll ausreichend sein, um beim Aufschlagen des Kopfes ernste Schäden zu vermeiden. Alle angeführten Sicherheitsvorkehrungen wurden in einer durchaus schönen und geschmackvollen Art gelöst, so daß das Wageninnere durch die Schutzmaßnahmen nicht verunziert ist.

Die Sonnenblenden, die in heruntergeklapptem Zustand unter Umständen gleichfalls zu Verletzungen iiihren können, wurden ebenfalls schaumgummiarmiert. Damit dem in der Mitte der Windschutzscheibe angeordneten Spiegel ebenfalls seine Gefährlichkeit genommen würde, wurde er mit einem voll drehbaren Kugelgelenk versehen, das beim geringsten unnatürlichen Stoß ein Ausschwenken nach allen Richtungen ermöglicht.

Zu schweren Beschädigungen kommt es häufig auch dadurch, daß die Insassen eines Fahrzeuges bei einer Karambolage vom Innenraum auf die Straße geschleudert weiden, weil sich die Türen von selbst öffnen. Ein Spezialverschluß verhindert beim neuen Mercury auch dies. Außerdem wurden aber auch Bremsen und Rücklichter in Richtung Verkehrssicherheit verbessert.

Alle diese Einrichtungen kommen in der Serienfertigung durchaus nicht teuer, so daß auch billigere Wagen mit einer solchen Ausstattung versehen werden können. Ja es müßte geradezu der Ehrgeiz jeder Automobilfabrik sein — selbst wenn sie nur Kleinlastwagen erzeugt —, sich dieser teuer erworbenen Erkenntnisse der Fahrgastsicherung bei Kraftfahrzeugen zu bedienen. Dies selbst dann, wenn es aus konstruktiven Gründen unter Llmständen nicht immer eine ausgesprochen schöne Lösung sein kann. Sollten dadurch die Erzeugnisse in der Serienfertigung wirklich um einige hundert Schilling teurer werden, dann sind wir bereits heute davon überzeugt, daß das Publikum für eine eventuelle Lebensrettung gern bereit sein wird, diese geringen Mehrkosten zu tragen.

Anderseits aber müssen auch die staatlichen Stellen, voran die Zulassungsbehörden für Kraftfahrzeuge, rigorose Maßnahmen ergreifen, um diese wichtigen Einrichtungen dort zu erzwingen, wo sie nicht freiwillig geschaffen werden. Schließlich und endlich ist es ja auch gelungen, die Herstellerfirmen dazu zu bringen, an ihren Fahrzeugen geräusch dämpfende Auspuff topfe anzubringen. Wir sind jedoch der Meinung, daß sich die Kraftfahrzeugindustrie kaum sonderlich gegen diese Neuerungen auflehnen würde, wenn sie des Verständnisses des Publikums gewiß ist. Ford hat bewiesen, daß weder die Verkehrssicherheit noch die Schönheit eines Fahrzeuges leiden müssen, wenn man die Probleme richtig und mutig löst. Bei einiger Mühe wird es wohl jede Firma fertig bringen, hier einen Weg zu finden. Wenn sich die Konstrukteure über die hübsche Anbringung dieser Schutzmaßnahmen genau so intensiv den Kopf zerbrechen würden wie etwa über die Kühlermaske des nächsten Modelles, dann wären wir heute wahrscheinlich schon so weit, daß all diese Sicherheitsvorkehrungen eine Selbstverständlichkeit darstellten. Es ist zu hoffen, daß die Pioniertat Fords an seinem letzten Mercury-Modell Schule macht und die Fahrzeuge der nächsten Jahre in diesem Sinn adaptiert werden.

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