"Viele Spender wollen kein Geld"

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Die Medizinethikerin Silke Schicktanz über die Vorstellungen von Laien.

Die Furche: Frau Professor Schicktanz, Sie haben an einem EU-Projekt mitgearbeitet, das sich dafür interessierte, wie Menschen aus Holland, Deutschland, Schweden und Zypern über Organtransplantation denken. Warum ist dieses Thema so reizvoll?

Silke Schicktanz: Zurzeit gibt es eine intensive Fachdebatte über Organtransplantation. In die Überlegungen der Experten fließen dabei oft Annahmen ein, wie die Menschen denken und handeln. Nur: Diese Annahmen entsprechen nicht immer der Realität.

Die Furche: Welchen irrigen Vorstellungen hängen die Experten an?

Schicktanz: Zum Beispiel propagieren einige finanzielle Anreize, um den Mangel an verfügbaren Organen zu beheben. Aber empirische Studien zeigen: Viele Menschen wollen gar kein Geld. Sie spenden aus altruistischen Gründen. Wenn man sie bezahlen wollte, würde für sie die Motivation zu spenden wegfallen.

Die Furche: Warum wissen das die Experten nicht?

Schicktanz: Die meisten Experten sind natürlich durch die Wissenschaften geprägt. Sie vertreten oft eine liberale Ethik. Dem Körper wird dabei keine besondere Bedeutung beigemessen. Bei den von uns befragten Laien hingegen konnten wir drei, vier verschiedene Körperkonzepte feststellen.

Die Furche: Was sind das für Körperkonzepte?

Schicktanz: Ganz stark ist etwa die Idee: Mein Körper gehört mir. Ansprüche von andern können so abgelehnt werden. Jedoch geht die Besitz-Metapher nicht soweit, dass die Organe als etwas gedacht werden, das man verkaufen kann oder soll. Andere sind überzeugt, dass ein fremdes Organ etwas Unnatürliches ist. Wir hatten einen Dialyse-Patient, der seit 25 Jahren zur Nierenwäsche geht und partout keine Spenderniere wollte. Wiederum andere empfinden ihr Schicksal als gottgewollt und sagen: Es ist gut so, wie es ist.

Die Furche: Was bedeutet diese Pluralität von Vorstellungen?

Schicktanz: Ich sehe hier eine große Herausforderung für die Debatte. Wenn die Experten nur ihre eigene Weltsicht einbringen, die Laien aber andere Ansichten haben, dann wirft dies ethische, politische und praktische Fragen auf.

Das Gespräch führte Thomas Mündle.

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