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Völker im Volke Österreichs

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Es wird wohl immer ein Rätsel bleiben, auf welche Weise in Artikel 7 des österreichischen Staatsvertrages 1955 Bestimmungen Aufnahme gefunden haben, nach denen zu den geschützten nationalen Minderheiten in Österreich außer den Slowenen in Kärnten und den Kroaten im Burgenland die Slowenen in der Steiermark gehören, während beispielsweise die wirklich vorhandenen Magyaren im Burgenland nicht genannt sind. Mit Recht hat der damalige VdU-Abgeordnete zum Nationalrat Dr. Pfeifer im österreichischen Nationalrat80 noch vor der Botschafterkonferenz am 28. April 1955 eine Revision des bereits diese eigenartige Bestimmung enthaltenden Artikel 7 des Staatsvertragsentwurfes beantragt. Wenn er damit nicht durchdrang, so nur deshalb, weil man damit nicht das ganze Vertragswerk gefährden wollte.

Ein Anachronismus

Durch die Aufnahme der Slowenen in der Steiermark hat eine Sprachminderheit, die nur als Splittergruppe kleinsten Ausmaßes im Sinne einer reinen Sprachminderheit gelten kann, im Staatsvertrag einen völkerrechtlichen Schutz erhalten, der ein Anachronismus und zufolge Fehlens des Rechtsschutzinteresses gegenstandslos ist. Wahrscheinlich schwebte irgendeinem der nicht allzu sachkundigen Redaktoren des Staatsvertragsentwurfes in dessen ursprünglicher Form81 vor Augen, daß im alten österreichischen Kronland Steiermark sehr viele Slowenen ihre angestammte Heimat hatten, er hatte aber nicht bedacht, daß im Friedensvertrag von St. Germain alle slowenischen Gebiete der Untersteiermark und dazu noch uraltes deutsches Inseldeutschtum dortselbst

Daneben wurde auch die Volkszugehörigkeit gezählt, doch ergab diese wie auch sonst nur sehr wenige Personen, die sich nicht zum deutschen Volk bekannten. Es waren dies in ganz Steiermark nur 218 Personen, die sich als Slowenen, und 13, die sich als Windische bekannten. Hievon entfielen 112 Slowenen und 9 Windische auf den Stadtkreis Graz, ein Gebiet also, in welchem es keine bodenständigen Slowenen gibt oder seit Existenz eines Nationalitätenproblems je gab.

Auch für die Sprachzugehörigkeit gilt, daß Graz-Stadt und Graz-Umgebung nicht als angestammte Heimat von Slowenen gelten können. Daher scheidet bereits mehr als die Hälfte der zur slowenischen Sprachgruppe gehörigen Personen (wobei auch hier alle Varianten einschließlich der Windischen-Varianten der slowenischen Sprachminderheit zuzurechnen sind) aus der Aufzählung aus. Die in Graz und Umgebung wohnhaft gewesenen Slowenen sind vorwiegend Kärntner Slowenen, die als Studenten oder aus anderen Gründen in Graz wohnhaft waren beziehungsweise (für die heutigen Verhältnisse) sind. Es bleiben für 1939 daher als Angehörige der slowenischen Sprachgruppe nur etwa 1650 Personen übrig. Obwohl diese in drei Gemeinden, nämlich Göritz, Sicheldorf und Laafeld, die absolute Mehrheit bildeten und in Zelting eine starke Minderheit und in einer Gemeinde, nämlich Dedenitz, sogar rund 80 Prozent der Bevölkerung, spielen diese Tatsachen keinerlei Rolle wegen der Geringfügigkeit der

(Cilli, Pettau, Marburg, Mahrenberg, Luttenberg) an Jugoslawien gefallen waren. Im Gebiete der Republik Österreich blieben nämlich so gut wie keine steirischen Slowenensiedlungen zurück.

Eine erste verläßliche Quelle bieten die hiemit auch in diesem Punkt erstmals veröffentlichten Volkszählungsergebnisse von 1939. Danach wurde gezählt nach der Sprochzuge-hörigkeit:

Einwohnerzahl dieser „Gemeinden ohne Gemeindevolk“ (sogenannte Zwerggemeinidien).

1951 bis 1961

Die Volkszählung 1951 ergab nur noch in einer einzigen dieser Gemeinden eine slowenische Bevölkerungsmehrheit, nämlich Dedenitz, das inzwischen auf 116 Einwohner angewachsen war, davon 102 Slowenen. Die anderen Gemeinden wiesen nur noch geringe Minderheiten auf.

Auch bei der Volkszählung 1961 wurde wieder in der Steiermark eine Sprachzählung vorgenommen, und zwar wie 1951 in den Verwaltungsbezirken Leibnitz und Radkersburg. Gezählt wurden im Bezirk Leibnitz in den Varianten „slowenisch“, „deutsch, slowenisch“ und „slowenisch, deutsch“ („windisch“ als Variante gab es nicht) 89 Personen, im Bezirk Radkersburg aber 135. Die Zahl ist außerordentlich gering. Wieder dürfte dabei Dedenitz an der Spitze stehen, doch sind Einzelziffern nicht erhältlich. Die Sprach-zähluingsergehnisse 1961 in der Steiermark erfolgt nicht.83

Rückblick und Ausblick

Vom alten Österreich soll der große tschechische Historiker Palacky gesagt haben, man müsse es erfinden, bestünde es nicht schon. Das war unter dem Gesichtspunkt der so ungemein weisen Nationalitätenpolitik der Habsburgermonarchie, genauer gesagt: ihre westlichen Reichshälfte, gesprochen und gesehen. Ein Abglanz dieser Weisheit in der Behandlung verschiedener Völker und Sprachstämme liegt auch über der heutigen, ethnisch weitgehend homogenen Republik Österreich. Noch gilt in der Republik der klassische Artikel XIX des Staatsgrundgesetzes über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger vom Jahre 1867, eine wahre Magna Charta der ausgleichenden Gerechtigkeit zwischen Völkern und Volksgruppen84. Dazu sind Bestimmungen des Minderheitenschutzes in Staatsverträgen (Friedensvertrag von St. Germain, , Brünner Vertrag, österreichischer Staatsvertrag von 1955) gekommen, aber auch Minderheitenschutzgesetze der Bundes- und Landesgesetzgebung.

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