Vielseitiger Forscher, virtuoser Vermittler

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Der Nobelpreis ist eigentlich die Krönung eines Forscherlebens. Viele Wissenschaftler bekommen ihn im, wie man sagen könnte, "reiferen" Alter als ultimative Würdigung ihres Lebenswerks. So gesehen war Manfred Eigen mit 40 Jahren fast noch ein "junger Hupfer", als ihm 1967 mit Ronald Norrish und George Porter der Chemie-Nobelpreis zugesprochen wurde. Bereits in den 1950er-Jahren hatte der gebürtige Bochumer für eine Sensation gesorgt: Er wollte sich nicht damit zufrieden geben, dass manche chemische Abläufe als "unmessbar schnell" galten. Der wissenschaftliche Querdenker war fest überzeugt, dass in der Chemie nichts unmessbar sei. Und tatsächlich gelang es ihm, Messmethoden für ultraschnelle Prozesse zu entwickeln. Damit war es erstmals möglich, Reaktionsgeschwindigkeiten von Mikround sogar Nanosekunden zu erfassen - Grund genug für einen Nobelpreis. Angebote renommierter Forschungseinrichtungen in der ganzen Welt waren die Folge. Doch der eloquente Chemiker verfolgte die Idee eines interdisziplinären Instituts unter dem Dach der Max-Planck-Gesellschaft und konnte dort mit der Integration von chemischer, physikalischer und biologischer Forschung reüssieren. "Es ist nicht das Forschungsgebiet, das zählt, sondern die Exzellenz der Individuen", so sein Grundsatz, heute aktueller denn je. Mit Theorien und Experimenten entwickelte er einen molekularen Zugang zur Evolutionsbiologie und eröffnete in den 1980er-Jahren den neuen Forschungszweig der evolutiven Biotechnologie. Damit können grundlegende Mechanismen der Evolution untersucht werden: etwa die Tricks, mit denen das AIDS-Virus und andere Krankheitserreger das Immunsystem überlisten. Zudem lassen sich mittels "Evolutionsmaschinen" neue Wirkstoffe für Medikamente identifizieren. Dabei hätte Eigen genauso Musiker werden können: Als 18-Jähriger faszinierte ihn der Gedanke, Pianist zu werden. Doch während des Zweiten Weltkriegs war es schwer möglich, Klavier zu üben. Somit zeigten die Weichen in Richtung Naturwissenschaft. Virtuos war jedenfalls die Art, wie er seine Begeisterung für die Forschung im Fernsehen und in populärwissenschaftlichen Büchern vermitteln konnte. Der viel geehrte Wissenschaftler ging auch nach seiner Emeritierung 1995 nicht in den Ruhestand: Am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie sowie am "Scripps Research Institute" in La Jolla, Kalifornien, war er bis ins hohe Alter aktiv. Am 6. Februar ist der vielseitige Forscher 91-jährig verstorben.

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